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Transkarpatien Aktuell
28. Juli 2022
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Hier schreibt unser Mitarbeiter aus Uschgorod, Alexander Chabanov, über aktuelle Ereignisse in der Region Transkarpatien: diesmal hat er ein Interview mit Julia Taips, Mitglied im Rat der Deutschen der Ukraine und stellvertretende Bürgermeisterin von Mukatschewo, geführt.

Wünsche, Pläne, Zauberstabe und Gleis 9 ¾

„Auch aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden,
kann man etwas Schönes bauen.“
(Johann Wolfgang von Goethe)

Wenn Sie den Glauben an die schöne Magie noch nicht verloren haben und das Leben Sie noch angenehm überraschen kann, dann wissen Sie bestimmt, dass das Leben manchmal viel unglaublicher sein kann, als jedes Märchen. Und das Unglaublichste und Märchenhafteste passiert gerade dann, wenn wir anderen eine Chance geben, ihre Ideen zu verwirklichen. Besonders Kinder brauchen ein Gefühl des Zaubers, weil sie dann, beflügelt mehr erreichen, als Erwachsene es in ihren mutigsten Träumen geplant haben.

Eine, die ihren Glauben an Jugendliche und Kinder pflegt und sie ständig unterstützt, ist Julia Taips. Sie ist 31 Jahre alt, hat einen Sohn (6 Jahre jung), wohnt in Mukatschewo und arbeitet aktiv als Stellvertreterin des Bürgermeisters in den Bereichen „Bildung, Kultur, Jugendliche und Sport“. Aber nicht deswegen möchte ich meinen Lesern heute das Interview mit Julia anbieten, sondern, weil sie das Geheimnis vom Gleis 9 ¾ kennt und kann uns vielleicht die Tür in eine magische Welt einen Spalt öffnen? Ja-ja, das Gleis 9 ¾ gibt es nicht nur in London. Was denken Sie, warum hat es Harry Potter immer rechtzeitig nach Hogwarts schaffen können, obwohl er mit Freunden oft weit weg von London war? Aber, eins nach dem anderen. Nur die Geduldigen können die Magie beherrschen.

TA: Du sprichst perfekt Deutsch. Woher beherrschst du die Sprache so gut?

JT: Ich bin in Mukatschewo in einer ethnisch deutschen Familie geboren. Meine Eltern und Großeltern sprechen heute noch ihren Dialekt. Diese Sprache habe ich schon als Kind gelernt. Hochdeutsch hab ich später an der Nationaluniversität in Uschhorod studiert.

TA: Wie ich weiß, war deine spätere Tätigkeit auch mit der Sprache verbunden…

JT: Genau. Ich habe Deutsch am Sprachlernzentrum in Uschhorod unterrichtet. Gleichzeitig habe ich als Journalistin für den Fernsehkanal „Tyssa“ gearbeitet. Ich war in der deutschen Redaktion als Redakteurin und Moderatorin tätig, habe Reportagen über das Leben der ethnischen Deutschen in Transkarpatien gemacht. Damals habe ich bemerkt, dass deutsche Minderheit nur von älteren Menschen vertreten war. Jugendliche haben am Leben der deutschen Minderheit so gut wie gar nicht teilgenommen. Das musste geändert werden.

TA: Wie? 

JT: 2016 wurde ich in den Rat der Deutschen der Ukraine gewählt. 2018 habe ich bürgerliche Organisation „Deutsche Jugendliche  Transkarpatiens“ gegründet. Zusammen haben wir ca. 65 Projekte realisiert, darunter regionale, nationale und viele internationale Projekte. Wir haben das Deutsche Haus und das Lernzentrum Gleis 9 ¾ in Mukatschewo eröffnet. 

TA: Wie bist du auf die Idee gekommen, das Lernzentrum so zu nennen?

JT: Oh, es ist eine interessante Geschichte. Unser Lernzentrum hat schon auf vollen Touren gearbeitet, aber ich konnte ihm immer noch keinen Namen geben. Es war irgendwie alles falsch. Da habe ich „meine“ Kinder gesammelt und wollte mit ihnen darüber diskutieren. In unserem Zentrum gab es eine einfache „bloße“ Wand nur mit Ziegelsteinen. Gerade da haben wir uns damals versammelt und ein Junge hat gesagt: „Weißt du, Julia, ich habe immer davon geträumt, in Hogwarts zu lernen, so wie Harry Potter, weil ich dann zaubern könnte.“ Der Junge war ziemlich leistungsfähig, aber leider behindert. Und ich hab verstanden, was er meinte: Die Sprachen so zu lernen, als ob es ein Zauber wäre, wie nirgendwo mehr. Die Kinder haben ihn unterstützt und uns ist Gleis 9 ¾ aus den Geschichten über Harry Potter eingefallen. Und es war so passend in jenem Moment damals an der einfachen Wand mit Ziegelsteinen.

Julia Taips (Mitte) mit Vertretern der Deutsche Jugend Transkarpatiens (DJT)

TA: Worauf bist du stolz?

JT: Auf mein Team vor allem. Unser Zentrum beschäftigt 18 feste Mitarbeiter und 10 Zusätzliche nehmen an verschiedenen Projekten teil. Das sind die Menschen, auf die ich mich absolut verlassen kann. Unser Lernzentrum ist inzwischen zu „einem humanitären Hub von Mukatschewo“ entwickelt.

TA: Wenn du eine Möglichkeit hättest, alles im Leben zu ändern, was wäre das?

JT: Gar nichts! Absolut nichts.

TA: Eine wunderschöne Antwort.  Aber kehren wir wieder zu Harry Potter zurück. Aber wenn du einen Zauberstab hättest, was würdest du dir wünschen?

JT: Ich würde vor allem den Frieden in der ganzen Welt wünschen. Das wäre mein begehrtester Traum. Mit unserem Krieg haben wir vergessen, dass es leider noch viele weitere Kriege gibt.

TA: Letzte Frage: Kannst du uns deine Pläne für die Zukunft verraten?

JT: Auf dem Posten von dem Stellvertreter des Bürgermeisters habe ich die Hoffnung, die Schulbildung nicht nur in Mukatschewo, sondern auch in transkarpatischen Regionen zu reformieren. Besonders im Bereich Sprachenunterricht in der Schule muss viel gemacht werden. Das andere Ziel ist das Schloss Schönborn zu rekonstruieren. Dieses Schloss wurde von ethnischen Deutschen aufgebaut. Es war mal ein Baukunstwerk in Transkarpatien und muss als die Sehenswürdigkeit wieder belebt werden. 

TA: Na dann, viel Erfolg!

JT: Danke.

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Florian Schmelzer

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