Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu, Weihnachten naht. Die einen erledigen hektisch die letzten Besorgungen, den anderen ist es schon gelungen, einen ruhigeren Takt zu finden. Spätestens zum Weihnachtsfest wollen wir alle diese ganz besondere Ruhe und Besinnlichkeit dieser Tage in uns verspüren – und hoffentlich auch unseren Mitmenschen vermitteln.
Krippe, hergestellt von einem sorbischen Jungen für einen sorbischen Pfarrer (Foto u. Gestaltung: Rafael Ledschbor)
Viele Weihnachtsfeiern, wie wir sie in der Adventszeit abhalten, haben den besonderen Zauber dieser Zeit mittlerweile eingebüßt. Im Dezember durfte ich jedoch im Grenzdurchgangslager Friedland gemeinsam mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, mit Spätaussiedlern und Flüchtlingen eine ganz von tiefer weihnachtlicher Freude erfüllte Feier erleben. Im unmittelbaren Gespräch mit den Menschen, von denen viele unmittelbarer Gefahr für Leib und Leben entronnen waren und alle mit einer Mischung aus Sorge und Zuversicht in die Zukunft blickten, kam mir an diesem zentralen Ort deutscher Nachkriegsgeschichte ein Wort des Papstes Leo des Großen in den Sinn: „Der Geburtstag des Herrn ist zugleich auch der Geburtstag des Friedens“. Ich bin froh und dankbar, dass das Land Niedersachsen an diesem authentischen Ort die Errichtung einer Dauerausstellung in die Wege geleitet hat, dem ich gerne meine Unterstützung zugesichert habe.
Im Grenzdurchgangslager Friedland kann zwischenzeitlich in Form von gestiegenen Zuzugszahlen von Spätaussiedlern festgestellt werden, dass die jüngste Novelle des Bundesvertriebenengesetzes greift. Der Deutsche Bundestag wollte 2013 offensichtliche Härten mildern und insbesondere die Zusammenführung von Familien erleichtern. Viele Spätaussiedler werden dieses Jahr zum ersten Mal seit langem wieder Weihnachten zusammen mit ihrer Familie feiern können. Ihnen allen gilt mein besonderer Gruß! Ich werde mich weiter dafür einsetzen, dass die noch ausstehenden aufnahmerechtlichen Verfahren möglichst zügig durchgeführt werden.
Teilweise schon seit über 1000 Jahren leben die altangestammten nationalen Minderheiten in Deutschland: die Dänen und Friesen in Norddeutschland, die Sorben in der Lausitz sowie die deutschen Sinti und Roma. Auch die Sprechergruppe der Niederdeutschen darf nicht unerwähnt bleiben. Sie alle bereichern unser Land und die hiesige Kultur. In diesem Jahr konnte mit der Konferenz „Charta-Sprachen in Deutschland – ein Gewinn für alle!“, die unter der Schirmherrschaft von Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert stand, in der Öffentlichkeit ein deutlicher Akzent gesetzt werden, der sicherlich ein Ausgangspunkt für weitere politische und gesellschaftliche Debatten sein wird.
Weihnachtsgruß in den Charta-Sprachen Deutschlands (Foto u. Gestaltung: BMI/ Minderheitensekretariat)
Auch die deutschen Minderheiten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa sowie in den Nachfolgestaaten der früheren Sowjetunion haben sich nach langen Jahren der Abwanderung erfreulich stabilisiert. Besonders positiv zu vermerken ist, dass sich diese Stabilisierung bei gleichzeitiger Integration in das politische und gesellschaftliche Leben vollzog. Von der hohen Akzeptanz, die die deutschen Minderheiten mittlerweile bei der Mehrheitsbevölkerung genießen, zeugen etwa die Wahl von Klaus Johannis zum Präsidenten Rumäniens und die Berufung von Valeri Dill zum stellvertretenden Premierminister von Kirgisistan, aber auch die guten Ergebnisse für die Listen der deutschen Minderheit bei den Kommunalwahlen in Polen. Die deutschen Minderheiten sind gemeinsam mit den Landsmannschaften der deutschen Heimatvertriebenen die natürlichen Brückenbauer zwischen ihren Heimatländern und Deutschland. Auch an ihrem Beispiel wird deutlich, wie wichtig die Achtung der verbrieften Minderheitenrechte für den Frieden in Europa ist.
2014 war für Europa ein Jahr der „runden“ historischen Daten: Vor hundert Jahren brach der Erste Weltkrieg aus, die „Urkatastrophe“ des 20. Jahrhunderts. Vor 75 Jahren begann mit dem deutschen Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg, der von unfassbaren Menschheitsverbrechen begleitet war. Vor 25 Jahren brachten Gebete und der friedlich demonstrierte Freiheitswille zahlloser Menschen Stacheldrahtzäune und Mauern in Deutschland und in Europa zum Einsturz, die kurz zuvor noch vielen als mit einer Ewigkeitsgarantie versehen erschienen.
kleinste Krippe mit Mutter Gottes in sorbischer Tracht in einer Nussschale, geschnitzt von Günter Nedo (Foto u. Gestaltung: Rafael Ledschbor)
Diese Aufzählung bliebe allerdings unvollständig, würde man hier eine ganz bedeutende Botschaft des in diesem Jahr heiliggesprochen Papst Johannes Paul II. außen vor lassen. Vor 25 Jahren, zum Weltfriedenstag 1989, trat der große Sohn Polens mit der Botschaft „Frieden schaffen – Minderheiten achten!“ an die Weltöffentlichkeit. An einer Stelle in dieser Botschaft stellte der Heilige Vater die Bedeutung der jeweiligen Heimat für die Minderheiten heraus, die sich „mit ihrer Identität selbst, mit den eigenen […] kulturellen und religiösen Traditionen verbindet“. Man könnte auch formulieren, dass Identität und Heimat zusammen mit dem Glauben einen Dreiklang bilden; fehlt einer der drei Töne, klingen die Laute nicht mehr harmonisch zusammen.
Liebe Aussiedler und Heimatvertriebene, liebe Sorben, Dänen und Friesen, liebe Sinti und Roma, liebe Sprechergruppe der Niederdeutschen, liebe deutsche Landsleute im Ausland! Sie alle vereint, dass Sie eine besondere Gruppe in einer größeren Gemeinschaft sind. Ziel meiner Arbeit als Beauftragter für Sie alle ist, dass Sie Ihre ganz besondere Identität frei und sicher leben und dabei in eine gute Zukunft blicken können.
Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine frohes, besinnliches Weihnachtsfest sowie ein gutes Neues Jahr 2015 mit viel Glück, Gesundheit und Erfolg! Möge uns alle Gottes reicher Segen begleiten!
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