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Was verbindet das ukrainische Odesa mit Deutschland? (Teil 1)
18. August 2022
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Ein Artikel der Projektkoordinatorin der Stiftung Verbundenheit, Aleksandra Litschagin, über eine zauberhafte Hafenstadt mit deutschen Spuren und europäischem Flair.

Der erste Gedanke, der mir einfällt, wenn ich an Odesa denke, ist dass sie eine „weibliche“ Seele hat. Das spürt man sowohl in der Architektur, als auch in dem Klang ihres Namens. Man nennt Odesa auch „Odesa Mama”, da sie für Odesitinnen und Odesiten und für viele die dorthin kommen so nah, lieb und verwandt erscheint wie eine Mutter. Sie ist eine besondere Stadt mit einer berauschenden Atmosphäre. Selbstverständlich nicht zuletzt dank ihrer internationalen Vielfalt.

3 Göttinnen, Liebmann-Haus, Architekt Eduard Meßner, Baujahre 1887-1888

Und wenn ich über ihren internationalen Bestandteil spreche, meine ich damit jüdisches, griechisches, französisches, italienisches und definitiv deutsches Erbe. Der Beitrag der Deutschen zur Entwicklung der südukrainischen Region Odesa ist schwer zu übersehen. 

Auch wenn man durch südukrainische Dörfer fährt, begegnen einem deutsche Bezeichnungen (Alexanderhilf, Neuburg, Friedental, Großliebental, Lustdorf etc.). Sie werden mich bestimmt fragen, wann und aus welchen Gründen Deutsche in diesen Orten erschienen sind? Während des 17. und 18. Jahrhunderts ließen sich in den verschiedenen Landgebieten der heutigen Ukraine deutsche Kolonisten nieder. Laut dem Erlass des russischen Zars Alexander I. wurden Deutsche (überwiegend Bauer und Handwerker) eingeladen, um die unbesiedelten Regionen weiterzuentwickeln. Die deutschen Kolonisten selbst hofften der schwierigen Lage in der Heimat entfliehen zu können, die von endlosen Kriegen heimgesucht wurde. Sie wurden nach den entsprechenden Orten benannt, den sie besiedelt haben (z.B. Schwarzmeerdeutsche, Bessarabiendeutsche, Karpatendeutsche, Galiziendeutsche, Wolhyniendeutsche usw.).

Kolonien der Schwarzmeerdeutschen, Fotoquelle: deutsche.in.ua

Aber weichen wir vom Diskurs in die Geschichte ab und reden wir darüber, wer und was heutzutage Odesa mit Deutschland verbindet:In erster Linie sind das die Angehörigen der deutschen Minderheit, Nachkommen der oben erwähnten Kolonisten. Vereine wie „Wiedergeburt“ und „Deutsche Jugend in der Region Odesa“ repräsentieren ethnische Deutsche in Odesa, die aktiv am Leben der Stadt teilnehmen und dank der Unterstützung der deutschen Regierung eigene kulturelle, sprachliche und soziale Projekte durchführen. Viele von ihnen sind gleichzeitig Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde der St. Paul-Kirche, die zu der Deutschen Evangelisch-Lutherischen Kirche in der Ukraine (DELKU) gehört und die Partnerschaft mit der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) hat.

Mitglieder der Evangelisch-Lutherischen Gemeinde der St. Paul-Kirche in Odesa und BKDR-Partner, Fotoquelle: bkdr.de

Auch der Verein „Deutsche Jugend in der Region Odesa“ ist sehr engagiert. 2021 haben VertreterInnen der Einrichtung mit Unterstützung der Abteilung für Innenpolitik des Stadtrates von Odesa das Projekt durchgeführt, bei dem der größte Stollen in der Ukraine gebacken wurde. Der Rekord-Stollen war 1,21 Meter lang und 92 Kilogramm schwer.

Die Stadt Odesa entwickelt seit Jahrzehnten vielseitige Kooperationen mit europäischen Städten. Regensburg nimmt darunter einen wichtigen Platz ein. So wurde 2020 die 30-jährige Partnerschaft zwischen Odesa und Regensburg gefeiert. Beide Städte verbinden feste partnerschaftliche Beziehungen in Kultur-, Bildungs- und Sozialbereichen.

Die Kooperation zwischen der Universität Regensburg und der I.I. Metschnikow-Universität Odesa ist eine der ältesten Partnerschaften zwischen einer ukrainischen und einer deutschen Hochschule. Dank ihr haben ukrainische Studierende die Möglichkeit, die deutsche Sprache und Literatur zu erforschen sowie Bayern und sein Kulturerbe hautnah zu erleben. 2009 hatte auch ich das Glück, als Germanistin an einem Sommerkurs an der Universität Regensburg teilzunehmen. 

Feste und persönliche deutsch-ukrainische Beziehungen in der Stadt pflegt der Honorarkonsul der Bundesrepublik Deutschland in Odesa Oleksandr Kyfak. Die Deutsche Botschaft in Kiew und Herr Kyfak als Vertreter vor Ort initiieren jährliche „Deutsche Wochen“, im Rahmen derer unterschiedliche Veranstaltungen (Ausstellungen, Konzerte, Konferenzen, feierliche Empfänge, etc.) stattfinden.

Teilnahme der Tanzgruppe aus Kremidowka (Gebiet Odesa) an den Deutschen Wochen 2016 in Odesa, Fotoquelle: culturemeter.od.ua

Freuen Sie sich auf die Fortführung dieses Artikels, welche nächste Woche erscheinen wird. Dort schildert Frau Litschagin die besonderen Beziehungen Odesas mit Bayern und Hamburg.

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Lisa Neves

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