Der Deutsche Bundestag hat sich in dieser Woche mit einem fraktionsübergreifenden Beschluss dafür ausgesprochen, bis zum Herbst 2012 einen Gesetzentwurf vorzulegen, der unter Berücksichtigung der Grundrechte von Eltern und Kindern sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist.
Für alle in der Bundesregierung ist völlig klar: Wir wollen jüdisches und wir wollen muslimisches religiöses Leben in Deutschland. Verantwortungsvoll durchgeführte Beschneidungen müssen in diesem Land straffrei möglich sein. Auch Bundeskanzlerin Merkel hat sich klar dafür ausgesprochen, dass Sie nicht will, dass Deutschland das einzige Land auf der Welt ist, in dem Juden nicht ihre Riten ausüben können.
Ich begrüße es ausdrücklich, dass der Bundestag sich mit einer breiten, fraktionsübergreifenden Mehrheit dafür ausgesprochen hat, jüdisches und muslimisches religiöses Leben in Deutschland auch weiterhin zu ermöglichen. Dies soll dadurch sichergestellt werden, indem die weltweit akzeptierte Beschneidung minderjähriger Jungen verfassungskonform geregelt wird.
Das Urteil des Landgerichts Köln vom 7. Mai 2012 hat Muslime und Juden erheblich verunsichert. Erstmals hat ein deutsches Strafgericht die religiös motivierte Beschneidung eines minderjährigen Jungen als rechtswidrige Körperverletzung gewertet. Für Juden und Muslime ist die seit Jahrtausenden praktizierte Beschneidung von Jungen jedoch ein identitätsstiftender und zentraler Bestandteil ihres religiösen Selbstverständnisses. Es gilt daher, für eine rasche rechtliche Klarstellung zu sorgen. Dabei steht das Kindeswohl im Mittelpunkt aller Überlegungen. Es sind jedoch zunächst die Eltern, die festlegen, was dem Wohle ihres Kindes dient. Sie haben dabei die Grenzen der Rechtsordnung etwa im Sorgerecht und im Strafrecht zu beachten.
Unter Medizinern werden die Vor- und Nachteile der Beschneidung kontrovers diskutiert. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt den Eingriff zumindest regional als eine hygienisch sinnvolle Vorsorgemaßnahme. Schätzungen zufolge ist gegenwärtig ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung beschnitten. Wenn aber die Beschneidung von Jungen aus hygienischen Gründen für vertretbar gehalten wird, kann eine medizinisch fachgerechte Beschneidung aus religiösen Gründen nicht strafbar sein.
Juden und Moslems sollen ihre Religion in Deutschland auch leben können: Die Ausübung der Religionsfreiheit ist in der Bundesrepublik ein verfassungsrechtlicher Grundsatz. Dieser gilt für das Judentum, den Islam und andere Religionsgemeinschaften gleichermaßen. Nun gilt es, eine verfassungskonforme Regelung zu finden, um die Ausübung dieser uralten religiösen Bräuche zu ermöglichen und damit auch die Religionsausübung sicher zu stellen. Das sind wir auch als Christen unseren jüdischen und muslimischen Mitbürgern in Deutschland schuldig.
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