Was die Integrationsleistung angeht, gilt Speichersdorf im Landkreis Bayreuth bayernweit als vorbildlich. Egal ob Ukrainer, Kasachen, Weißrussen oder Italiener, Amerikaner und Deutsche. Sie alle sind Speichersdorfer. Etwa jeder fünfte der knapp 6000 Einwohner der Gemeinde hat einen Migrationshintergrund. „Mittlerweile haben wir 26 Nationen und es ist gelungen, eine echte Willkommenskultur zu schaffen“, so Christian Porsch, Gemeinderat, Jugendbeauftragter und Mitglied des Sozialraumteams.
Bereits 1992 hatte die Gemeinde mit dem Bau von sechs eigenen eigenen Aussiedlerhäusern in der Neustädter Straße begonnen. Bereits im Jahr zuvor war eine große Zahl Spätaussiedler aus den ehemaligen sowjetischen Staaten nach Deutschland gekommen. „Die Freude war zunächst nicht gerade riesengroß, es gab hitzige Diskussionen“ erinnerte sich die Sozialpädagogin Dolores Longares-Bäumler von der Caritas bei einem Besuch des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk. Nur kurzzeitig habe das Thema an Brisanz erfahren, als es im Jahr 2003 zu einem schrecklichen Mord unter Russlanddeutschen gekommen war. Die Stimmung sei damals gekippt, aber glücklicherweise nur kurzzeitig. Mittlerweile würden die einstigen Aussiedlerhäuser gar nicht mehr alle gebraucht. Einige Wohnungen seien vermietet, andere verkauft worden.
Von allen Beteiligten sei in den zurückliegenden Jahren sehr gute Arbeit geleistet worden, sagte die 2. Bürgermeisterin Simone Walter. Es gibt regelmäßig ein Fest der Kulturen, das bereits vor Jahren als „Aussiedlerfest“ gestartet wurde, eine eigene Kochgruppe hatte sich zusammengefunden und sogar schon ein Kochbuch veröffentlicht. Vor allem dank erheblicher Bundesmittel sei bereits vor rund zehn Jahren auch ein eigener Jugend- und Integrationstreff entstanden. Drei Betreuerinnen und Betreuer sind dort in Teilzeit beschäftigt. Eine davon ist Larissa Maier, die vor Jahren selbst als Aussiedlerin nach Speichersdorf gekommen war. „Wir haben an drei Tagen geöffnet“, sagt sie. Billard, Kicker spielen, Musik hören, Basteln, Hausaufgabenbetreuung gemeinsam feiern oder einfach nur rumhängen, das alles ist in dem ehemaligen Kindergarten an der Hauptstraße möglich. Wichtig für alle Beteiligten, es kommen nicht nur Jugendliche mit russlanddeutschem oder türkischem Hintergrund, sondern auch „Einheimische“.
Die Biographien einiger Menschen, die nach Speichersdorf gekommen waren, sollen künftig einem „Geschichtsbuch“ festgehalten werden, das von dem Bundesprojekt „Toleranz fördern – Kompetenz stärken“ unterstützt wird. Eine davon ist Shenja Dewald. Die 79-Jährige kommt aus Omsk und lebt bereits seit vielen Jahren in Speichersdorf. Für sie ist es ein großes Geschenk, mit ihrer Familie – dazu gehören 24 Enkel und 18 Urenkel – hier sein zu dürfen. Genauso wie die um einige Jahre jüngere Alexandra Maier aus Kirgisien, die bereits seit 1992 in Speichersdorf lebt und deren vor acht Jahren verstorbener Mann Russlanddeutscher war. Eine einzige Familie sei damals in ihrem Dorf zurückgeblieben, noch ihre Eltern seien damals als Deutsche verprügelt worden. „Wir sind hier angekommen“, sind sich beide einig und sie sind froh darüber, dass ihre Lebensgeschichten nun festgehalten werden sollen.
„Speichersdorf steht für gelungene Integration“, sagte der Bundesbeauftragte und Wahlkreisabgeordnete Hartmut Koschyk. Er sah den festen politischen Willen des Entscheidungsträgers sowie das herausragende bürgerschaftliche Engagement als das Erfolgsgeheimnis dafür an. Beispielhaft seien aber auch die Betreuung durch die Caritas und die Integrationsarbeit der Kirchen in bestem ökumenischem Sinn.
There are 0 comments