Allgemein Für Deutschland
„Eine besondere Verantwortung des Staates“ Antworten des neuen Minderheitenbeauftragten Hartmut Koschyk
5. Juni 2014
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Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk,  führte nachfolgendes Interview, das im Magazin „Nordfriesland“ (Vierteljahresschrift des Nordfriisk Instituut) Ausgabe 186 /Juni 2014 erschienen ist:
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Nordfriesland 186 (Juni 2014): „Hartmut Koschyk und Schleswig-Holsteins Minderheitenbeauftragte Renate Schnack im Nordfriisk Instituut“

Quelle:  „Harry Kunz, Nordfriisk Instituut“

Der CSU-Politiker Hartmut Koschyk, seit 1990 Mitglied des Bundestages, ist seit Januar 2014 Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Er folgte Dr. Christoph Bergner (CDU), der das Amt seit 2006 innegehabt hatte. Als Sohn schlesischer Eltern engagiert sich Koschyk seit Langem für die Belange der Vertriebenen. Er begab sich auf eine Rundreise zu den Minderheiten, im März besuchte er die Friesen. Nordfriesland bat ihn um Einschätzungen zu den Perspektiven seiner Arbeit.

Welche Eindrücke haben Sie während Ihrer Antrittsbesuche bei den nationalen Minderheiten gewonnen?

Ich habe mittlerweile sämtliche nationalen Minderheiten vor Ort besucht und war stark beeindruckt von dem hohen Maß an ehrenamtlichem Engagement, welches die Angehörigen unserer Minderheiten tagtäglich erbringen. Auch der starke Zusammenhalt innerhalb der einzelnen Minderheiten hat mich nachhaltig beeindruckt. Ich wurde an jedem Ort sehr herzlich empfangen und bedanke mich ausdrücklich für die spannenden Einblicke, die mir bereits in den ersten Wochen meiner Amtszeit gewährt worden sind.

Diese positiven Eindrücke dürfen gleichzeitig allerdings nicht von einem entscheidenden Punkt ablenken: Unsere nationalen Minderheiten haben in der heutigen Zeit, die Mobilität von jedem Einzelnen verlangt und immer schnelllebiger wird, zunehmend Schwierigkeiten, ihre Sprache und Kultur zu pflegen und an künftige Generationen weiterzugeben. Hier sehe ich zugleich eine besondere Verantwortung des Staates, die dieser insbesondere durch ein klares Bekenntnis zu den nationalen Minderheiten sowie verschiedenste Fördermaßnahmen ausfüllen kann. In diesem Sinne begreife ich auch meinen Auftrag als Beauftragter der Bundesregierung für nationale Minderheiten.

Was sollten die nationalen Minderheiten in Deutschland tun, um in Berlin besser wahrgenommen zu werden?

Zunächst habe ich den Eindruck, dass unsere nationalen Minderheiten bereits ein hohes Maß an politischer Aufmerksamkeit in Berlin genießen. Dies findet etwa Ausdruck in der Institution des Beauftragten der Bundesregierung für nationale Minderheiten. Aber auch abseits meiner Zuständigkeit ist deutlich spürbar, dass die Bundesregierung ihrer Minderheitenpolitik einen hohen Stellenwert einräumt. So bestehen u. a. für nahezu sämtliche Minderheiten so genannte Beratende Ausschüsse, die den Kontakt zur Bundesregierung sowie zum Deutschen Bundestag halten. Außerdem existiert ein Gesprächskreis für nationale Minderheiten beim Innenausschuss des Deutschen Bundestages, in dem sich regelmäßig die Abgeordneten mit den Vertretern der Dachorganisationen der nationalen Minderheiten beraten. Auf Implementierungskonferenzen wird die Umsetzung des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten sowie der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gemeinsam mit den nationalen Minderheiten diskutiert, die einschlägigen Staatenberichte zu den beiden Abkommen werden dem Deutschen Bundestag zugeleitet.

Ich empfehle unseren nationalen Minderheiten, den regelmäßigen Informationsaustausch mit dem Deutschen Bundestag sowie der Bundesregierung zu suchen und aktiv und selbstbewusst Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben, um Gesellschaft und Politik über die eigene Arbeit zu informieren und auf die individuellen Bedürfnisse aufmerksam zu machen. Das seit 2005 eingerichtete und vom Bundesministerium des Innern geförderte „Minderheitensekretariat“ in Berlin ist hierfür die geeignete Einrichtung und nimmt diese Aufgabe auch heute schon wahr. Dieses „Minderheitensekretariat“ bietet den auch in einem „Minderheitenrat“ sehr eng kooperierenden Minderheiten die erforderliche Plattform, sich untereinander zu verständigen und Themen von entscheidender politischer Bedeutung für alle Minderheiten auch mit einer Stimme nach außen zu vertreten.

Dass der Informationsaustausch mit Deutschem Bundestag und Bundesregierung durchaus zu fruchtbaren Ergebnissen führen kann, belegt die zurzeit in Vorbereitung befindliche Sprachenkonferenz, die am 26. November 2014 unter dem Titel „Charta-Sprachen in Deutschland – Ein Thema für alle!“ in Berlin stattfinden wird. Die Konferenz beruht auf einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom November 2012 zu „20 Jahre Zeichnung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“. Sie wird sich im Wesentlichen mit der aktuellen und der zukünftigen sprachpolitischen Situation der Regio­nal- und Minderheitensprachen in Deutschland befassen, aber auch die europäische Dimension des Themas beleuchten. Die Organisation erfolgt in Kooperation mit Minderheiten- und Ländervertretern, mit Vertretern der Regionalsprache Niederdeutsch, dem „Minderheitensekretariat“ sowie dem zuständigen Fachreferat im Bundesministerium des Innern, das auch die notwendigen Haushaltsmittel zur Verfügung stellt. Die Tatsache, dass Herr Bundestagspräsident Lammert spontan die Übernahme der Schirmherrschaft über die Veranstaltung zugesagt hat, belegt einmal mehr, dass es sich für die Minderheiten auszahlt, die politischen Kontakte auf allen politischen Ebenen zu pflegen.

Nach wie vor bestehen deutliche Unterschiede in der Förderung der einzelnen Minderheiten in Deutschland. Welche Möglichkeiten sehen Sie, zu einer Angleichung zu kommen?

In der Tat bestehen zwischen den einzelnen Minderheiten Unterschiede, sowohl was die Höhe als auch die Art ihrer finanziellen Förderung anbelangt. Hieran ist grundsätzlich allerdings auch nichts auszusetzen, da auch die Rahmenbedingungen wie etwa die Organisationsstruktur, die regionale Verteilung und/oder die Schwerpunkte ihres Engagements durchaus unterschiedlich sind.

Die Bundesregierung reicht über das Jahr eine Vielzahl unterschiedlichster Förderbeträge aus, sowohl institutioneller Art wie auch als Projektförderung. Diese Förderbeträge kommen auch nicht alle „aus einer Hand“, sondern werden von unterschiedlichen Stellen des Bundes und der Länder ausgereicht. Zum Teil gibt es gemeinsame Förderungen des Bundes und einzelner Länder, zum Teil fördert nur ein Land oder nur der Bund. Es gibt Projektförderungen kulturpolitischer Art wie auch für minderheitenpolitische Maßnahmen.

So ist es etwa ein besonderes Anliegen der Bundesregierung ob ihrer historischen Verantwortung, das Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg zu fördern und der Öffentlichkeit damit Einblicke in eine Zeit zu geben, die ohne jeden Zweifel durch größtes Unrecht geprägt war. Aber auch abseits dessen setzt die Bundesregierung mit ihrer Förderpolitik individuelle Zeichen. So wurden jüngst etwa 420 000 Euro für einen hochmodernen Anbau des Nordfriisk Instituut bereitgestellt, der es der friesischen Volksgruppe fortan ermöglichen soll, die interessierte Öffentlichkeit noch besser über die friesische Sprache und Kultur zu informieren. Beide Maßnahmen werden von der Beauftragten für Kultur und Medien gefördert, während etwa der Bundesanteil für die Förderung der Stiftung für das sorbische Volk von zurzeit 8,2 Millionen Euro vom Bundesministerium des Innern ausgereicht wird.

Die Förderlandschaft im Minderheitenbereich erscheint aufgrund der unterschiedlichen Zuständigkeiten auf den ersten Blick zugegebener Maßen zunächst unübersichtlich. Sie hat sich aber insbesondere in Zeiten knapper Kassen durchaus bewährt, denn Einsparungen zur Konsolidierung des Bundeshaushalts im einen Ressort schlugen sich nicht automatisch in den Fördertöpfen der anderen Zuwendungsgeber nieder.

Grundsätzlich wäre für eine konsolidierte Minderheitenförderung – so sie denn von allen Minderheitenverbänden gleichermaßen gewünscht ist – zunächst der Konsens unter allen betroffenen Minderheiteneinrichtungen herzustellen. Zugegeben keine einfache Aufgabe und wahrscheinlich nicht von heute auf morgen zu erreichen. Hier wäre der „Minderheitenrat“ unter Einbeziehung der Vertreter der Regionalsprache Niederdeutsch gefordert, sich auf ein einvernehmliches Konzept zu einigen. Für die weitere Moderation dieses Konzeptes mit den Zuwendungsgebern stehe ich zu gegebener Zeit gern zur Verfügung.

Nordfriesland (Vierteljahresschrift des Nordfriisk Instituut) 186 (Juni 2014)

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