Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, ist in Prag mit den Vertretern der deutschen Minderheit sowie mit den für die Anliegen der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik zuständigen Regierungsvertretern zusammengetroffen. Im Mittelpunkt der Gespräche stand die aktuelle Situation und die Zukunftsperspektiven der ca. 40.000 Deutschen in der Tschechischen Republik. Vor den politischen Gesprächen wohnte Hartmut Koschyk gemeinsam mit dem deutschen Botschafter in Prag, Detlef Lingemann, der feierlichen Neueröffnung der Synagoge von Brandýs/Brandeis an der Elbe bei. Die Synagoge war 1939 von den Nationalsozialisten geschlossen und später in der kommunistischen Diktatur nicht wieder geöffnet worden. Sie gehört dem Kreis der jüdischen Gotteshäuser der „10 Sterne“, mit welchem die eins blühende jüdische Kultur in Böhmen und Mähren für die Nachwelt sichtbar und erfahrbar erhalten bleiben soll.
Feierliche Eröffnung der Synagoge von Brandýs: Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, Tomaš Kraus (Direktor der Föderation der Jüdischen Gemeinden in der Tschechischen Republik) Botschafter Detlef Lingemann
Erster Gesprächspartner von Bundesbeauftragtem Koschyk auf Regierungsebene war der Minister für Menschenrechte, Gleichberechtigung und Legislative Jiři Dienstbier. Jiři Dienstbier, Sohn des berühmten und 2011 verstorbenen Bürgerrechtlers und späteren tschechischen Außenministers gleichen Namens, hatte sich noch als 20jähriger Student mutig gegen das kommunistische Regime in der damaligen Tschechoslowakei gewandt. Minister Dienstbar ist qua Amt auch Vorsitzender des Rates der nationalen Minderheiten in der Tschechischen Republik, der alle 14 anerkannten nationalen Minderheiten angehören. Hartmut Koschyk dankte dem Minister für sein Engagement für die deutsche Minderheit sowie für die anderen Minderheiten in der Tschechischen Republik, insbesondere für die Roma. Beide Politiker stimmten darin überein, dass es für die Bewältigung der großen politischen und gesellschaftlichen Aufgaben auch der Weiterentwicklung des entsprechenden europäischen minderheitenrechtlichen Rahmens bedürfe.
Botschafter Detlef Lingemann, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, Minister Jiři Dienstbier, Martin Dzingel (Landesversammlung)
In dem früheren Studenten der Katholischen Universität Eichstätt und fließend deutsch sprechenden Kulturminister Daniel Herman traf Bundesbeauftragter Koschyk einen engagierten Promotor der deutsch-tschechischen Beziehungen. Als Vorsitzenden der tschechischen Ackermann-Gemeinde (sdruženi Ackermann-Gemeinde) ist ihm gerade die Verständigung mit der sudetendeutschen Volksgruppe ein wichtiges Anliegen. Hartmut Koschyk verwies auf seine Teilnahme an dem von der Ackermann-Gemeinde in Deutschland und Tschechien sowie der Bernard-Bolzano-Gesellschaft mittlerweile schon zum 23. Mal ausgerichteten ¨Brünner Symposium¨ im April, wo er zum Thema „Minderheiten – in der Mitte oder am Rande unserer Gesellschaft?“ gesprochen hat. Kulturminister Daniel Herman sprach sich auch für die weitere Unterstützung des Collegiums Bohemicum in Aussig aus, für das auch Bundespräsident Joachim Gauck während seines Staatsbesuchs in der Tschechischen Republik Anfang Mai sehr anerkennende Worte gefunden hat.
Martin Dzingel (Landesversammlung), Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, Minister Daniel Herman, Markus Meckel (Präsident Volksbund Deutsche Kriegsgräber), Botschafter Detlef Lingemann
An dem Gespräch nahm auch der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete und DDR-Bürgerrechtler und letzte DDR-Außenminister Markus Meckel teil, der als Präsident des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge und Stiftungsratsvorsitzender der Bundesstiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur mit Minister Herman und Bundesbeauftragtem Koschyk Fragen der Pflege deutscher Kriegsgräber in der Tschechischen Republik sowie der Aufarbeitung der totalitären Vergangenheit ansprach. Minister Herman, der vor seinem Amtsantritt als Kulturminister drei Jahre das mit der deutschen Stasi-Unterlagen-Behörde vergleichbare tschechische Institut zur Erforschung der totalitären Regime geleitet hatte, zeigte sich an einer engen Kooperation sehr interessiert und lobte die Aufarbeitung der SED-Diktatur in der Bundesrepublik Deutschland als Vorbild.
Bundesbeauftragter Koschyk erinnerte bei dieser Gelegenheit an die Initiative von Markus Meckel im Jahr 2009, innerhalb der EU-Kommission einen eigenen Kommissar für die nationalen Minderheiten zu berufen. Die Berufung eines EU-Kommissars für nationale Minderheiten nannte Koschyk heute dringlicher denn je.
Bei beiden politischen Terminen wurde Bundesbeauftragter Koschyk vom deutschen Botschafter in Prag, Detlef Lingemann und dem Vorsitzenden der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien, Martin Dzingel, begleitet.
Botschafter Dr. Ferdinand Trautmannsdorff, Botschafter Detlef Lingemann
Koschyk traf in Prag auch mit dem österreichischen Botschafter Dr. Ferdinand Trauttmansdorff zusammen, mit dem er die konzeptionelle Weiterentwicklung des Minderheitenschutzes in Europa erörterte. Botschafter Trauttmansdorff leitete vor seiner Mission in Prag die Völkerechts-Abteilung des österreichischen Außenministeriums und gilt als Experte für Fragen des Minderheitenrechts.
Bei seinem Besuch des Thomas-Mann-Gymnasiums in Prag konnte sich Bundesbeauftragter Koschyk vom hohen Leistungsstand der dortigen Schülerinnen und Schüler und vom beachtenswerten Einsatz der Lehrkräfte und auch der Elternvertreter überzeugen. Träger der Schule ist die Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien. Eine 6. Klasse begrüßte Hartmut Koschyk mit einem kleinen Theaterstück in deutscher Sprache, das von einer Schülerin geschrieben worden war.
Abiturienten berichteten von ihren Praktika, die sie in ganz unterschiedlichen Unternehmen und Einrichtungen in Hamburg absolviert hatten. Hartmut Koschyk bezeichnete das Thomas-Mann-Gymnasium als „Juwel“ der Bildungsarbeit der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, weil sich das Gymnasium mit der dazu gehörenden Grundschule durch ein besonderes Engagement für den muttersprachlichen Deutschunterricht, aber auch durch die rege Mitarbeit der Elternschaft auszeichnet.
Im Mittelpunkt des Prag-Besuches Koschyks stand ein intensiver Gedankenaustausch mit Vertretern der beiden Organisationen der deutschen Minderheit in Tschechien: der Landesversammlung der Deutschen in Böhmen, Mähren und Schlesien sowie dem Kulturverband der Bürger deutscher Nationalität in der Tschechischen Republik.
Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB mit dem Direktor des Hauses der nationalen Minderheiten in Prag, Jakub Štědroň
Die Begegnung fand in dem von der Stadt Prag getragenen „Haus der nationalen Minderheiten“ stattfand, eine Heimstatt für die deutsche und neun weitere nationale Minderheiten sowie Redaktionssitz der von der Landesversammlung herausgegebenen deutschsprachigen „Landeszeitung“. Nach der Begrüßung und Vorstellung des Hauses durch den Direktor Jakub Štědroň, gaben Hanna Zakhari vom Deutschen Kulturverband in der Region Brünn, Richard Šulko von der „Landschaft Egerland“ sowie Petr Rojík vom Kulturverband beispielhafte Einblicke in das reiche kulturelle Leben der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik. Bundesbeauftragter Koschyk begrüßte die Entwicklung, daß durch die Tätigkeit der Begegnungsstätten der deutschen Minderheit immer stärker auch wichtige Brücken zur tschechischen Bevölkerung und Angehörigen anderer Minderheiten, die an der deutschen Sprache und Kultur interessiert sind, geschlagen werden. Der Bundesbeauftragte sowie der Leiter des Kulturreferats der Deutschen Botschaft, Thomas Motak, erörterten mit der Landesversammlung und dem Kulturverband auch die Möglichkeiten einer noch engeren Zusammenarbeit zwischen beiden Verbänden, damit durch Synergieeffekte die Arbeit für die deutsche Minderheit noch effektiver gestaltet werden kann. Insbesondere ermutigte Koschyk die Vertreter der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik zu weiteren Anstrengungen auf dem Gebiet der Jugendarbeit.
Im Sudetendeutschen Büro mit dessen Leiter Peter Barton
Selbstverständlicher Teil des Besuchsprogramms des Bundesbeauftragten Koschyk in Prag war das Sudetendeutsche Büro, der offiziellen Vertretung der Sudetendeutschen Landsmannschaft in der Tschechischen Republik. Mit dessen Leiter Peter Barton erörterte Koschyk aktuelle Fragen der deutschen Minderheit sowie des deutsch-tschechischen Verhältnisses. Koschyk würdigte den Einsatz von Peter Barton, dem es erneut gelungen war, daß Abgeordnete des Tschechischen Parlaments und wichtige Vertreter tschechischer Parteien am Sudetendeutschen Tag in Augsburg teilgenommen haben. Koschyk begrüßte, dass neben der bereits bestehenden sächsischen Vertretung bald auch eine Vertretung des Freistaates Bayern in Prag ihre Arbeit aufnehmen wird.
Ein weiterer wichtiger Programmpunkt war für Koschyk der Besuch des Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren, das sich in hervorragender Weise des Erbes der deutschsprachigen Literatur in Prag angenommen hat und Prag als einen Ort der mannigfaltigen Wechselbeziehungen zwischen tschechischer, jüdischer und deutschen Kultur erfahrbar machen möchte. Koschyk dankte vor allem dem früheren tschechischen Botschafter in Berlin, František Černý, der sich maßgeblich für diese bedeutende Prager Kulturinstitution eingesetzt hatte.
Im Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren: Milan Horaček, Bundesbeauftrager Hartmut Koschyk MdB, Leitender Direktor David Stecher, Programmdirektorin Dr. Barbora Šrámková, Botschafter a.D. František Černý
An der Begegnung nahm auch der Träger des diesjährigen Karlspreises der Sudetendeutschen, Milan Horáček, teil, mit dem Koschyk aufgrund dessen Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag und seines Einsatzes für Menschen- und Minderheitenrechte sowie für die deutsch-tschechische Verständigung ein kollegial-freundschaftliches Verhältnis verbindet.
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