Weihbischof Rudolf Pierskała
Der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, besucht vom 1. bis 3. Juni die polnischen Woiewodschaften Oppeln und Schlesien. Am Sonntag nahm er auf den St. Annaberg an der traditionellen Wallfahrt der deutschen Minderheit teil, wo er nachfolgendes Grußwort hielt:
„Es ist für mich eine außerordentliche Freude und Ehre, bei der diesjährigen Minderheitenwallfahrt auf den Sankt Annaberg dabei zu sein. Dieses ist ein wahrhaft historischer Ort mit einer großen Bedeutung nicht nur für die Oberschlesier, nicht nur für Polen und Deutsche, sondern für die ganze europäische Christenheit. Der Sankt Annaberg verdankt diese Stellung ungezählten gläubigen Menschen, die über Jahrhunderte pilgernd zu diesem Heiligtum zogen und ziehen, sowie dem Franziskanerordern, der seit dem 17. Jahrhundert fast ununterbrochen diese Wallfahrt betreut.
Es ist nunmehr fast auf den Tag genau 25 Jahre her, dass hier auf dem Sankt Annaberg zum ersten Mal nach dem Zweiten Weltkrieg wieder ein Gottesdienst in deutscher Sprache gefeiert wurde. Damit wurde die jahrhundertelange, von den hiesigen Franziskanern so liebevoll gepflegte Tradition der bilingualen Wallfahrtsseelsorge sowohl in polnischer als auch in deutscher Sprache wiederaufgenommen, nachdem sie zuerst von den Nationalsozialisten im Jahr 1939 so jäh unterbrochen worden war.
Schon kurz nach diesem ersten deutschsprachigen Gottesdienst nach so langer Zeit begaben Angehörige aller nationalen Minderheiten aus ganz Polen auf eine Wallfahrt auf diesen heiligen Berg. Bis heute kommen Jahr um Jahr mehrere tausend Gläubige hierher, so dass wir mittlerweile mit jedem Recht von einer guten und festen Tradition sprechen können.
Ebenfalls zum 25. Mal jährt sich heuer eine bedeutende Botschaft des großen Sohns des polnischen Volkes, des kürzlich heilig gesprochenen Papstes Johan-nes Paul II. Zur Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1989 wandte sich der Heilige Vater mit der Botschaft „Um Frieden zu schaffen, Minderheiten ach-ten!“ an die Gläubigen und die übrige Weltgemeinschaft. Demnach verlangt die von Gott gewollte Einheit des Menschengeschlechts, dass „die Verschiedenhei-ten unter den Mitgliedern der Menschheitsfamilie für die Stärkung der Einheit selbst nutzbar gemacht werden, anstatt neue Spaltungen zu verursachen.“ Johannes Paul II. leitete die Rechte der Angehörigen ethnischer Minderheiten unmittelbar aus der „unveräußerlichen Würde jeder menschlichen Person“ ab und forderte daraus schlussfolgernd auch für die Volksgruppen als ganzes ein „Recht auf die Identität ihrer Gemeinschaft, die in Übereinstimmung mit der Würde eines jeden Mitgliedes geschützt werden muss.“
An anderer Stelle in dieser Botschaft stellte der Heilige Vater die Bedeutung der jeweiligen Heimat für die Minderheiten heraus, die sich „mit ihrer Identität selbst, mit den eigenen […] kulturellen und religiösen Traditionen verbindet“. Ich glaube, dass Identität und Heimat zusammen mit dem Glauben einen har-monischen Dreiklang bilden; fehlt einer der drei Töne, klingen die Laute nicht mehr harmonisch zusammen. Dieses zeigt sich an kaum einer anderen Stätte so deutlich, wie hier auf dem Sankt Annaberg in Oberschlesien. Hier herrscht der vom großen Papst Johannes Paul II. in seiner erwähnten Botschaft eingeforder-te „offene Geist, der bestrebt ist, das kulturelle Erbe der Minderheiten, dem er begegnet, besser zu begreifen“, und der „dazu beitragen wird, Handlungen zu überwinden, welche gesunde gesellschaftliche Beziehungen behindern.“
Am 12. November desselben Jahres nahmen der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowiecki und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl an der denkwürdigen Versöhnungsmesse im schlesischen Kreisau (Kryżowa) teil und legten hier in diesem von Papst Johannes Paul II. eingeforderten offenen Geist den Grundstein für eine neue Ära der Beziehungen zwischen dem polnischen und dem deutschen Volk.
Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten überbringe ich Ihnen die herzlichen Grüße der Bundesregierung.
Herzlichen Dank an Sie, Herr Weihbischof Rudolf Pierskała, dafuer, dass Sie die-se schöne und würdige Messe mit uns gefeiert haben. Besonders hat mich ge-freut, dass Sie, Herr Minister Stanisław Huskowski, zur diesjährigen Minderhei-ten-Wallfahrt gekommen sind. Wir hatten erst vor wenigen Tagen eine gute Beratung in Warschau gehabt, die in einem sehr freundschaftlichen und guten Klima stattfand. Ich bin guter Zuversicht, dass wir uns noch in diesem Jahr zu einer weiteren Sitzung des „Runden Tisches“ treffen und hierbei Fortschritte bei der Förderung der polnisch stämmigen deutschen Bürger und Polen in Deutschland sowie der deutschen Minderheit in Polen im Geiste des deutsch-polnischen Vertrages von 1991 erzielen werden. Auch Ihnen, Herr Botschafter Nikel, danke ich dafür, dass Sie aus Warschau hierher gekommen sind.
In diesen Dank schließe ich auch Herrn Bernard Gaida, den Vorsitzenden des Verbandes der deutschen Sozial-Kulturellen Gesellschaften in Polen, ein. Ich bin sehr froh und glücklich, heute bei Ihnen allen sein zu dürfen. Noch einmal herzlichen Dank für die freundliche Aufnahme!“
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