Die Schätze des Bundesarchivs (Lastenausgleichsarchiv) in Bayreuth stärker zu heben, dieses Ziel soll eine geplante Kooperation zwischen der Einrichtung im Alten Städtischen Krankenhaus und der Universität Bayreuth verfolgen. „Wir wollen die Integrationsforschung unter Einbeziehung des Archivs stärker vorantreiben“, sagte der Parlamentarische Finanzstaatssekretär und Bayreuther Bundestagsabgeordnete bei seinem Antrittsbesuch bei der neuen Leiterin Dr. Stefanie Jost.
Dr. Stefanie Jost ist die neue Leiterin des Bundesarchivs in Bayreuth. Das Bild zeigt sie beim Antrittsbesuch des Parlamentarischen Finanzstaatssekretärs Hartmut Koschyk.
Die gebürtige Mannheimerin hat vor kurzem die Nachfolge von Dr. Ulrich Ringsdorf angetreten.
Die Arbeit der Bayreuther Einrichtung habe in den zurückliegenden Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen, sagte Jost, die in Heidelberg Latein und Geschichte studiert und anschließend eine Archivausbildung absolviert hatte. „Wir werden stark nachgefragt, die Benutzerzahlen sind sprunghaft gestiegen“, so Jost. Allerdings stehe der Bereich Wissenschaft und Forschung nicht an erster Stelle, vielmehr gehe es noch überwiegend um familiengeschichtliche Fragestellungen. Dennoch sei festzustellen, dass die Thematik Flucht und Vertreibung heute viel größere Bevölkerungskreise anspreche, als in der Vergangenheit. Während die Vertriebenenproblematik früher als Domäne einiger weniger Verbände galt, gehe man mittlerweile dazu über, die Nachkriegsgeschichte auf breiterer Basis zu erforschen, ohne den Vorwurf des Revanchismus befürchten zu müssen.
Deswegen sollte auch über eine Forschungsstelle eine Brücke zur Universität geschlagen werden, sagte Koschyk. Die Voraussetzungen dafür könnten in Bayreuth nicht besser sein. Das Thema des Lastenausgleichs umfasse historische, aber auch soziale und wirtschaftliche Forschungsschwerpunkte, die in einer Kooperation hervorragend vertieft werden könnten. Nicht zuletzt, weil immer mehr Wissenschaftler aus Mittel- und Osteuropa zunehmend auf die Bestände des Bayreuther Archivs zugreifen, sei es von großer Bedeutung, dass die Bestände stärker als bisher für die wissenschaftliche Forschung geöffnet werden.
Das Lastenausgleichsarchiv beherbergt weit über drei Millionen Akten auf 36 Regalkilometern, 22 Millionen Karteikarten des kirchlichen Suchdienstes, rund 350000 Fotografien und 8000 historische Landkarten. Damit wird in Bayreuth, von der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, eindrucksvoll ein zentrales Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte dokumentiert. Der sperrige Name Lastenausgleicharchiv kommt von den Akten aus dem so genannten Lastenausgleich. Dabei handelt es sich um die Unterlagen von Vertriebenen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie Süd- und Osteuropas, die Ausgleichszahlungen erhalten hatten. In den Akten enthalten sind unter anderem Grundbuchauszüge, Pläne und Fotos, die sämtliche Besitz- und Lebensverhältnisse der Menschen umfassend dokumentieren.
Zweiter wesentlicher Baustein der Archivarbeit sind die Heimat- und Ortskarteien der Kirchen aus dem ehemaligen Ostpreußen, Pommern, Ober- und Niederschlesien sowie einiger anderer Gebiete. Mit den Karteikarten besitzt das Archiv eine Art „Einwohnermeldeamt“ des ehemaligen deutschen Ostens. Neben den genannten Dokumenten beherbergt das Archiv außerdem rund 10000 Zeitzeugenberichte, 18000 Fragebögen und 6000 Berichte von Amtsträgern wie Kirchenmännern, Lehrern oder Bürgermeistern. Sie alle haben eines gemeinsam, sie spiegeln die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen detailliert wider.
Das Lastenausgleichsarchiv hatte 1989 seine Arbeit in Bayreuth aufgenommen und 1996 sein jetziges Domizil in der Dr.-Franz-Straße bezogen. Dort und in einem angrenzenden Magazinneubau wird das gesamte Archivgut auf einer Fläche von fast 6000 Quadratmetern unter klimatisch optimalen Bedingungen archiviert.
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