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Die Aggression Nordkoreas kann nicht hingenommen werden. Die Wiederaufnahme der 6-Parteien­gespräche ist der beste Weg aus der Krise
15. März 2013
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Namensartikel von Finanzstaatssekretär Koschyk im Bayernkurier, Ausgabe 15. März 2013, zur Situation in Norrdkorea:

Am 12. Februar 2013 führte Nordkorea einen unterirdischen Atomtest durch und verstieß damit gegen einschlägige UN-Resolutionen. Der UN-Sicherheitsrat verabschiedete daraufhin einstimmig die Resolution 2094, die sich unter anderem gegen nordkoreanische Diplomaten und den Zahlungsverkehr mit dem abgeschotteten Land richtet. Die USA und China, der wichtigste Verbündete Nordkoreas, hatten sich zuvor grundsätzlich auf neue Sanktionen gegen Pjöngjang verständigt. Mit der jüngsten UN-Resolution werden die finanziellen Aktivitäten Nordkoreas noch stärker eingeschränkt, vor allem der Transport großer Mengen Bargeld soll verhindert werden. Der Sicherheitsrat untersagte auch die Einfuhr bestimmter Luxusgüter wie Autos, Juwelen und Yachten nach Nordkorea. Diplomaten des Landes sollen unter verschärfte Beobachtung gestellt werden. Außerdem wurden weitere nordkoreanische Firmen und Regierungsvertreter, die an dem Rüstungsprogramm beteiligt sein sollen, mit Reisebeschränkungen und dem Einfrieren ihrer Auslandsguthaben belegt.

Nordkorea reagierte auf die notwendige Verschärfung der Sanktionen mit neuen Drohgebärden im innerkoreanischen Verhältnis. So wurde das Waffenstillstandsabkommen für null und nichtig erklärt sowie sämtliche innerkoreanische Abkommen, einschließlich des Grundlagenabkommens über die gegenseitige Nichteinmischung, aufgekündigt. Die Nord-Süd Telefonverbindungen an der innerkoreanischen Demarkationslinie wurden von Pjöngjang gekappt. Den USA drohte Nordkorea einen atomaren Erstschlag an. Anlässlich des laufenden Militärmanövers der USA und der Republik Koreas hat der nordkoreanische Machthabers Kim Jong Un einen Angriff auf die südkoreanische Insel Baengnyong angedroht.

Die nordkoreanischen Drohgebärden dürfen nicht unterschätzt werden. Auf der anderen Seite hat Pjöngjang das Waffenstillstandsabkommen vom Ende des Koreakrieges in den vergangenen 20 Jahren ein Dutzend Mal für nichtig erklärt. Auch fehlen Nordkorea für einen atomaren Erstschlag gegen die USA die Voraussetzungen einer Gesamt-Nukleartechnik inklusive Trägersystem. Trotzdem sollte das nordkoreanische Nuklearpotential nicht unterschätzt werden. Für den Bau einer „schmutzigen Bombe“ könnte es reichen. Auch besteht die Gefahr der Weitergabe des vorhandenen nordkoreanischen Nuklearpotentials.

Das martialische Auftreten von Kim Jong Un mag verschiedene Ursachen haben. Zum einen muss der „junge General“ seine Macht nach Innen wohl noch weiter absichern und offenbar gegenüber dem nordkoreanischen Militär beweisen, dass er sich wie sein Vater und Großvater auch international Achtung und Respekt verschaffen kann. Auf der anderen Seite scheint die nordkoreanische Führung nach den Wahlen in den USA und Südkorea den richtigen Zeitpunkt für gekommen zu halten, jetzt vor allem mit den USA „auf Augenhöhe“ die grundsätzlichen Fragen im Interesse eines Überlebens des Regimes zu klären. Dazu gehört die Frage, was die USA Nordkorea zuzugestehen bereit sind, wenn es seine nuklearen Ambitionen aufgibt.

In den letzten 20 Jahren haben wir erlebt, dass anscheinend fest gefügte Diktaturen überall auf der Welt ins Wanken geraten sind. Auch in Nordkorea gibt es vielfältige Erosionserscheinungen. Das Land, das Kim Jong-Un von seinem Vater übernommen hat, ist heute in einem weitaus schlechteren Zustand als 1994, als Kim Jong Il an die Macht kam. Mit der Situation auf dem Höhepunkt der Herrschaft seines Großvaters Kim Il Sung († 8. Juli 1994) ist die heutige katastrophale Lage des Landes überhaupt nicht zu vergleichen. Ohne die Unterstützung der VR China ist Nordkorea nicht überlebensfähig.

Es war richtig und angemessen, dass der UN-Sicherheitsrat ein eindeutiges Signal der Staatengemeinschaft an das nordkoreanische Regime gesandt hat. Die UN-Botschafterin der USA, Susan Rice, erklärte zurecht, dass die neuen Sanktionen Nordkorea „hart“ treffen würden und das Land weiter isolieren. Von größter Bedeutung ist, dass die VR China den Sanktionen gegen Nordkorea zugestimmt hat. Nordkorea hat die Botschaft des chinesischen UN-Botschafters Li Baodong, der die Resolution einen „wichtigen Schritt nach vorn“ nannte,
sicher verstanden. Chinas UN-Botschafter rief nämlich dazu auf, die Verhandlungen mit Nordkorea wieder aufzunehmen. Das zeigt, dass es hinter den Kulissen enge chinesisch-amerikanische Sondierungen und Absprachen gibt. Es bleibt zu hoffen, dass Nordkorea erkennt, dass es jetzt verbal abrüsten und zur Vernunft zurückfinden muss. Dies könnte durchaus zu einer neuen Phase von Verhandlungen über Denuklearisierung und Entspannung auf der koreanischen Halbinsel führen. Das vordringlichste Ziel aller Bemühungen muss die Rückkehr Nordkoreas an den Verhandlungstisch der Sechs-Parteien-Gespräche sein. Diese sind von der VR China 2003 unter Beteiligung der USA, Russlands, Japans und der beiden koreanischen Staaten mit dem Ziel eingerichtet worden, eine Gesamtlösung für die Denuklearisierung in Nordostasien sowie für Entspannung und Annäherung zu finden.

Finanzstaatssekretär Koschyk gemeinsam mit der neuen Staatspräsidentin der Republik Korea (Südkorea), Frau Park Guen Hye

Innenpolitisch ist in Nordkorea, trotz der Ankündigungsrhetorik von Kim Jong Un in seiner überbewerteten Neujahrsansprache, echter Reformeifer bisher nicht festzustellen. Erste Anzeichen von Wirtschaftsreformen, insbesondere im Landwirtschaftsbereich, die 2012 von ausländischen Beobachtern ausgemacht worden waren, hatten keine Substanz. Dies ist vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen nicht überraschend: Bereits 2002 hatten unter Kim Jong Il umfassende Reformen begonnen, die dann 2005 wieder abgebrochen wurden. Kim Jong Un scheint offener für Außenkontakte der Wirtschaft zu sein. Erkennen lässt sich eine deutliche Zunahme der Wirtschaftsverflechtung mit der VR China, die jedoch für Nordkorea ambivalent ist, da es die einseitige Abhängigkeit vom „großen Bruder“ noch existenzieller vergrößert. Auch wirtschaftsinnenpolitisch ist bislang kein Kurswechsel erkennbar.

Im Hinblick auf Nordkorea habe ich einmal den Begriff geprägt, dass Nordkorea sich „rational irrational” verhält. Das heißt, vieles was die Nordkoreaner tun, erschließt sich einem auf den ersten Blick nicht. Wenn man sie und die Situation in der Region etwas länger kennt, erscheint einem das nordkoreanische Verhalten jedoch nachvollziehbar und durchaus rational. Nach meiner Einschätzung möchte Kim Jong Un die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft, vor allem der USA, auf sich ziehen, um mit Washington den „großen Deal“ zu schließen. Die spannende Frage dabei wird sein: Ist Nordkorea wirklich bereit, sich seine nuklearen Ambitionen abhandeln zu lassen und wenn ja, für welche Gegenleistung.

In Nordkorea hat es in den letzten Jahren aufgrund von falschen wirtschaftlichen Weichenstellungen, die das harte Leben der Menschen noch einmal verschlechtert haben, erkennbar Unruhen gegeben. Kim Jong Un scheint zu wissen, wie schnell Unruhen aufgrund einer katastrophalen schlechten Versorgung mit Lebensmitteln auch in politische Unruhen umschlagen können. Viele scheinbar unerschütterliche Diktaturen sind in den letzten 20 Jahren weltweit ins Wanken geraten und für stabil gehaltene Diktatoren gestürzt worden. Auch Kim Jong Un und die nordkoreanische Führung sind vor einer solchen Entwicklung nicht gefeit.

Verbale Drohgebährden und vereinzelte militärische Aktionen Nordkoreas gab es in der Vergangenheit mehrfach, etwa die Versenkung einer südkoreanischen Korvette oder den Artilleriebeschuss einer südkoreanischen Insel im Jahr 2010. Danach gab es aber immer eine Phase der Verhandlungsbereitschaft und der Annäherung. Entscheidend in der jetzigen Situation bleibt, mit Hilfe der VR China die Druckkulisse im UN-Sicherheitsrat gegenüber Nordkorea aufrecht zu erhalten und sich gleichzeitig gesprächsoffen zu zeigen, um dem nordkoreanischen Regime zu verdeutlichen, dass die Rückkehr an den Verhandlungstisch den einzigen Ausweg aus der Krise darstellt.

Die Rolle der Europäischen Union und damit Deutschlands sollte es in dieser Situation sein, „gute Dienste“ dahingehend anzubieten, indem man auf den Prozess von Sicherheit und Entspannung sowie Abrüstung in Europa verweist (KSZE / KVAE). Nicht wenige Fachleute in Nordostasien können sich nämlich vorstellen, dass sich nach Lösung der Nuklearfrage im Rahmen der Sechs-Parteien-Gespräche in Nordostasien ein regionaler KSZE/KVAE-Prozess wie einst in Europa entwickelt. Eine solche Phase von Entspannung, Annäherung und Abrüstung in Nordostasien könnte die Europäische Union und damit Deutschland aktiv begleiten. Ein derartiger Prozess kann auch dazu führen, dass eines nicht fernen Tages das koreanische Volk mit Zustimmung seiner Nachbarn und der internationalen Gemeinschaft seine Einheit in freier Selbstbestimmung wiedererlangt.

Zum Artikel auf der Internetseite des Bayernkuriers gelangen sie hier.

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