Politik, Polizei und Opferschutzverbände üben den Schulterschluss und wollen gemeinsam gegen das Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2002 Front machen. Die damalige Liberalisierung habe dem Menschenhandel Tür und Tor geöffnet, sagte Soni Unterreithmeier von der Organisation SOLWODI (Solidarität mit Frauen in Not).
Freuten sich über einen bis auf den letzten Platz gefüllten Glenk-Saal: Hartmut Koschyk MdB (links) und Silke Launert MdB (rechts).
„Die momentane Rechtslage ist desolat“, so Helmut Sporer, Kriminalhauptkommissar aus Augsburg und bundesweit anerkannter Experte für die Bereiche Prostitution und Menschenhandel. Carmen Benker, Frauenbeauftragte der oberfränkischen Polizei forderte: „Verschließen sie nicht die Augen und decken sie Missstände auf. Wenn niemand den Finger in die Wunde legt, wird sich nichts verändern.“
Silke Launert, Bundestagsabgeordnete aus Hof und Bezirksvorsitzende der Frauenunion.
Die oberfränkische Frauenunion hatte sich im Umfeld des Internationalen Weltfrauentages am Samstag des Themas angenommen und zu der hochkarätig besetzten Diskussionsveranstaltung nach Bayreuth eingeladen. Wenn der Mensch zur Handelsware degradiert wird, dann werden auch Menschenrechte elementar verletzt“, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk aus Bayreuth. „Wenn der Staat dies in Kauf nimmt, dann versagt er“, so Koschyk, der sich für einen klaren Paradigmenwechsel in der Gesetzgebung aussprach. Der Abgeordnete nannte es völlig unverständlich, dass es so lange gedauert hat, bis das völlig fehlgelaufene Gesetz jetzt endlich korrigiert wird.
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und direktgewählte Bayreuth-Forchheimer Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk.
Das damalige „Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten“ sollte die rechtliche und soziale Situation von Prostituierten zu verbessern. Gleichzeitig fand allerdings auch eine Liberalisierung statt. Kritiker monierten, dass Polizei und Justiz seitdem keine Instrumente der Kontrolle mehr haben, dass keine ärztlichen Untersuchungen mehr vorgeschrieben seien und dass sämtliche Meldepflichten aufgehoben wurden. Die wesentlichen Forderungen, die sämtliche Beteiligten bei der Tagung aufstellten, zielten vor allem darauf ab, Prostitution unter 21 Jahren generell zu verbieten, regelmäßige ärztliche Untersuchungen vorzuschreiben und eine verpflichtende Anmeldung bei Polizei und Behörden festzulegen. Außerdem sollten nur Frauen der Prostitution nachgehen dürfen, die auch einen Wohnsitz in Deutschland haben.
Soni Unterreithmeier von der Organisation SOLWODI (Solidarität mit Frauen in Not).
Silke Launert, Bundestagsabgeordnete aus Hof und Bezirksvorsitzende der Frauenunion kritisierte unter anderem die Verharmlosung von Prostitution durch Werbung in entsprechenden Medien und durch fragwürdige TV-Beiträge in privaten Kanälen. „Wenn Beiträge über sogenannte Bordelltester gezeigt werden und Werbung für Flatrates in Bordellen gemacht wird, ist die Grenze zu menschenunwürdigen Praktiken erreicht“, sagte sie. Die oberfränkische Europaabgeordnete Monika Hohlmeier forderte, entsprechende Zeugenschutzprogramme auszubauen, die Zusammenarbeit von Polizei und Justiz innerhalb Europas zu stärken und Beweise gegenseitig verwertbar zu machen. Die Situation habe sich seit den 1990er Jahren dramatisch verschlechtert, die Prostitution ist zu einem internationalen, knallharten und brutalen Verbrechergeschäft geworden.
Helmut Sporer, Kriminalhauptkommissar aus Augsburg und bundesweit anerkannter Experte für die Bereiche Prostitution und Menschenhandel.
Vor allem die Öffnung der Grenzen und die europäischen Osterweiterungen hätten die Situation aber grundlegend verändert, sagte Helmut Sporer von der Kripo. Er berichtete von einem massenhaften Zustrom vor allem aus Rumänien, Ungarn und Bulgarien nach Deutschland in den zurückliegenden Jahren. Es habe sich eine regelrechte Industrie entwickelt, bei der Bordellbetreiber von Deutschland aus Frauen nach Konfektionsgröße und Haarfarbe bestellen könnten. Auch ein Trend zu immer jüngeren Frauen sei erkennbar. Sporer bezifferte die Zahl der Prostituierten in Deutschland auf rund 300000, genaue Zahlen gebe es wegen der fehlenden Meldepflicht nicht. Genau deshalb sei Deutschland auch so interessant, für alle, die mit Menschenhandel und Prostitution Geld verdienen. Nicht zuletzt forderte der Beamte auch, die Strafrahmen analog zum Betäubungsmittelgesetz generell zu erhöhen Prostitution habe sehr viel mit Menschenverachtung zu tun, so Soni Unterreithmeier von SOLWODI. „Wenn Frauen anonym hier sind, sind sie vogelfrei und haben nicht einmal Zugang zu einer ärztlichen Untersuchung.“ Nicht gestellt werde schließlich auch die Frage, was mit den Frauen passiert, wenn sie körperlich und psychisch aufgebraucht sind. „Werden sie in ihre Heimat zuurückgeschickt, landen sie in unseren Sozialsystemen oder lässt man sie möglicherweise auch irgendwo verschwinden?, wollte Soni Unterreithmeier wissen.
Jede nicht angezeigte Straftat schützt die Täter, sagte Carmen Benker vom Polizeipräsidium Oberfranken. „Unser Auftrag lautet, die Täter ihrer gerechten Strafe zuzuführen“, so Benker. Zu den Themen Prostitution und Menschenhandel gehöre es auch, dass etwa häusliche Gewalt oder sexuelle Übergriffe noch immer einem gewissen Tabu unterliegen.
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