Allgemein Für Deutschland
Koschyk im Gespräch mit koreanischer Wissenschaftlerin Frau Prof. Dr. Youri Kim
17. Juli 2014
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YouriKim HP

Der Ko-Vorsitzende des Deutsch-Koreanischen Forums und Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag, Hartmut Koschyk MdB, ist in Berlin mit der koreanischen Wissenschaftlerin, Frau Prof. Dr. Youri Kim, zusammengetroffen, um sich über die aktuelle Situation auf der koreanischen Halbinsel auszutauschen. Prof. Dr. Youri Kim ist seit Oktober 2011Forschungsprofessorin an der Universität Bayreuth und Wuppertal mit Unterstützung der Alexander von Humboldt Stiftung im Fachbereich Interkulturelle Germanistik.

Im Folgenden finden Sie einen Artikel den Frau Prof. Dr. Youri Kim zum Thema: „Korea zwischen Tradition und Moderne!“

„Südkorea zählte 1960 zu den 13 ärmsten Staaten der Welt. Heute ist das Land OECD-Mitglied und gehört zu den weltweit 13 reichsten Wirtschaftsnationen. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Wirtschaftsentsentwicklung waren 1960 in Südkorea denkbar schlecht. Das Land hatte den katastrophalen Koreakrieg (1950-1953) mit 4,5 Mio. Toten hinter sich. Wirtschafts- und Infrastruktur lagen am Boden. Bereits vor dem Korea-Krieg war die Halbinsel am 38. Breitengrad 1945 geteilt worden; in einen kommunistischen Norden und einen von den Amerikanern dominierten autokratisch-diktatorischen Süden.

Bis 1990 brach die wirtschaftliche Entwicklung des Nordens unter dem Einfluß des Kommunismus fast vollständig zusammen während der Süden bereits ab 1970 wirtschaftlich prosperierte. Heute ist Südkorea eine weltweit führende Wirtschaftsnation, und es stellt sich die Frage, wie Südkorea diesen rasanten Wirtschaftsaufschwung schaffen konnte?

Verschiedene Antworten sind möglich. Ich möchte den Einfluß der konfuzianistischen Lehre auf die koreanische Kultur nennen. Konfuzius (551 v. Chr. bis 479 v. Chr.) übte wesentlichen Einfluß auf das soziale und wirtschaftliche Selbstverständnis der Menschen in Asien und somit auch Korea aus. Der chinesische Philosoph prägte in seiner Lehre ein Kulturverständnis von menschlicher Ordnung, welches die klare Hierarchisierung des gesellschaftlichen und sozialen Zusammenlebens auf der Grundlage eines moralisch einwandfreien Menschen in Harmonie mit dem Weltganzen beinhaltet. Harmonie, Mitte, Gleichgewicht und auch Gleichmut werden ihm zufolge für den Menschen in seiner Ein- und Unterordnung in Familie, Freundeskreis und öffentliches Leben wirksam. Der wichtigste Schlüssel für eine optimale und angemessene Integration liegt in einer guten und moralischen Erziehung sowie einer möglichst optimalen Bildung. Beides ist für alle Koreaner eine stetige Verpflichtung. Auch deshalb verfügen derzeit knapp 90 % der Koreaner über einen Universitätsabschluß.

Es waren also Disziplin, Arbeitseifer und soziale Verantwortung, welche das koreanische Wirtschaftswunder bedingten.

Gern gestehe ich ein, daß auch für mich diese kulturellen Einflüsse eine maßgebliche Rolle gespielt haben. Deshalb habe ich promoviert, deshalb bin ich Hochschullehrerin geworden.

Spätestens ab 1990 reichten Disziplin, Arbeitseifer und soziale Verantwortung nicht mehr aus. Die wirtschaftlichen Verhältnisse wandelten sich. Im Rahmen der Globalisierung mußte Südkorea ein neues Kapitel seiner Wirtschaftsbeziehungen aufgeschlagen. Die bis dahin tendenziell dominierende Binnen- und Regionalmarktorientierung mußte erweitert werden mit einer zunehmenden Integration in den Weltmarkt.

Dies konnte nur gelingen indem die Koreaner ihre kulturellen Werte von Harmonie und Gleichgewicht modifiziert anwendeten auf Kontakte mit Partnern in aller Welt, indem sie deren kulturelle Eigenheiten angemessen berücksichtigten. Es war für Korea ein tiefgreifender Lernprozeß, die eigene Kultur nicht zum Maßstab aller Dinge zu machen sondern im Rahmen interkultureller Kommunikation viel Wert zu legen auf Ausgleich und Konfliktvermeidung. Nur so erschien eine angemessene Teilhabe am weltweiten Wirtschaftswachstum möglich.

Inzwischen hat sich in Korea institutionell eine Politik der „Culture Contents“ etabliert, welche die kulturspezifischen Besonderheiten von Menschen in aller Welt bei der Produkt- und Marketingentwicklung unter Berücksichtigung der eigenen Kultur berücksichtigt. Im Rahmen dieser Politik kommt es auch darauf an, einzelne Kulturelemente der koreanischen Kultur wirtschaftlich umzusetzen und international verständlich und profitabel zu machen. Schätzungen gehen davon aus, daß mehr als 50% des Bruttosozialprodukts inzwischen auf der Grundlage dieser Politik erwirtschaftet werden. Für ein rohstoffarmes Land wie Südkorea sind Kultur und Geist deshalb von fundamentaler Bedeutung. Indem das Land auf den Grundlagen des traditionellen Vermächtnisses der Vorväter ruht erschließt es zugleich die Kraftquellen für die kreative Gestaltung von Gegenwart und Zukunft.

Auch Deutschland hat inzwischen die Wichtigkeit dieser Themen erkannt. Wohl deshalb habe ich ein Stipendium der renommierten Alexander-von-Humboldt-Stiftung ab Oktober 2011 erhalten, um mich speziell mit interkulturellen Marketingfragen zur Kulturindustrie im Rahmen von Kulturwirtschaft und Kunst zu beschäftigen. Dabei habe ich die wechselseitigen Wirkungen von Politik und Wirtschaft im Auge behalten. Jetzt steht die Entwicklung und Durchführung von Trainingskursen in Korea an, an denen vorzugsweise koreanische Politiker teilnehmen sollen. Es wird erwartet, daß diese Arbeiten einen Beitrag zur Festigung der Beziehungen zwischen Korea und Deutschland leisten können.

Besonders dankbar war ich dafür, im Verlauf meiner Aufenthalte in Deutschland Herrn Hartmut Koschyk kennenlernen zu können. Er hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark um die Deutsch-Koreanischen Beziehungen verdient gemacht. Seit 1998 ist er Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages. Ihm ist die Bedeutung der Deutsch-Koreanischen Beziehungen ein Herzensanliegen.

Ich bin davon überzeugt, daß Politik und Wissenschaft einen nachhaltigen Beitrag dazu liefern können und freue mich, bei diesen wichtigen Aufgaben mitwirken zu können.“

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