Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 9. Februar 2010 hat die bestehenden rot-grünen Regelungen im Zweiten Sozialgesetzbuch als nicht verfassungskonform beanstandet und Änderungen verlangt. Dem Gesetzgeber wurde aufgegeben, die Regelsätze in einem Gesetz neu zu bemessen. Das Bundesverfassungsgericht hat festgelegt, dass der Gesetzgeber entscheiden darf, ob er das menschenwürdige Existenzminimum durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen sichert und welche Positionen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe als regelsatzrelevant zu werten sind. Nachdem das vom Bundestag beschlossene Gesetz zur SGB-Leistungsreform von den SPD-geführten Bundesländern im Bundesrat abgelehnt wurde, wurde der Vermittlungsausschuss angerufen, der eine Beschlussempfehlung abgab. Diese Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zur SGB-Leistungsreform wurde mehrheitlich im Deutschen Bundestag angenommen. Am Rande der Sitzung des Bundesrates in Berlin vereinbarten daraufhin die Ministerpräsidenten von CDU, CSU und SPD gemeinsam erneut den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anzurufen. Die ursprünglich geplante Abstimmung über die Regierungsvorschläge für Korrekturen an der SGB-Leistungsreform wurde ausgesetzt, da sich für die Reform in der Länderkammer aufgrund der rot-grünen Blockade keine Mehrheit abgezeichnet hatte.
Maßstab für die Bundesregierung bei der Neuberechnung der Regelsätze war die Aufgabenstellung des Bundesverfassungsgerichts. Genau diese Aufgabenstellung hat Bundesministerin Ursula von der Leyen in dem von ihr sorgfältigst durchgeführten Berechnungsverfahren erfüllt. Das Ergebnis ist überaus sach- und fachgerecht, erstmals für jedermann transparent und erfüllt ohne jegliche Abstriche die Anforderungen unserer Verfassung und die Vorgaben des Verfassungsgerichts.
Die Grundsicherung für Arbeitsuchende ist eine Gemeinschaftsleistung. Wir müssen deshalb das richtige Maß für diejenigen finden, die damit menschenwürdig leben müssen und für diejenigen, die es erarbeiten und verdienen müssen. Im Hinblick darauf muss die Höhe der Regelsätze immer auch ins Verhältnis zu dem gesetzt werden, was diejenigen, die diese sozialen Leistungen bezahlen und die Unterstützung ermöglichen, verdienen. Das Lohnabstandsgebot ist ein wichtiger Baustein der Sozialpolitik.
Es müssen auch die Gesamtbezüge betrachtet werden: Neben dem angestrebten neuen Regelsatz von 364 Euro beziehen die Hilfebedürftigen die Erstattung angemessener Kosten für Wohnen und Heizen. Der Bund übernimmt Kranken- und Pflegekassenbeiträge: Im Schnitt sind das 163 Euro/Monat für jeden der 3,6 Mio. Arbeitslosengeld II-Empfänger.
Weitere Vergünstigungen erhalten SGB II-Empfänger – anders als Erwerbstätige mit geringem Einkommen – außerdem noch von den Kommunen und den Ländern. Dies reicht von Vergünstigungen für Leistungsempfänger im öffentlichen Nahverkehr über kostenlose Kindergartenplätze und kostenlose Mitgliedschaften in Sportvereinen, verbilligte Eintrittskarten für Kulturveranstaltungen und freies Schulmittagessen. SGB II-Empfänger können sich zudem von den GEZ-Gebühren befreien lassen.
Die Bundesregierung hatte sich bei den Verhandlungen des Vermittlungsausschusses zur SGB-Leistungsreform kompromissbereit gezeigt! So sollte beispielsweise das Bildungspaket auch auf Kinder von Familien, die Wohngeld beziehen, ausgeweitet werden und in einem Drei-Stufen-Modell sollten die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf Dauer durch den Bund übernommen werden. Das entspricht von 2012 bis 2015 einer Nettoentlastung für die Kommunen in Höhe von 12,24 Mrd. Euro.
Im Hinblick auf die Regelsätze sollte die Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeit und Übungsleiter nicht auf den Regelsatz angerechnet werden und die Kosten für Warmwasserbereitung durch den Bund übernommen werden. Ohne nachvollziehbare Rechengrundlage forderten die Oppositionsparteien allerdings höhere Regelsätze. Jeder Euro, der auf die Regelsätze aufgeschlagen wird, kostet die Kommunen rund 60 Millionen Euro jährlich. Das heißt, bei der von Rot-Grün geforderten Aufstockung um 11 Euro beim Regelsatz hätte dies für die kommunalen Haushalte eine zusätzliche Belastung von rund 630 Millionen Euro im Jahr, und dies auf Dauer bedeutet.
Auch im Hinblick auf eine Mindestlohnregelung legte der Vermittlungsausschuss in seiner Beschlussempfehlung konkrete Ergebnisse vor. So sollte beispielsweise ein Mindestlohn auch im Wach- und Sicherheitsgewerbe möglich werden. Im Hinblick auf die Zeitarbeitsfirmen kam der Vermittlungsausschuss zu dem Ergebnis, dass die Bundesregierung eine Kommission einberufen würde, falls es im Wege der Tarifeinigung innerhalb eines Jahres zu keiner befriedigenden Verständigung kommt.
Es ist unverantwortlich, dass die SPD-geführten Bundesländer der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses nicht zustimmen wollten und stattdessen der Vermittlungsausschuss erneut angerufen wurde. Insbesondere die im Vermittlungsausschuss von Rot-Grün geforderten höheren Regelsätze sind kommunalfeindlich, da mit jedem Euro Erhöhung mehr Menschen von staatlicher Unterstützung abhängig werden. Einkommen und Vermögen der Leistungsempfänger vermindern jedoch zuerst die Regelleistung des Bundes und erst anschließend die kommunal finanzierten Wohnkosten. Jede Regelsatzerhöhung benachteiligt deshalb in erster Linie die Kommunen.
Mit der ablehnenden Haltung von SPD, Grünen und Linken in Bundestag zur Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zur SGB-Leistungsreform wurden neue Chancen für Kinder auf einen sozialen Aufstieg verzögert. Neben den bereits bestehenden Leistungen (Schulbasispaket, mehrtägige Schulausflüge) war von der Bundesregierung vorgesehen: Lernförderung (insb. Nachhilfe), eintägige Schulausflüge, bei entsprechendem Angebot Schul- und Kitamittagessen sowie Mittel zur Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben (z. B. Beiträge für den Sportverein oder Musikunterricht). Dies war ein ganz wesentlicher Teil des Gesetzentwurfes zum SGB II-Leistungsrecht. Allein für den Bildungs- und Teilhabebereich für die Kinder waren insgesamt 620 Mio. Euro Mehrausgaben veranschlagt. Leitragende der Haltung der Oppositionsparteien sind nun all die Kinder, die nunmehr von den Leistungen des Bildungspakets noch nicht profitieren können Jetzt müssen sich die SPD-geführten Bundesländer im Vermittlungsausschuss kompromissbereit zeigen und dürfen keine Forderungen mehr stellen, die das Lohnabstandsgebot in Frage stellen, den Bildungspakt gefährden oder haushaltspolitisch nicht tragbar sind. Auch als Oppositionspartei haben SPD und Grüne eine Verantwortung für unser Land und seine Bürger wahrzunehmen.
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