Egal wie die Bundestagswahl ausgeht: Für mehr als 85 Abgeordnete markiert sie in jedem Fall einen Schlusspunkt: Sie haben sich entschieden, den Bundestag zum Ende der Legislaturperiode zu verlassen. FOCUS Online hat dazu auch den Bayreuth-Forchheimer Bundestagsabgeordenten und Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk, befragt.
Wie lange waren Sie Bundestagsabgeordneter und in welchem Wahlkreis?
1990 wurde ich über die CSU-Landesliste in den Deutschen Bundestag gewählt; seit 1994 bin ich der direkt gewählte Abgeordnete für den Wahlkreis Bayreuth-Forchheim und erhielt seitdem bei jeder Bundestagswahl über 50 Prozent der Erststimmen.
Was hat Sie bewogen, 2017 nicht mehr für einen Sitz im Bundestag zu kandidieren?
Nach fast drei Jahrzehnten habe ich die Zeit für gekommen gehalten, die Weichen für die personelle Vertretung unseres Raumes neu zu stellen und rechtzeitig einen Generationswechsel herbeizuführen. Ich habe bewusst bereits im März 2016, zu einem frühen Zeitpunkt, meine Entscheidung bekanntgegeben, nicht mehr für den Deutschen Bundestag zu kandidieren. So ist der CSU vor Ort genügend Zeit verblieben, in Ruhe über meine Nachfolge zu entscheiden. Ich selbst verspüre noch keinerlei Wehmut oder Abschiedsstimmung und werde bis zum letzten Tag der Legislaturperiode für den Wahlkreis mit voller Kraft arbeiten.
Welche Pläne haben Sie für die Zeit nach dem Bundestag?
Natürlich freue ich mich sehr, nach meinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag wieder mehr Zeit für meine Familie zu haben. Daneben gibt es verschiedene spannende neue Herausforderungen, bei denen ich mir gut vorstellen kann, meine langjährige Erfahrung als Mitglied des Deutschen Bundestages einzubringen. Auch werde ich mich weiterhin, unter anderem als Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums, nachhaltig für eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel und in Nordostasien einsetzen. Auch will ich die Bedeutung Alexander von Humboldts für Franken als Initiator des „Alexander von Humboldt-Kulturforums Schloss Goldkronach e. V.“ weiter vorantreiben.
Was werden Sie vermissen, wenn Sie nicht mehr Bundestagsabgeordneter sind?
Es stellt sich meines Erachtens weniger die Frage, „Was“ ich vermissen werde, sondern vielmehr „Wen“ ich vermissen werde: Neben meinen Bundestagskollegen sind das vor allem meine Mitarbeiter als Bundestagsabgeordneter, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie aus früheren Fraktions- und Regierungsfunktionen.
Welcher Moment, welche Rede, welches Ereignis im Parlament ist Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben?
Besonders im Gedächtnis geblieben ist mir, als ich im Deutschen Bundestag am 22. September 2011 in meinem damaligen Amt als Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen die Rede von Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag von der Regierungsbank aus mitverfolgen konnte, da Bundesfinanzminister Schäuble an diesem Tag bei der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds in Washington war.
Noch heute bin ich tief bewegt von den Worten des Heiligen Vaters, der dazu aufforderte, die Wahrung der Gerechtigkeit in allem politischen Bemühen nicht aus den Augen zu verlieren. Zurecht legte Papst Benedikt XVI. dar, dass die Kultur Europas aus dem Gottesglauben Israels, der philosophischen Vernunft der Griechen und dem Rechtsdenken Roms entstanden ist. Im Bewusstsein der Verantwortung des Menschen vor Gott und in der Anerkenntnis der unantastbaren Würde eines jeden Menschen wurden Maßstäbe des Rechts gesetzt, die es zu verteidigen gilt, so Papst Benedikt XVI.
Die Mahnung des Heiligen Vaters, sich an die geistig-religiösen Grundlagen Europas zu erinnern, sollten gerade in unserer heutigen Zeit großer Herausforderungen ein Kompass für alle Verantwortlichen in Politik und Gesellschaft in Deutschland und Europa sein. Ich bin überzeugt, dass alle, die im Vorfeld Kritik an dem Auftritt von Papst Benedikt XVI. im Deutschen Bundestag geübt hatten, sich nach seiner Rede beschämt vorgekommen sein mussten.
Welche Entscheidung fiel Ihnen am schwersten?
Als Mitglied des Deutschen Bundestages gibt es nie leichte Entscheidungen. Alle Beschlüsse des Deutschen Bundestages haben Einfluss auf das Leben von Menschen in unserem Land und darüber hinaus. Dabei möchte ich keine Wertung vornehmen, ob ein Gesetz eine kleine oder große Bevölkerungsgruppe unmittelbar betrifft. Jede Entscheidung muss verantwortungsvoll getroffen werden, stets mit dem Ziel vor Augen, dem Gemeinwohl zu dienen.
Gibt es eine Entscheidung, die Sie heute bereuen?
In den zurückliegenden 27 Jahren als Mitglied des Deutschen Bundestages habe ich mir aufgrund meiner christlichen Überzeugung stets vor Augen gehalten, dass all unser Handeln rechenschaftspflichtig vor Gott und den Menschen ist. Zurückblickend kann ich mit gutem Gewissen sagen, dass ich meine Entscheidungen stets in diesem Sinne abgewogen habe und keine meiner Entscheidungen im Nachhinein bereue.
Welchen Fehler würden Sie heute nicht mehr machen?
Fehler machen gehört zum menschlichen Leben. Entscheidend ist jedoch, aus seinen Fehlern zu lernen und aus ihnen zu wachsen. In diesem Sinne hat jeder Fehler, den ich in meinem Leben gemacht habe auch dazu beigetragen, als Persönlichkeit zu reifen, denn „aus Fehlern wird man klug“!
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