Die Europäische Union feiert heute, am 9. Mai, den „Europatag“. Am 9. Mai 1950 hielt der damalige französische Außenminister Robert Schuman in Paris eine Rede – die inzwischen als Schuman-Erklärung in die Geschichte der EU eingegangen ist. Er schilderte darin seine Vision einer neuen Art der politischen Zusammenarbeit in Europa – eine Zusammenarbeit, die Kriege zwischen den europäischen Nationen unvorstellbar machen würde. Seine Idee war die Schaffung einer überstaatlichen europäischen Institution zur Verwaltung und Zusammenlegung der Kohle- und Stahlproduktion. Knapp ein Jahr später wurde eine solche Institution eingerichtet. Robert Schumans Vorschlag gilt als Grundstein der heutigen Europäischen Union.
Beim Mailänder Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs 1985 wurde beschlossen, zur Erinnerung an dieses Ereignis am 9. Mai jeden Jahres den Europatag der Europäischen Union zu begehen, an dem seit 1986 zahlreiche Veranstaltungen und Festlichkeiten stattfinden.
Der Europatag soll uns ins Bewusstsein rufen, dass die Europäische Union nicht als reine Wirtschaftsgemeinschaft verstanden werden darf. Wenngleich die Wirtschaft in der EU eine wichtige Rolle spielt und durch den europäischen Binnenmarkt integriert ist, darf nicht vergessen werden, dass die EU in erster Linie auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes eine Wertegemeinschaft darstellt. Nicht in erster Linie der Euro, sondern das Kreuz sollte Europa einen.
Im Lissabonner Vertrag über die Europäische Union, der zum 1. Dezember 2009 in Kraft trat, werden die Werte in Artikel 2 genannt: „Die Werte, auf die sich die Union gründet, sind die Achtung der Menschenwürde, Freiheit, Demokratie, Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit und die Wahrung der Menschenrechte einschließlich der Rechte der Personen, die Minderheiten angehören. Diese Werte sind allen Mitgliedstaaten in einer Gesellschaft gemeinsam, die sich durch Pluralismus, Nichtdiskriminierung, Toleranz, Gerechtigkeit, Solidarität und die Gleichheit von Frauen und Männern auszeichnet.“ Der Lissabonner Vertrag hat auch die bereits Ende 2000 feierlich unterzeichnete Grundrechtecharta der Europäischen Union zu einem Teil des Primärrechts gemacht. Dort sind die Grundrechte und -freiheiten genau beschrieben und definiert.
Die Wertegemeinschaft der Europäischen Union war der Schlüssel, die epochalen Veränderungen in Europa in den zurückliegenden Jahrzehnten zu meistern und Frieden und Stabilität zu wahren. Viele Konflikte konnten überwunden werden, wie beispielsweise auf dem Balkan, wo es mittlerweile Entwicklungen hin zu politischer Stabilität. Wohlstand und sozialem Ausgleich gibt. Auch die Solidarität mit den Staaten, die im Zuge der Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise finanzielle Hilfe benötigten, waren und sind Ausdruck der Wertegemeinschaft Europas. Wir treten ein für ein Europa, dass eben nicht nur von politischen und wirtschaftlichen Interessen zusammengehalten wird, sondern insbesondere auch von der christlichen Wertüberzeugung, die geprägt ist von Subsidiarität, Solidarität und Hilfe gegenüber dem Nächsten.
Europa hat über Kriege, Konflikte und Soldatengräbern zusammengefunden. Das gute Zusammenwirken der Staaten ist ein großer Wert, für den alles getan werden muss, um ihn zu erhalten. Gerade angesichts des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland sollten wir heute am Europatag innehalten und uns die gemeinsamen, uns alle verbindenden Werte der Europäischen Union vor Augen führen: Denn aus diesen Werten heraus resultiert die Verpflichtung Deutschlands und der Europäischen Union, ihren Beitrag dazu zu leisten, dass in der Ukraine ein nationaler Dialog beginnt und Gespräche zwischen den politischen Kräften und Vertretern des friedlichen Teils der Zivilgesellschaft in den russisch geprägten Regionen im Osten und Südosten des Landes geführt werden. Die Wertegemeinschaft Europa bedeutet, gemeinsam für Frieden und Stabilität sowie für Freiheit, Demokratie und Rechtstaatlichkeit in der Ukraine einzutreten. Es gilt, Gräben zu überwinden, eine Verständigung zu suchen und zwischen der Ukraine und Russland einen Ausgleich herbeizuführen.
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