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Auf den Spuren des Konfuzius in seiner Heimat Qufu in der Shandong-Provinz
6. April 2013
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Koschyk: Wirtschafts- und sozialethische Prinzipien des Christentums und des Konfuzianismus bieten gute Grundlage für Reformen der internationalen Wirtschafts- und Finanzordnung

Das Grab von Konfuzius inmitten eines eindrucksvollen Friedhofs in seiner Geburtsheimat Qufu in der Shandong-Provinz

Der Konfuzianismus, genannt nach seinem Begründer Konfuzius, ist dasjenige philosophische System, welches für China die größte Bedeutung gewonnen hat, zur Staatsphilosophie oder Staatsreligion erhoben wurde und noch heute fortwirkt. Die Konfuzianer sind die Übermittler der ältesten chinesischen Kultur, welche sie vor dem Untergang gerettet, gefestigt und weitergebildet haben. Die alten weisen Herrscher wurden ihre Vorbilder, denn das Altertum galt für sie als die Zeit der höchsten Weisheit und der größten Vollkommenheit. Ihr Denken ist ganz auf das Diesseits gerichtet, eine praktische common- sense Philosophie oder Lebensweisheit. […] Die Tugendlehre und der Staatsgedanke sind das, was die Konfuzianer fast ausschließlich beschäftigt und unter den Tugenden Wohlwollen, kindliche Liebe, Gerechtigkeit und Sittlichkeit.” [aus: Alfred Forke, Geschichte der alten chinesischen Philosophie, Hamburg, 2.A. 1964, S. 98: „Die Konfuzianer“]

Junge Chinesinnen vor einer Konfuzius-Statue in seiner Geburtsheimat Qufu

Die Frage nach der Wirkmächtigkeit des Konfuzianismus im heutigen China war Anlass für eine Studienreise mit wissenschaftlicher Fachbegleitung, die Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk während seines China-Aufenthaltes nach Qufu, der Geburtsheimat des großen Gelehrten in der Shandong-Provinz unternommen hatte. Thomas Awe, der Repräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in der VR-China, konnte für diese Exkursion die renommierte Wissenschaftlerin Prof. Dr. Wang Ge gewinnen, die an der Chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften Philosophie lehrt und als die Expertin in China für den deutschen Philosophen Martin Heidegger gilt. Frau Prof. Dr. Wang hat an der Freien Universität Berlin über die Deutsche Frühromantik promoviert und ist ebenfalls Expertin für die Entwicklung des chinesischen Geisteslebens.

Am alljährlichen Toten-Gedenktag (Qingming) am 4. April, der seit 2008 auch gesetzlicher Feiertag in China ist und der auf Konfuzius zurückgeht, pilgern Tausende Chinesen jeden Alters zur eindrucksvollen Konfuzius-Tempelanlage in Qufu

Von Konfuzius stammt der Ausspruch: „Der größte Nutzen von Riten und Zeremonien liegt im Herbeiführen von Harmonie. Das ist, was an der Regierung der frühen Könige als schön empfunden wurde: in großen wie in kleinen Dingen strebten sie diese an. Doch wussten jene auch, wo sie nicht erreichbar war. Harmonie tritt nicht von selbst ein, sie muss immer durch Riten und Zeremonien reguliert werden.“

Der Konfuzius-Altar in der monumentalen Tempelanlage in Qufu

So war es dann eine besondere Fügung, dass sich die Konfuzius-Studiengruppe von Peking mit dem Hochgeschwindigkeitszug „Harmonie“ in die Geburtsheimat des großen Gelehrten, der Stadt Qufu in Bayerns Partnerprovinz Shandong auf den Weg machte. Unter anderem auf Konfuzius, der die Ahnenverehrung zum heiligen Prinzip erhob, geht der landesweite Totengedenktag „Qingming“ alljährlich am 4. April zurück, den die chinesische Führung 2008 zum gesetzlichen (!) Feiertag erklärte. So konnte Koschyk bei der Besichtigung der Konfuzius-Grabanlage, des Konfuzius-Tempelbezirkes sowie seines herrschaftlichen Wohnareals in Qufu hautnah erleben, wie Tausende von Chinesen jeden Alters am diesjährigen Totengedenktag einem ihrer bedeutendsten Gelehrten die Ehrerbietung erwiesen.

Kinder possieren vor einem traditionellen Landschaftsgemälde im kunstvoll gestalteten Park der imposanten Konfuzius-Wohnanlage in Qufu

Frau Prof. Wang verstand es, am authentischen Konfuzius-Wirkungsort in Qufu, die Fortwirkung der konfuzianischen Lehre im China des 21. Jahrhunderts aufzuzeigen.


Der Schreibtisch des Konfuzius in seiner herrschaftlichen Wohnanlage in Qufu

In der chinesischen Geschichte, so die Wissenschaftlerin, habe es immer wieder Spannungen zwischen den Urprinzipien des Konfuzius und der unterschiedlichen Auslegung seiner Lehre gegeben. Daher gibt es auch heute unterschiedliche Auffassungen, welche Rolle der Konfuzianismus im modernen China spielt bzw. spielen kann. Frau Prof. Dr. Wang: „Der Konfuzianismus im China der Gegenwart ist in unterschiedlichen Sphären präsent: am stärksten trifft man den Konfuzianismus im privaten-familiären Bereich, zum Beispiel in der Pietät gegenüber den Eltern und den Vorfahren an.“ Auch im chinesischen Wirtschaftsleben gebe es Persönlichkeiten, welche die konfuzianischen Ideale lebten. Die Bezeichnung als „konfuzianischen Geschäftsmann“ (Ru Shang) gelte zunehmend als erstrebenswert und werde als Ideal empfunden. Frau Prof. Dr. Wang: „Im Wertevakuum des chinesischen Wirtschaftslebens versucht man immer stärker eine auf den Konfuzianismus gründende Wirtschaftsethik zu entwickeln. Auch an den chinesischen Universitäten gewinnt der Konfuzianismus als Inhalt von Forschung und Lehre immer stärker an Gewicht.“ So existiere an der Peking-Universität ein Forschungsinstitut für „Weltethos“, an dem neben chinesischen Neo-Konfuzianisten auch Hans Küng mitarbeite. An der Shandong-Universität in Jinan, der Heimatprovinz von Konfuzius, trachte man danach, den Konfuzianismus mit renommierten Lehr- und Forschungskräften aus ganz China neu zu beleben. Frau Prof. Dr. Wang: „Im akademischen Diskurs der Politiktheorie in China gibt es Ansätze, das Frieden und Gemeinschaft stiftende Ideal des Konfuzianismus ‚alles unter dem Himmel‘ (Tian Xia) anstelle von Nationalstaatlichkeit und Hegemonie als integratives Gestaltungsmoment der internationalen Politik gedeihen zu lassen. Vertreter dieser Theorie finden sich sowohl im sogenannten ‚Neo-Konservatismus‘, als auch bei der ‚Neuen Linken‘. Auch das von der letzten Parteiführung eingeführte Politikziel einer ‚harmonischen Gesellschaft‘ kann durchaus als Indiz für eine Rückbesinnung auf konfuzianische Werte betrachtet werden.“

Selbst Kinder bringen Konfuzius vor dem Haupttempel der ihm geweihten Tempelanlage in Qufu ihre Verehrung zum Ausdruck

Für eine wirkliche Durchdringung der chinesischen Gesellschaft mit neo- konfuzianischen Wertvorstellungen (= eine Symbiose aus Taoismus, Buddhismus und Konfuzianismus) und westlichem Gedankengut bedürfe es nach Auffassung von Frau Prof. Dr. Wang jedoch „gewisser institutioneller Voraussetzungen sowie individueller Praxis.“ Auch das Christentum könne zunehmend eine wichtige Rolle bei der Entwicklung zivilgesellschaftlicher Strukturen in China übernehmen, so die chinesische Philosophie-Professorin.

Eingangstor zur imposanten Wohnlage von Konfuzius in Qufu

Thomas Awe, der in Göttingen Politische Sinologie studierte und seit Jahrzehnten für die Konrad-Adenauer-Stiftung in Asien tätig ist und seit Jahren in Shanghai und Peking wirkt, verdeutlichte, dass auch er eine Renaissance konfuzianischer Wertvorstellungen in der Politik, im Wirtschaftsleben, in Forschung und Bildung sowie auf gesellschaftlicher Ebene des heutigen Chinas feststellen könne. Daher bemühe sich die Konrad-Adenauer-Stiftung, Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur, aber auch der bürgerschaftlichen Ebene Deutschlands und Chinas durch gemeinsame Veranstaltungen zu einem Dialog darüber zusammenzuführen, welche gemeinsamen Wertvorstellungen beider Länder zu einer positive Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen führen können.

Thomas Awe, Pepräsentant der Konrad-Adenauer-Stiftung in Peking, die Penkinger Philosophie-Professorin Dr. Wang Ge und Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk auf den Spuren von Konfuzius in dessen Geburtsheimat Qufu

Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk sieht in einem deutsch-chinesischen Grundwerte- Dialog ein entscheidendes Instrument, das deutsch-chinesische Beziehungsgeflecht unter den Bedingungen fortschreitender Globalisierung dynamisch fortzuentwickeln. Koschyk: „Gerade die Prinzipen des Christentums und des Konfuzianismus auf dem Gebiet einer Wirtschafts- und Sozialethik können ein wichtiges Element deutsch-chinesischen Zusammenwirkens bei der notwendigen Reform der Internationalen Wirtschafts- und Finanzbeziehungen im Sinne von fiskalischer, ökonomischer, ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit sein!“

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