Allgemein Für Deutschland
Interview für die Mittelbayerische Zeitung
20. Juli 2009
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MZ: Herr Koschyk, ist Kiel, wo die CDU die große Koalition mit der SPD platzen ließ, ein Vorbild für den Bund?

Hartmut Koschyk: Nein. CDU und CSU haben durch Disziplin, Konzentration und Geschlossenheit die große Koalition anständig zu Ende gebracht und werden bis zur Wahl erledigen, was zu erledigen ist.. Trotz der Notwendigkeit, Kompromisse zu schließen, hat die Koalition unter Führung von Angela Merkel vieles für Deutschland bewegt. Wenn ich nur an die Kurzarbeitergeld-Regelung denke, die für über eine Million Beschäftigte eine Brücke über die wirtschaftliche Krise darstellt, ohne dass sie ihren Job verlieren. Gleichzeitig haben wir den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung von 6,4 auf 2,8 Prozent gesenkt.

MZ: War die Koalition besser als ihr Ruf, nur ein Bündnis zu sein, das sich lediglich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner oder gar nicht einigen kann?

Koschyk: Wir haben in der Schlussphase noch wichtige Entscheidungen getroffen, die den Bürgern und der Wirtschaft helfen, die schwere Krise zu überstehen. Ich nenne beispielsweise die Korrektur der Unternehmensbesteuerung, die Erleichterungen beim Agrardiesel für unsere Landwirte, den Einstieg in die Abflachung der kalten Progression bei der Einkommenssteuer oder die Bad-Bank-Regelung. Die große Koalition hat viel erreicht. Aber nach vier Jahren ist es auch genug.

MZ: In der Union scheinen dennoch einige mit einer neuen großen Koalition zu liebäugeln. Gerade in der Krise wäre das nicht der Untergang des Abendlandes, oder?

Koschyk: Sicher nicht. Aber Deutschland steht jetzt vor wichtigen Weichenstellungen. Wenn unser Land gestärkt aus der Krise hervorgehen will, müssen etwa in den Bereichen Steuern, Haushalt, Innovation sowie Energie viele Zukunftsentscheidungen getroffen werden. Union und SPD liegen in vielen gesellschaftlichen Fragen weit auseinander. Die Union setzt auf mehr Freiheit und Eigenverantwortung der Bürger gepaart mit sozialem Ausgleich. Die SPD will mehr Staatsregulierung. Eine bürgerliche Koalition mit der FDP könnte da weit mehr bewegen.

MZ: Glauben sie wirklich, dass das Regieren mit einer erstarkten, nach wie vor marktliberalen FDP leichter sein wird als mit den Sozialdemokraten?

Koschyk: Eine kleinere Koalition mit der FDP wird ganz sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig. Doch in der Wirtschafts- und der Steuerpolitik verfügen wir über ein Höchstmaß an Übereinstimmung. Ich sage aber auch, dass besonders die CSU in einer bürgerlichen Koalition mit der FDP für die notwendige soziale Balance sorgen wird. Ein Zuviel an marktradikaler Liberalität tut Deutschland nicht gut. Wir werden dem ‚S‘ für sozial in unserem Parteinamen CSU treu bleiben.

MZ: Eine Mehrheit der Unionswähler will den Ausstieg aus der Kernenergie. Warum halten CDU und CSU trotzig an längeren Laufzeiten fest?

Koschyk: Die Kernenergie ist eine Übergangsenergie. Wir wollen dass sichere deutsche Kernkraftwerke länger laufen bis die Forschung für neue Energieträger, erneuerbare Energien und höhere Effizienz Alternativen zur Kernkraft bieten. Wir wollen auch deshalb längere Laufzeiten, damit wir in Zukunft nicht gezwungen sind, Strom aus unsicheren Anlagen aus dem Ausland teuer kaufen zu müssen.

MZ: Hat Umweltminister Gabriel nicht Recht, der die älteren, unsicheren Anlagen abschalten will. Die Strommengen könnten auf modernere, weniger störanfällige Anlagen übertragen werden?

Koschyk: Wir sind bereit, über alles zu reden, was Deutschland einen bezahlbaren und sicheren Energiemix garantiert. Die Politik steht in der Verantwortung, die Voraussetzungen für sichere und bezahlbare Energie zu schaffen.

MZ: Die Vorgänge im AKW Krümmel haben das Vertrauen der Bürger in die deutschen Kraftwerksbetreiber nicht gerade erhöht. Ist das nicht Wasser auf die Mühlen der Atomstromgegner?

Koschyk: Was sich ein Teil der deutschen Energiewirtschaft, geleistet hat, ist nicht hinnehmbar. Da müssen sich manche Unternehmen an die eigene Nase fassen und für Sicherheit, Transparenz und Vertrauen sorgen.

MZ: Wer längere Laufzeiten will, muss endlich für ein sicheres Endlager sorgen.

Koschyk: Es ist bedauerlich, dass Minister Gabriel in vier Jahren nicht zu einem Fortschritt in dieser wichtigen Frage beigetragen hat. Er hat das Problem aus ideologischen und wahltaktischen Gründen verschleppt.

MZ: Gabriel sagt, die Bundesländer im Süden hätten die Endlagersuche blockiert. Wäre die CSU denn für ein Endlager, etwa in einem bayerischen Granitstock?

Koschyk: Wer war die letzten vier Jahre verantwortlicher Minister? Herr Gabriel darf sich jetzt nicht aus der Verantwortung stehlen. Wir haben bereits sehr viel in die Erforschung eines Endlagers in Gorleben investiert. Es macht keinen Sinn, jetzt ständig neue Projekte anzustreben. Wir sollten jetzt das vernünftig zu Ende bringen, was bereits seit Jahren angedacht und erforscht worden ist.

MZ: Zur Europapolitik. Wenn die Forderungen der CSU für mehr Rechte von Bundestag und Länderkammer umgesetzt würden, dann würden der Bundesregierung in Brüssel die Hände gebunden?

Koschyk: Falsch. Das, was wir nach der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts in einem neuen Begleitgesetz zum EU-Reformvertrag regeln wollen, funktioniert etwa in Dänemark oder Österreich ohne Probleme. Wir brauchen bei wichtigen Entscheidungen zu Europas Zukunft eine stärkere Mitwirkung von Parlament und Bundesrat. Wir als CSU schließen auch Volksabstimmungen bei wichtigen europäischen Weichenstellungen nicht aus. Nur wenn die Bürger das Gefühl haben, Europa findet seine Grenzen sowohl hinsichtlich der Kompetenzen und der geografischen Ausdehnung, steigt die Akzeptanz für die EU wieder.

MZ: Will die CSU nicht doch nur ein Blockadeinstrument, um etwa die Türkei außen vor zu lassen?

Koschyk: Nein, wir wollen, dass in wichtigen Fragen, wie etwa neuer Mitgliedsstaaten, die Bevölkerung befragt wird. Die EU muss insgesamt demokratischer und transparenter werden. Dafür müssen wir jetzt mit dem neuen Begleitgesetz die Voraussetzungen schaffen.

MZ: Davon müssen sie nur noch Angela Merkel überzeugen.

Koschyk: Auch die Bundeskanzlerin ist davon überzeugt, dass es so nicht weiter gehen kann, dass die EU-Kommission schleichend immer weiter Kompetenzen an sich zieht. Nicht jedes Problem in Europa ist auch ein Problem für die EU-Institutionen.

Interview: Reinhard Zweigler

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