Allgemein Für die Region
Bundesregierung will die Kommunen entlasten – Fachgespräch Kommunale Finanzen mit Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk
23. Februar 2011
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Redebeitrag von Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk

Handreichung von Finanzstaatssekretär Hartmut Koschyk

Handreichung der Kommunalpolitischen Vereinigung (KPV) Oberfranken

Auf Einladung des Bezirksvorsitzenden der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU, Manfred Thümmler, trafen sich in Trockau Kommunalpolitiker aus ganz Oberfranken zu einem Fachgespräch über Kommunale Finanzen. Vom Parlamentarischen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium Hartmut Koschyk erfuhren die anwesenden Politiker aus erster Hand den aktuellen Stand der  Gemeindefinanzreformkommission. Koschyk betonte eingangs, dass die Neuordnung der Gemeindefinanzen zu den wichtigsten Projekten dieser Legislaturperiode gehört. Die immer stärker zu Tage tretenden Verwerfungen bei den Kommunalfinanzen sind auf der Einnahmeseite durch heftige Einbrüche der Gewerbesteuer in der Krise und starke Zuwächse im Aufschwung gekennzeichnet. Auf der Ausgabeseite zeigen sich zunehmend strukturelle Verwerfungen auf Grund hoher Sozialleistungen. Die Gemeindefinanzkommission hat drei Arbeitsgruppen eingesetzt, zwei Arbeitsgruppen „Rechtsetzung“ und „Standards“ sind bereits durch Übermittlung von Handlungsempfehlungen abgeschlossen, die Ergebnisse werden bereits im ersten Halbjahr abgearbeitet. Die Arbeitsgruppe „Rechtssetzung“ verfolgte das Ziel einer besseren Beteiligung der Kommunalen Spitzenverbände an den Rechtssetzungen des Bundes und der EU zu ermöglichen.

Hartmut Koschyk zu Gast bei der KPV Oberfranken

Von rechts: Kreisrätin Anita Swiduruk, Oberbürgermeister Wolfgang Kreil, Bürgermeister Harald Mild, Bürgermeister Helmut Krämer, Bürgermeister Willi Müller, Bürgermeister Manfred Thümmler, Kreisrat Wolfgang Hempfling, Staatssekretär Hartmut Koschyk, Bürgermeister Gerhard Wunder, Bürgermeister Hans-Walter Hofmann, Kreisrätin Petra Öhring

Folgende Handlungsempfehlungen werden weiterverfolgt:

  • Eine klarstellende Regelung in der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien zur Stärkung der kommunalen Spitzenverbände
  • der Pilotversuch einer länderbezogenen Kostenfolgeabschätzung bei Geldleistungsgesetzen
  • Einbindung der kommunalen Spitzenverbände bei besonders bedeutsamen Steuerrechtsänderungen in der bestehenden Arbeitskreis „Quantifizierung“
  • Änderung der Geschäftsordnung des Bundestages zur Privilegierung der kommunalen Spitzenverbände

Die Arbeitsgruppe „Standards“ prüfte Entlastungsmöglichkeiten der Kommunen auf der Ausgabeseite. Aus über 300 Vorschlägen werden schließlich 90 Vorschläge für Standardänderungen  als Ergebnis an die zuständigen Fachressorts mit einem Prüfauftrag zur Umsetzung weiter gegeben. Zur Veranschaulichung nannte Koschyk folgende Beispiele:

  • Entflechtung von Träger- und Entscheidungsstrukturen und ein automatisierter Datenabgleich in der Sozialhilfe
  • Anhebung des Gebührenrahmens z. B. für das Ausstellen von Personalausweisen und Reisepässen  oder von Anwohnerparkausweisen
  • Neuordnung der Auszahlung des Kindergeldes im öffentlichen Dienst, von der die Kommunen als Arbeitgeber profitieren

Unabhängig von den Vorschlägen der Gemeindefinanzreform hat die Bundesregierung bei den Kosten der Unterkunft mit der sog. Satzungslösung bereits einen Vorschlag vorgelegt.  Dabei erhalten die Kommunen einen höheren Gestaltungsspielraum, indem die Kreise und kreisfreien Städte durch Ländergesetz ermächtigt werden, die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft per Satzung selbst festzulegen.

Staatssekretär Koschyk berichtete auch, dass die Bundesregierung den Ländern aktuell im Rahmen der Beratungen zu den Hartz IV-Sätzen konkret angeboten hat, die Finanzierung der Grundsicherung im Alter bei Erwerbsminderung in drei Schritten bis zum Jahr 2014 vollständig zu übernehmen, kumuliert werden die Kommunen damit von 2012 bis 2015 um rund 12,2 Mrd. € entlastet. Im Landkreis Bayreuth beträgt der Aufwand für die Grundsicherung im Alter rund 950.000 €, die komplette Entlastung bedeutet 1, 35 %-Punkte auf die Kreisumlage 2011 bezogen. Gleichzeitig liegt das Angebot auf dem Tisch, den Kommunen für neue Aufgaben im Bereich Bildung und Teilhabe einen vollständigen Ausgleich von rund 1,5 Mrd. € jährlich zu zahlen. Damit hat die Bundesregierung wesentliche Schritte zur Lösung der strukturellen Probleme der Kommune auf der Ausgabenseite getan.

Die Beratungen der Arbeitsgruppe Kommunalsteuern konnten noch nicht abgeschlossen werden. Zwei Modelle wurden geprüft: Zum einen die Gewerbesteuer mit ihren konjunkturreagiblen Einnahmen durch kommunale Zuschläge zur Einkommen- und Körperschaftssteuer und einen größeren Anteil an der Umsatzsteuer zu ersetzen. Diese Überlegungen sind auf entschiedenen Widerstand der Kommunen gestoßen, die nach wie vor keine tragfähige Alternative zur Gewerbesteuer sehen.  Zum anderen wurde das sogenannte Kommunalmodell  untersucht, das einen Ausbau der heutigen Gewerbesteuer durch weitere Hinzurechnungen und die Einbeziehung von Freiberuflern vorsieht. Die christliche-liberale Koalition kann einem Ausbau der Substanzbesteuerung nicht zustimmen.

Nachdem der Gewerbesteuer Gefahren drohen  im Hinblick auf die neue BFH Rechtssprechung, die möglicherweise zur Notwendigkeit auch der Anrechnung von (auch ausländischen) Verlusten bei der Gewerbesteuer führt, werden zwei weitere Vorschläge in die Prüfung einbezogen:

  • ein Abschmelzen bei Hinzurechnungen bei der Gewerbesteuer und
  • die Einführung eines kommunalen Hebesatzrechts bei der Einkommensteuer

Wichtig dabei ist laut Koschyk, dass die investitionshemmende Substanzbesteuerung  reduziert wird, Steuergestaltungen z. B. bei Lizenzen müssen ausgeschlossen bleiben, Steuerverluste der Kommunen z. B. über den kommunalen Umsatzsteueranteil ausgeglichen werden. Bundesfinanzminister Dr. Schäuble hat bereits im November deutlich gemacht,  dass Veränderungen im System nur mit Zustimmungen der Kommunen erreichbar sind.

Anhand von Zahlen und Fakten stellte der Bezirksvorsitzende der Kommunalpolitischen Vereinigung der CSU Manfred Thümmler die Situation in Oberfranken dar. Die Verschuldung in 2010 der Gemeinden z. B. im Landkreis Wunsiedel war notwendigerweise mit rund 43 Mio. € veranschlagt, davon waren rund 14 Mio. € im August 2010 haushaltsrechtlich nicht genehmigt. Die Konjunkturanfälligkeit der Gewerbesteuer wurde anhand der statistischen Gewerbesteuereinnahmen der letzten drei Jahre veranschaulicht. Besonders negativ wirkt sich für die immer auf Schlüsselzuweisungen angewiesenen strukturschwachen Regionen aus, wenn  nach schwachen Jahren bei der Gewerbesteuer ansonsten steuerstarke,  größere Städte in die Schlüsselzuweisungsverteilung fallen und die Mittel absaugen.

In der anschließenden Diskussion stellte der Oberbürgermeister der Stadt Selb, Herr Wolfgang Kreil die dramatische Situation von Ost-Oberfranken dar. Seine Stadt hat in den letzten Jahren 8.000 Einwohner verloren.  Vor allem junge Leute wandern in die Zentren ab, das Arbeitsplatzangebot in der Region hat stark abgenommen. Eine Verlagerung der Besteuerung auf die verbleibenden Einwohner mit einem großen Anteil von Rentner sei für strukturschwache Regionen keine Alternative. Die Kommunen müssten aus Finanznot hohe Zuschläge verlangen, was gerade für leistungsstarke Steuerzahler einen Anreiz biete, in wohlhabendere Gegenden mit entsprechend niedrigen Einkommensteuersätzen abzuwandern. Oberbürgermeister Kreil fordert vollen Einsatz der Landes- und Bundesregierung für diese strukturschwachen Räume um die Probleme zu lösen.

Herr Landrat a. D. Herbert Hofmann aus Untersteinnach forderte koordinierte Anstrengungen für den strukturschwachen ländlichen Raum. Ein weiterhin wichtiges Instrument ist die Infrastrukturförderung.

Bürgermeister Gerhard Wunder aus Steinwiesen hat auf die besondere Problematik der Ostoberfränkischen ehemaligen „Grenzgebiete“ hingewiesen und Überlegungen angestellt, in einer sogenannten „Sonderwirtschaftszone“ diesen Raum zu stärken.

In seinem Schlusswort versprach Hartmut Koschyk diese Überlegungen, Ideen und vorgetragenen Bedenken aufzunehmen und sich weiterhin für diese strukturschwache Region einsetzen und sieht zur Lösung der Probleme sowohl die Bundesregierung als auch den Freistaat Bayern gefordert.

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Sebastian Machnitzke

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