Am vergangenen Montag verkündete seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI., dass er zum 28. Februar sein Pontifikat beenden werde.
Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI. verdient größten Respekt, auch wenn ich sie persönlich zutiefst bedauere. In seinem Pontifikat hat Papst Benedikt XVI. viele wertvolle Akzente gesetzt und die Menschen in der ganzen Welt begeistert. Papst Benedikt XVI hat die katholische Kirche während seines Pontifikates entscheidend geprägt. Sein Wirken verdient höchste Anerkennung. Mit seinem außergewöhnlichen wie mutigen Schritt zeigt der Heilige Vater, dass er stets das Wohl der Kirche und der ihr angehörigen Christen und die bestmögliche Verkündigung der Frohen Botschaft unseres Herrn Jesus Christi im Mittelpunkt seines Wirkens steht und nicht die eigene Person.
Benedikt XVI. ist und bleibt einer der bedeutendsten religiösen Denker unserer Zeit. Davon zeugt auch seine Botschaft zur beginnenden Fastenzeit. Diese kreist in diesem Jahr um die Einheit von Glaube und Nächstenliebe.
Die Fastenzeit fordert dazu auf, in den „Kreislauf der Liebe“ einzutreten: der Liebe Gottes zum Sohn und zum Menschen, die dann Liebe zum Nächsten wird. Auf diesem Grundgedanken baut die diesjährige Fastenbotschaft von Papst Benedikt XVI. auf. Wer der Liebe Gottes Raum gibt, der wird ihm ähnlich und seiner Liebe teilhaftig, heißt es in dem meditativ gehaltenen Text.
Ausgehend von seiner ersten Enzyklika „Deus caritas est“ erklärt Benedikt XVI.: „Der Glaube zeigt uns den Gott, der seinen Sohn für uns hingegeben hat, und gibt uns so die überwältigende Gewissheit, dass es wahr ist: Gott ist Liebe! Der Glaube, das Innewerden der Liebe Gottes, die sich im durchbohrten Herzen Jesu am Kreuz offenbart hat, erzeugt seinerseits die Liebe. Sie ist das Licht – letztlich das einzige –, das eine dunkle Welt immer wieder erhellt und uns den Mut zum Leben und zum Handeln gibt“. An all dem kann erkannt werden, „dass die typische Grundhaltung der Christen eben diese im Glauben gründende und von ihm geformte Liebe ist“.
Glaube heißt, „die Wahrheit erkennen und ihr zustimmen, Nächstenliebe bedeutet, den Pfad der Wahrheit zu beschreiten. Durch den Glauben entsteht unsere Freundschaft mit dem Herrn; durch die Nächstenliebe wird diese Freundschaft gelebt und gepflegt. Der Glaube lässt uns das Gebot unseres Herrn und Meisters annehmen; die Nächstenliebe schenkt uns die Glückseligkeit, danach zu handeln. Der Glaube lässt uns die Gaben erkennen, die uns Gott in seiner Güte und Großzügigkeit anvertraut; die Nächstenliebe lässt sie Früchte tragen“.
Benedikt XVI. warnt in der Botschaft vor einer künstlichen Trennung von Glaube und Nächstenliebe. Einerseits sei die Haltung derer verengt, die „auf den Vorrang und die entscheidende Bedeutung des Glaubens solchen Nachdruck legen, dass sie die konkreten Werke der Nächstenliebe unterbewerten (…) und die Nächstenliebe auf einen unbestimmten Humanismus reduzieren. Andererseits ist es aber genauso verengt, eine übertriebene Vorrangstellung der Nächstenliebe und ihrer Werke zu verfechten in der Überzeugung, die Werke würden den Glauben ersetzen.“ Sowohl Fideismus als auch Aktivismus gelte es zu vermeiden, so der Papst.
Außerdem warnt Benedikt XVI. davor, den Begriff der Nächstenliebe auf Solidarität oder einfache humanitäre Hilfeleistung zu beschränken. Das heißt, es gilt die Aufmerksamkeit beispielsweise auch auf gewalttätigen Konflikte, auf die Verschlechterung von Lebensbedingungen, aber auch auf Arbeitslosigkeit oder unwürdige Arbeitsbedingungen in der Welt zu richten.
Gerade angesichts der zunehmenden Globalisierung mit all ihren politischen und sozialen Herausforderungen, angesichts zahlreicher bewaffneter Konflikte auf der Welt, aber auch angesichts der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise sehe auch ich Solidarität und Mitgefühl zwischen den Menschen als von überragender Bedeutung an. Ich stimme mit dem Abtprimas der Benediktiner, Notker Wolf, überein, dass es gilt, wach zu werden für unsere Verantwortung für die Not anderer. Es gilt über unseren Individualismus hinauszuwachsen. Die Kirche trägt dabei die Verantwortung darauf in aller Offenheit und gleichzeitig mit Barmherzigkeit hinzuweisen. Als Christen sollten wir in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft dieser Aufforderung zur Barmherzigkeit und damit der Botschaft unseres Herren Jesus Christus folgen. Nächstenliebe bedeutet unserer Verantwortung als Christen gerecht zu werden.
Abtprimas Notker Wolf nennt hier ein ganz konkretes Beispiel: An der Basis der gegenwärtigen Finanzkrise steht die Gier, die skrupellose Bereicherung auf Kosten anderer. Gerade da brauchen die Menschen von heute „ein erneuertes Verständnis für die Nöte der Armen, die von den Reichen abgehängt werden“.
Benedikt XVI. erinnert uns in seiner Fastenbotschaft aus gutem Grund daran, dass christliches Leben bedeutet, den Berg der Begegnung mit Gott immer wieder hinaufzusteigen, um dann, bereichert durch die Liebe und die Kraft, die sie uns schenkt, wieder hinabzusteigen und unseren Brüdern und Schwestern mit der gleichen Liebe Gottes zu dienen. Gerade auch in einer Phase, in der wir in der Europäischen Union und in der Welt vor großen Herausforderungen stehen, setzt der Heilige Vater mit seiner Fastenbotschaft wichtige geistige Impulse und erinnert uns als Christen an die Werte, die uns verbinden und an die Nächstenliebe, die unser Handeln auch in der Politik bestimmen sollte.
Die signifikante Bedeutung des Papstes für Nächstenliebe, Frieden und Gerechtigkeit in der Welt wurde auch mit seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag und seiner Predigt im Berliner Olympiastadion vor zwei Jahren offenbar.
In seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag hat Papst Benedikt XVI. die Politik zum Einsatz für Gerechtigkeit und Frieden aufgerufen. Letzter Maßstab eines Politikers für seine Arbeit dürfe „nicht der Erfolg und schon gar nicht materieller Gewinn sein“, mahnte Papst Benedikt XVI. in seiner Ansprache über die Grundlagen des freiheitlichen Rechtsstaats. Die Politik müsse das Mühen um Gerechtigkeit sein und so die Grundvoraussetzung für Frieden in der Welt schaffen, so der Papst.
Die Aufforderung von Papst Benedikt XVI. in den „Kreislauf der Liebe“ einzutreten, aber auch seine Mahnung während seines Deutschlandbesuches, die Wahrung der Gerechtigkeit in allem politischem Bemühen nicht aus den Augen zu verlieren, sollten wir uns stets vor Augen führen. Die Erinnerung an die geistig-religiösen Grundlagen Europas und die Botschaft der Nächstenliebe sind gerade auch in dieser Zeit großer Herausforderungen ein wichtiger Kompass für alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft in Deutschland, Europa und der Welt.
Der Heilige Vater kennt die Herausforderungen, mit denen die Kirche heute konfrontiert wird, und weiß, dass „sowohl die Kraft des Körpers als auch die Kraft des Geistes notwendig ist, um die Kirche zu steuern und das Evangelium zu verkünden“. Der Heilige Vater hat in der Vergangenheit erklärt, er wolle der Kirche dienen, solange Gott ihm die Kraft gebe, sein Amt zu erfüllen. Mit seinem Rücktritt hat er sein Versprechen eingehalten. Benedikt XVI. hat während der acht Jahre seines Pontifikats die Versöhnung gesucht, ohne die eigene Glaubensüberzeugung dabei aufzugeben. Er hat vielen Menschen Orientierung und Ermutigung zum Glauben gegeben und gibt nun einmal mehr aller Welt ein leuchtendes Beispiel wirklichen Verantwortungsbewusstseins und lebendiger Liebe zur Kirche.
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