Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind in dieser Woche in Brüssel zum Gipfeltreffen zusammen. Im Mittelpunkt der Arbeitssitzungen standen tiefgreifende Reformen der europäischen Wirtschafts- und Währungsunion.
Die Ergebnisse des Brüsseler Euro-Gipfels sind ein weiterer Erfolg von Bundeskanzlerin Merkel. Der EU-Gipfel hatte sich in der Nacht darauf verständigt, dass die Aufsicht für die 6000 Banken der Eurozone im Verlauf des kommenden Jahres ihre Arbeit aufnehmen soll. Bis Jahresende soll dafür die Rechtsgrundlage für die bei der Europäischen Zentralbank (EZB) angesiedelten Kontrollinstanz stehen. Bundeskanzlerin Merkel hatte sich bei dem Gipfel Plänen von Frankreich und mehreren Südländern widersetzt, die Aufsicht schon zum 1. Januar 2013 starten zu lassen. Für sie sei „von Anfang an klar gewesen, dass der Aufbau der Bankenaufsicht Zeit brauche“, sagte Merkel. Schließlich müsse dafür quasi eine neue Behörde mit vielleicht 200 bis 400 Mitarbeitern geschaffen werden und zunächst die Rechtsgrundlage ausgearbeitet werden. Am Ende der zehnstündigen Beratungen, konnte Bundeskanzlerin Merkel verkünden, dass es jetzt zwar zügig gehen solle, eine Bankenaufsicht jedoch zum 1. Januar ihre praktische Arbeit nicht werde aufnehmen können. Die Finanzminister sollten vielmehr bis Ende 2012 einen Rechtsrahmen schaffen, sodass „im Verlauf des Jahres 2013“ die Bankenaufsicht an den Start gehen könne. „Unser Ziel ist eine Bankenaufsicht, die ihren Namen auch verdient, denn wir wollen ja etwas besser machen als das, was wir heute schon haben“, so die Bundeskanzlerin. Bundeskanzlerin Merkel warb in Brüssel erneut für den von ihr vorgeschlagenen Fonds, der in ihren Augen ein „Solidaritätsfonds“ ist. „Es geht hier um Länder, die in einer sehr, sehr schwierigen Situation sind“, sagte die Kanzlerin. Ihr schwebt vor, aus dem Budget gezielt Reformen zu fördern, die mit Brüssel abgesprochen sind und die etwa im Bereich der Wettbewerbsfähigkeit oder der Bildungspolitik liegen.
In ihrer Regierungserklärung im Deutschen Bundestag zum Europäischen Rat machte Bundeskanzlerin Angela Merkel deutlich, dass sie Europa weiter voranbringen wolle.
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Bundestag ihre Vorstellungen für eine Weiterentwicklung der EU präsentiert. Dabei folgte sie weitgehend den Vorschlägen von Bundefinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble. Bundekanzlerin Merkel lobte in ihrer Regierungserklärung zum EU-Gipfel die Idee von Bundesfinanzminister Schäuble, dem EU-Währungskommissar eine Art Vetorecht gegen unsolide nationale Haushaltsplanungen zu geben, das er unabhängig von den übrigen Kommissaren ausüben könnte. Die EU braucht Durchgriffsrechte, wenn Vorgaben nicht eingehalten würden, so die Kanzlerin in ihrer Rede. Dafür benötige der Währungskommissar allerdings neue Kompetenzen.
Auch einen anderen Vorstoß von Bundefinanzminister Schäuble zur Reform des Europaparlaments unterstützt Bundeskanzlerin Merkel: Falls eine Entscheidung nur ein Teil der EU betrifft, z.B. die Eurozone, sollen auch nur Abgeordnete der jeweiligen Länder, also z.B. der Euro-Zone, abstimmen können.
„Die Stärkung des Euro ist ein Prozess. Die Konturen einer Stabilitätsunion sind aber bereits deutlich erkennbar“, sagte die Kanzlerin. Sie erinnerte daran, dass mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus, dem Fiskalpakt und dem Pakt für Wachstum und Beschäftigung schon wichtige Fortschritte gemacht wurden. Auch die Einführung einer Finanzmarkttransaktionssteuer sei von elf Ländern verabredet.
Ich stimme mit Bundeskanzlerin Merkel uneingeschränkt überein, dass die Überwindung der Krise im Euroraum weitere Maßnahmen erfordert. Ich begrüße es daher sehr, dass die EU-Staats- und Regierungschefs im Juni Ratspräsident Herman Van Rompuy beauftragt haben, neue Vorschläge zu machen . Dreh- und Angelpunkt der Beratungen bleiben die vier Bausteine, die Van Rompuy dem Europäischen Rat bereits im Juni unterbreitet hatte: eine stärker integrierte Finanzpolitik, eine stärker integrierte Fiskalpolitik, eine stärker integrierte Wirtschaftspolitik und eine gestärkte demokratische Legitimation und Kontrolle.
Eine integrierte Finanzmarktpolitik erfordert sicher eine effiziente gemeinsame europäische Bankenaufsicht. Deutschland wird sich mit großem Elan dafür einsetzen, wobei allerdings Qualität vor Schnelligkeit geht. Bundekanzlerin Merkel wies zurecht auf die komplexen Probleme hin, die dabei zu lösen seien. Dies kann nicht im Hauruck-Verfahren geschehen.
Eine integrierte Fiskalpolitik erfordert eine Stärkung der Europäischen Institutionen. Mit dem Fiskalpakt ist bereits ein wichtiger Fortschritt erzielt worden. Das ist aber noch nicht ausreichend. Bundeskanzlerin Merkel schlägt aus gutem Grund „echte Durchgriffsrechte“ in die nationalen Haushalte vor. Dazu müssten die nationalen Parlamente mit der EU entsprechende Vereinbarungen eingehen. Eine gemeinsame Haftung für die Staatsschulden lehnt die Kanzlerin zurecht weiter ab.
Bei der Koordinierung der Wirtschaftspolitik steht Europa noch am Anfang. Die Koordinierung berührt Kernbereiche nationaler Souveränität, wie beispielsweise bei der Steuer- oder Arbeitsmarktpolitik. Für diese hochsensiblen Fragen muss man innovative Lösungen finden. Es geht darum, einen Ausgleich zwischen Eingriffsrechten der EU und dem Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten herzustellen.
Dazu ist selbstverständlich eine Zustimmung der nationalen Parlamente notwendig. Zur Umsetzung von Reformvereinbarungen der Mitgliedstaaten könnten gezielt und projektbezogen finanzielle Anreize gegeben werden. Ein entsprechender Fonds ließe sich beispielsweise aus dem Erlös der Finanzmarkttransaktionssteuer finanzieren.
Mit der Stärkung der europäischen Ebene in der Wirtschafts- und Währungsunion muss auch eine Stärkung der demokratischen Legitimation und Kontrolle einhergehen. Dazu müssen die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt werden.
Der EU-Gipfel am 18. und 19. Oktober hat noch keine Entscheidungen getroffen. Er diene lediglich dazu, die Fragen zu identifizieren, die bis zum Dezember-Rat zu lösen sind. Bei allen noch zu klärenden Fragen bin ich allerdings überzeugt, dass die Staats- und Regierungschefs auf Grundlage ihrer gemeinsamen Überzeugungen zu Fortschritten fähig seien müssen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Staatsschuldenkrise in Europa sollte die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU auch als Ansporn und Verpflichtung für alle gesehen werden, die anstehenden Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen und als Europa gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen!
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