Seit vielen Jahren hat die traditionelle „Kosmosvorlesung“ einen festen Platz im Jahresprogramm des Alexander von Humboldt-Kulturforums. In seiner Begrüßung verwies Vereinsvorsitzender Hartmut Koschyk darauf, dass Alexander von Humboldt 1827/1828 in der Singakademie zu Berlin sein umfassendes Wissen, das er sich unter anderem auf seinen zahlreichen Reisen angeeignet hatte, einer breiten Öffentlichkeit – und zwar jedem, ausdrücklich auch Frauen – mitteilen wollte. An diese Tradition möchte das Kulturforum anknüpfen und bemüht sich alljährlich darum, anerkannte Wissenschaftler für diese „Neuauflage“ einer Kosmosvorlesung zu gewinnen. In diesem Jahr war das der weithin bekannte und beliebte Historiker Dr. Adrian Roßner, der sich einem ganz speziellen Thema zugewandt hatte und zwar dem Zusammenwirken von Karl August von Hardenberg und Alexander von Humboldt als Staatsreformer.
Hartmut Koschyk zeigte sich dankbar, dass man in der VR-Bank Bayreuth/Hof, vertreten durch das Vorstandsmitglied Tobias Reisse, einen großzügigen Unterstützer der Veranstaltung gefunden habe, ohne deren Hilfe man als Kulturverein nicht existieren und das umfangreiche Jahresprogramm anbieten könne. Reisse gab unumwunden zu, dass Humboldt ihm eine Herzensangelegenheit sei und eine Unterstützung leicht falle, seien doch die Bank selbst, der Referent und auch Humboldt stark in der Region verwurzelt.

Damit übernahm der Referent des Abends das Wort und wurde gleich eingangs mit frenetischem Applaus der rund 60 Zuhörer begrüßt. Roßner fungiert seit einem Jahr als Geschäftsführer des „Bayerisches Wissenschaftszentrum für KI und SuperTech, Kloster Speinshart“ und präsentierte auch gleich ein KI-generiertes Bild von Hardenberg und Humboldt, das es so nie gegeben hat.
Ausgehend vom Titel des Vortrags hätte man erwartet, dass ein relativ trockenes historisches Terrain an die Zuhörerschaft herangetragen wird. Aber da wusste Roßner in einem mitreißenden, von schlüssigen, mit fundiertem Wissen auf allgemeinverständliche Basis transformierten Geschichtsfakten entgegenzuwirken. Fast hatte man den Eindruck, als sei Roßner bei all den wichtigen historischen Ereignissen in Bayreuth ab anno 1604 persönlich zugegen gewesen. Da nämlich wurde die Residenz des Fürstentums von der Plassenburg in Kulmbach nach Bayreuth verlegt. In der Folge kamen Wilhelmine von Preußen und Friedrich von Brandenburg-Bayreuth durch politisch motivierte, arrangierte Vermählung 1731 nach Bayreuth, obwohl Wilhelmine hätte ursprünglich den englischen Kronprinzen heiraten sollen. Sie fühlte sich zwar nie richtig wohl in Bayreuth, versuchte aber, der Stadt ihren Stempel aufzudrücken und spielte später eine bedeutende Rolle als Markgräfin, bekannt für ihre Kulturförderung (Opernhaus). Das tat sie aber nicht für die einfache Bevölkerung, sondern nur für sich und ihren Geltungsdrang (absolutistischer Gedanke), wie Roßner klarstellte. Nach dem Tod der beiden Regenten übernahm Markgraf Karl Alexander von Bayreuth das Gebiet mit einem riesigen Schuldenberg und versuchte, einen sparsamen Kurs zu fahren. Als wirtschaftliche Reformen, um die Staatskassen zu füllen, werden ihm einige Veränderungen zugeschrieben: die Einführung der Jacquard-Technik (quasi der Vorläufer des binären Systems auf dem Level der Textilindustrie), der Soldatenverkauf sowie die Ankurbelung des Kur-Tourismus in Bad Alexandersbad.

1791 übernahmen die Preußen die Regentschaft über das Gebiet und zwar in Person des 1750 in Essenrode geborenen Karl August von Hardenberg. Nach seinem Studium der Rechts- und Kameralwissenschaften in Göttingen und Leipzig trat er 1782 in den Staatsdienst in Braunschweig ein und verfasste erste Denkschriften zu Reformen in der Verwaltung. 1790 erfolgte sein Amtsantritt als Leitender Minister in den Fürstentümern Bayreuth und Ansbach sowie als Provinzialminister im Jahr 1792. Die von ihm angeprangerten „mittelalterlichen Verhältnisse“ in der Verwaltung schaffte er erstmals in seiner Zeit durch umfassende Reformen aus der Welt. Damit wurde aus dem Fürstentum Bayreuth/Ansbach der erste Staat im modernen Sinne. Sein Credo war, dass der Verwaltung ein „Kontrollorgan“ zur Seite gestellt werden muss: die Justiz. Für Roßners Feststellung, dass damit das Fürstentum Bayreuth/Ansbach der erste moderne Staat Europas gewesen sei, gab es vom Publikum heftigen Szenenapplaus – eher ungewöhnlich bei einem trockenen, dennoch nicht zu trockenen Geschichtsvortrag à la Roßner.
Die von Hardenberg mit kompetenten Beamten geschaffenen Reformen hatten zum Inhalt: die Gleichheit aller vor dem Gesetz, die Sicherheit des persönlichen Eigentums sowie das Recht auf Bildung/Einführung eines Schulwesens. Er erkannte als genialer Wirtschaftsmacher, dass man sich nicht zu sehr vom Ausland abhängig machen solle und nannte als Beispiel die heimischen Leineweber in Konkurrenz zur Baumwolle (die Gegenwart im Weltwirtschaftshandel ließ grüßen).
Am Ende von Hardenbergs Regentschaft stand das phänomenale Ergebnis, dass die Schulden aufgefressen waren und der Staat sogar wieder Gewinne einfuhr. Zurückbeordert nach Preußen, setzte Hardenberg die in Bayreuth gewonnenen Erkenntnisse im dortigen Staat um, seine als „fränkische Clique“ bezeichnete sechsköpfige Gefolgschaft wuchs zur politischen Elite des Preußenstaats heran.
Im deutlich kürzeren Teil seines Vortrags widmete sich Roßner dem Universalgelehrten Alexander von Humboldt, dessen Wirken nicht zuletzt aufgrund intensiver Bemühungen des Kulturforums in der Region deutlich bewusster gemacht wurde und wird. So sei die Geschichte Humboldts hinlänglich bekannt, wonach er eigentlich seine Forschungsarbeit in Franken Hardenberg schlicht und ergreifend überlassen wollte. Dieser ernannte ihn aber kurzerhand zum Oberbergmeister in eigener Verantwortung, weil er erkannt hatte, dass Humboldt ihm geistig an der Seite stand und ihm bei der Durchsetzung seiner politischen Reformpläne von Nutzen sein könnte. Humboldt gleichwie Hardenberg zeichneten sich aus durch Verantwortungsbewusstsein für die Bevölkerung, die den Staats schließlich durch ihre Arbeit und die damit verbundenen Mühen und Entbehrungen aufrecht erhielten – ganz anders als die Vorgänger in einem absolutistischen Regime.

Noch einmal gelang es Hardenberg, Humboldt, der eigentlich von seinem Job nach der Erfüllung aller gestellten Aufgaben gelangweilt war, in der Region zu halten: er ernannte ihn zum Oberbergrat, wo er nicht mehr verwalten musste, sondern sich seinem eigentlichen Faible hingeben durfte, der Forschung. „Alles hängt mit allem zusammen“ lautete sein Credo und blieb bis an sein Lebensende prägend für sein Wirken als Universalgelehrter, dessen Ausgang in Franken zu suchen und zu finden ist.
Resümee des Vortrags von Adrian Roßner: die letzten zehn Jahre des 18. Jahrhunderts waren die Spannendsten für Bayreuth in Hinsicht darauf, welche Erkenntnisse daraus in das Staatswesen ganz Deutschlands – bis heute anhaltend – getragen wurden.
Zwei Stunden, gespickt mit hochaktuellen Fakten aus 10-jähriger Bayreuther Historie ausgangs des 18. Jahrhunderts, wurden mit donnerndem Applaus der Zuhörer in der wunderbaren Kulisse des Kunstmuseums Bayreuth, nicht zuletzt geschuldet dem wort- und gestenreichen Vortrag des Publikumslieblings Adrian Roßner , abgeschlossen mit der Überreichung der Gastgeschenke an die Protagonisten: Buch- und CD-Geschenk für Adrian Roßner sowie eine Humboldt-Rose für VR-Bank-Vorstandsmitglied Tobias Reisse.




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