Prof. Dr. Bernhard Herz, Inhaber des Lehrstuhls für Geld und Internationale Wirtschaft an der Universität Bayreuth, machte deutlich, dass Europa derzeit nicht eine Krise des EURO, sondern eine Staatsschulden- sowie eine Bankenkrise durchlebe. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben darauf mit einer Mischung aus neuer Ausrichtung des europäischen Regelwerkes und dem Aufspannen von Rettungsschirmen reagiert.
Auf dem Podium diskutierten (von links): Prof. Dr. Bernhard Herz (Universität Bayreuth), Prof. Dr. Stefan Leible (Universität Bayreuth) und Prof. Dr. Hernán Muriel Ciceri (Universidad Santo Tomás, Bogotá).
Die Troika-Programme stellten dabei eine Mischung aus Schuldenreduzierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit dar. Dies bedinge auch rezessive Phasen in den Volkswirtschaften der Länder unter den Rettungsschirmen. Dieser Anpassungsprozess erfordere Zeit und werde von der EZB durch geldpolitische Maßnahmen unterstützt. Die Reformprozesse zeigen erste Wirkung und stärken die Wettbewerbsfähigkeit der Programmländer. Was die Inflationsgefahr anbelangt, so sieht Professor Herz derzeit keine Anzeichen einer inflationären Entwicklung in Europa. Allerdings berge das lang anhaltende niedrige Zinsniveau auch Gefahren für die Volkswirtschaften des EURO-Raums. Der Ökonom forderte eine strikte Rückkehr zum Haftungsprinzip. Das Anpassungsprogramm der Troika für Zypern wertete Professor Herz als Beginn der Rückkehr zum Haftungsprinzip.
Im Zuge der Entschärfung der Staatsschulden- und Bankenkrise müsse die Geldpolitik wieder normalisiert werden. Die Entwicklung einer einheitlichen Bankenaufsicht in Europa mit der Möglichkeit einer Bankenabwicklung sei ein wichtiger Fortschritt für die Stabilisierung des Bankensektors in Europa. Professor Herz forderte die Politik in Europa zu einer Stärkung der Reformkräfte in den Peripherieländern auf. Neben neuen verbindlichen Regeln einer einheitlichen Fiskalpolitik müsse vor allem in nationaler Verantwortung die notwendige Haushaltskonsolidierung und Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erfolgen.
Prof. Dr. Hernán Muriel Ciceri von der St. Thomas Universität Bogotá machte in seinem Beitrag deutlich, dass man von Seiten der lateinamerikanischen Staaten die aktuelle Staatsschuldenkrise in Europa sehr aufmerksam verfolge. Gerade Kolumbien habe viele Elemente der deutschen und europäischen Rechtsordnungen übernommen, besonders im Bereich des Wirtschaftsrechts. Auch im Finanzsektor seien in Kolumbien wichtige Regulierungen vorgenommen werden, damit von dort keine Gefahren für die kolumbianische Volkswirtschaft ausgehen. Neben wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung habe auch die Geldpolitik der Zentralbank Kolumbiens auf Inflationsgefahren und die Wachstumsschwäche erfolgreich reagiert. Insgesamt haben sich die Budget-Situation und die Wettbewerbsfähigkeit der kolumbianischen Wirtschaft in den letzten Jahren positiv entwickelt. Die verschiedenen Freihandelsabkommen, an denen Kolumbien beteiligt ist, haben sich ebenfalls positiv für die kolumbianische Volkswirtschaft ausgewirkt. In Kapitalmarktfragen arbeite Kolumbien mit seinen Nachbarn zunehmend enger zusammen und strebe Schritte für eine weitere Kooperation und Integration an. Der OECD-Ausblick für Kolumbien für das Jahr 2913 sei überwiegend positiv, benenne jedoch auch Handlungsfelder für eine weitere dynamische Entwicklung der kolumbianischen Wirtschaft, z. B. im makroökonomischen, rechtlichen und sozialen Bereich.
Dieser Teil des Deutsch-Kolumbianischen Forums wurde vom Vizepräsidenten der Universität Bayreuth, Prof. Dr. Stefan Leible, geleitet, der zu den Mitinitiatoren der bilateralen Dialogveranstaltungen in Berlin und Bayreuth gehört.
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