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Koschyk: „Die Korea-Politik der USA gleicht einer Achterbahn-Fahrt“
25. November 2020
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Bilder, die bleiben, auch wenn die Aktionen dahinter, weniger erfolgreich waren: Trump und Kim begegnen sich am 30. Juni 2019 im Bereich der Demarkationslinie zwischen Nord- und Südkorea Foto: BRENDAN SMIALOWSKI / AFP

Angesichts des Wechsels im Amt des Präsidenten in den USA, befragte die BILD-Zeitung den Ko-Vorsitzenden des Deutsch-Koreanischen Forums und anerkannten Korea-Experten, Hartmut Koschyk, welche Auswirkungen dies auf die amerikanische Nordkorea-Politik haben könnte.

BILD. „Trump war mit Beginn seiner Präsidentschaft von dem Ehrgeiz gepackt, den ‚big deal‘ mit Nordkoreas Diktator zu erzielen und einen Konfliktherd zu beseitigen, an dem alle seine Vorgänger krachend gescheitert sind“, so Koschyk.

Und weiter: „Er wählte dabei eine eher kumpelhafte Annäherung an Kim mit zwei Gipfeln in Singapur und Hanoi. Das Vorhaben war von Anfang an sehr ambitioniert, wobei die Verhandlungen durch das State Department unter dem US-Sondergesandten Stephen Biegun sehr professionell geführt wurden.“

Woran scheiterten die Fortschritte hin zu einer Entspannung des Korea-Konflikts dann aber letztlich doch? Denn Fakt ist: auf das nordkoreanische Atomwaffenprogramm hatte die Annäherung offenbar keine Auswirkungen. Einem UN-Bericht aus dem Sommer 2020 zufolge hat das Land inzwischen „wahrscheinlich kleine nukleare Vorrichtungen entwickelt“, die in Sprengköpfe von Raketen passen.

„Am Ende wollten wohl beide Seiten aber auf einmal zu viel: Trump forderte eine atomare Entwaffnung in einem Stück als Voraussetzung für Zugeständnisse der USA, Kim wollte erst die Aufhebung der Sanktionen und einen Friedensvertrag mit Sicherheitsgarantien, bevor er zu einer vollständigen Denuklearisierung bereit war“, erklärt Koschyk.

Dennoch pflegten Trump und Kim eine „Brieffreundschaft“, die von gegenseitigem Respekt geprägt war.

Wie verändert sich die US-Politik unter Joe Biden?

„Die Korea-Politik der Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten gleicht einer Achterbahn-Fahrt. Bill Clinton vollzog die bis dahin wohl weitestgehende Annäherung gegenüber Nordkorea, die im Besuch seiner Außenministerin Madeleine Albright beim Vater des seinerzeitigen Diktators Kim Jong-Il gipfelte“, so Koschyk.

Und weiter: „Unter George W. Bush wurde Nordkorea der ‚Achse des Bösen‘ zugerechnet. Erst am Schluss seiner zweiten Amtszeit versuchte Bush Junior eine Annäherung, wobei die direkten USA-Nordkorea-Gespräche damals in Berlin stattfanden.

Barack Obama wollte unter dem Motto ’strategische Geduld‘ das Problem eher ‚aussitzen‘ und wandte sich verstärkt anderen Weltregionen zu.

Ob eine weitere Amtszeit von Donald Trump wieder neuen Schwung in die Gespräche zwischen Washington und Pjöngjang bringen würden, bleibt reine Spekulation.“

Südkoreas Präsident Moon Jae-in (67) hat nach dem Sieg des Demokraten Joe Biden (77) bei der US-Präsidentenwahl die Hoffnung geäußert, die Beziehungen zwischen den beiden Ländern auszubauen.

„Unsere Allianz ist stark und die Verbindung zwischen unseren Ländern ist felsenfest“, schrieb der linksliberale Moon in einer Glückwunschbotschaft an Biden und dessen gewählte Vizepräsidentin Kamala Harris bei Twitter. Er habe große Erwartungen, die künftigen bilateralen Beziehungen weiterzuentwickeln.

Während Trumps Amtszeit waren die Beziehungen zwischen den beiden Alliierten öfters ins Trudeln geraten. Trump hatte unter anderem größere Zahlungen Südkoreas für die Stationierung der US-Soldaten im Land gefordert.

Moon und Trump hatten gegenüber Nordkorea jedoch gemeinsam eine Gipfeltreffen-Diplomatie mit dem Ziel verfolgt, das international isolierte Land von seinem Atomwaffenprogramm abzubringen. Beide trafen Kim Jong-un mehrmals – und Moon vertrat die Ansicht, dass Trump den Friedensnobelpreis verdiene.

Und wie geht es nun mit Biden weiter?

„Ein US-Präsident Joe Biden wird sich der ‚koreanische Frage‘ eher grundsätzlich und damit nur schrittweise annähern und nicht gleich ‚in die Vollen gehen‘ wie Donald Trump. In der Schlussphase des Wahlkampfs hatte Biden gleichwohl ein Gipfeltreffen mit Kim in Aussicht gestellt, sollte dieser einem Abbau seines Nuklearpotentials zustimmen. Auch Biden sprach sich für eine atomfreie koreanische Halbinsel aus“, so Koschyk.

Und weiter: „Es wird sehr darauf ankommen, ob es Moon Jae-in gelingt, Biden und sein Umfeld zu einer aktiven und ambitionierten Korea-Politik zu bewegen. Auch käme es darauf an, ob die EU und vor allem Deutschland die USA hierzu ermutigen und sie dabei unterstützen würden.“

Welche Rolle spielt der Papst?

Nicht zu unterschätzen ist in den Augen von Koschyk die katholische Konfession Bidens: „Der Katholik Moon Jae-in hatte bei seinem Besuch bei Papst Franziskus in Rom diesen um Unterstützung für seine Annäherungspolitik gegenüber Nordkorea gebeten. Kurz darauf hatte Papst Franziskus seine grundsätzliche Bereitschaft erklärt, Nordkorea zu besuchen, wenn es dem Frieden und der Versöhnung diene.“

Es bleibt also abzuwarten, „welchen Einfluss eine Bitte von Papst Franziskus gegenüber US-Präsident Biden haben würde, dieser möge sich aktiv für Entspannung, Versöhnung und Frieden auf der koreanischen Halbinsel einsetzen und damit eine der letzten ungelösten Nachkriegs-Konflikte des 20. Jahrhunderts dauerhaft friedlich zu lösen“, erklärt Koschyk.

Weiterführende Informationen zum Deutsch-Koreanischen Forum finden Sie hier.

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