Für Deutschland
Beratender Ausschuss für Fragen der deutschen Sinti und Roma tagt in der Bayerischen Landesvertretung
29. Juni 2017
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Beratender Ausschuss für Fragen der deutschen Sinti und Roma tagt in der Vertretung des Freistaats Bayern beim Bund in Berlin

In der Vertretung des Freistaats Bayern beim Bund in Berlin kam der „Beratende Ausschuss für Fragen der deutschen Sinti und Roma beim Bundesministerium des Innern“ unter Leitung des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, am 27. Juni 2017 zu seiner 3. Sitzung zusammen.

Der Beratende Ausschuss hat die Aufgabe, alle die deutschen Sinti und die deutschen Roma betreffenden Fragen der Bundespolitik zu erörtern. Die konstituierende Sitzung des „Beratenden Ausschusses für Fragen der deutschen Sinti und Roma beim Bundesministerium des Innern“ fand im März 2015 im Beisein von Bundesinnenminister Thomas de Maizière MdB in Berlin statt.
Das Kontaktgremium wurde zu Beginn der Wahlperiode auf Bestreben des Bundesbeauftragten Koschyk und den führenden Verbänden der deutschen Sinti und Roma eingerichtet. Es ermöglicht der Minderheit den regelmäßigen Austausch mit der Bundesregierung, dem Deutschen Bundestag und den Landesregierungen und bietet damit die Chance, auf der Basis des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gemeinsame Lösungen für die besonderen, auch historisch-politisch bedingten Fragestellungen zu finden.

Dem Ausschuss gehören zwei Vertreter des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, zwei Vertreter der Sinti Allianz Deutschland e.V., ein Vertreter des Minderheitensekretariats und darüber hinaus Vertreter des Bundesministeriums des Innern, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und der Regierungen aller Bundesländer an. Abgeordnete des Deutschen Bundestages und Vertreter weiterer mit den Anliegen der deutschen Roma und Sinti befassten Bundesministerien können zu den Sitzungen eingeladen werden.

Der Bevollmächtigte des Freistaates Bayern beim Bund, Dr. Rolf-Dieter Jungk, begrüßte als Hausherr die Mitglieder des Beratenden Ausschusses und übermittelte auch die Grüße des Bayrischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer. Er bekräftigte, dass der Bayerischen Staatsregierung die Anliegen der nationalen Minderheit der deutschen Sinti und Roma im Freistaat sehr am Herzen liegen. Sie stehe hierbei mit dem Verband Deutscher Sinti und Roma – Landesverband Bayern e.V. in einem guten und vertrauensvollen Kontakt. Es werde besonderen Wert darauf gelegt, Stereotype abzubauen und gemeinsam gegen Antiziganismus, Antisemitismus und Rechtsextremismus zusammenzuwirken.

In ihrem schriftlichen Grußwort betonte die Integrationsbeauftragte der Bayerischen Staatsregierung, Kerstin Schreyer MdL, dass es zwischen den seit Jahrhunderten in Deutschland ansässigen deutschen Sinti und Roma, die als autochthone nationale Minderheit anerkannt und deutsche Staatsbürger sind, und den in den letzten Jahrzehnten vorwiegend aus Südosteuropa zugewanderten Roma zu unterscheiden gelte. Diskriminierung und katastrophale Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der zweiten Gruppe ließen die Bayerische Staatsregierung nicht gleichgültig, seien jedoch ein europäisches Problem.

Für den Zentralrat deutscher Sinti und Roma berichtete dessen Wissenschaftlicher Leiter Herbert Heuss über die Schwerpunkte der künftigen Arbeit. Der Zentralrat wolle sich in Zukunft verstärkt kulturpolitischen Themen widmen. Heuss verwies in diesem Zusammenhang auf den Film „Nellys Abenteuer“, der nach Auffassung des Zentralrats antiziganistische Stereotype und Klischees in erheblichem Ausmaß bediene. Heuss berichtete weiter über ein von den Open Society Foundations gefördertes Projekt des Zentralrats, das die Situation von Roma auf dem Westbalkan zum Gegenstand hat und dessen Ziel die Entwicklung von Bleibeperspektiven ist.

Manfred Drechsel, 2. Vorsitzender der Sinti-Allianz e.V., trug eine Argumentation dafür vor, warum nach Auffassung der Sinti-Allianz die Gruppe der deutschen Sinti als eine eigenständige nationale Minderheit anerkannt werden sollte.

Bundesbeauftragter Koschyk berichtete von der Gründungsveranstaltung des Europäischen Roma Instituts für Kunst und Kultur (ERIAC) am 8. Juni 2017. Das Institut soll mit Projekten in ganz Europa dazu beitragen, dass Vorurteile gegen Sinti und Roma abgebaut werden. Herbert Heuss vom Zentral hob als wichtigen Aspekt hervor, dass ERIAC vor allem auch die Beiträge von Roma zur gesamteuropäischen Kultur ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit stellen solle.

Ausführlich diskutiert wurde der Wunsch der Agentur für Grundrechte der Europäischen Union, statistische Erhebungen zur Frage etwa der sozialen Lage der Roma oder des Antiziganismus auf ethnischer Grundlage durchzuführen. Ohne die Notwendigkeit entsprechender Maßnahmen grundsätzlich in Frage zu stellen, lehnen Bundesbeauftragter Koschyk sowie die Vertreter von Zentralrat und Sinti-Allianz Erhebungen auf ethnischer Grundlage ab. In Deutschland werden seit dem Zweiten Weltkrieg aus historischen Gründen keine bevölkerungsstatistischen oder sozioökonomischen Daten auf ethnischer Basis erhoben. Die wesentlichen Probleme seien ohnehin bekannt oder offensichtlich; zur Lösung würden deshalb keine besonderen statistischen Erhebungen auf ethnischer Grundlage benötigt.

Betreffend die Einrichtung einer Experten-Kommission Antiziganismus berichtete Bundesbeauftragter Koschyk von dem Fachgespräch der Koalitionsfraktionen im Februar 2017, von der diesbezüglichen Diskussion im Gesprächskreis Minderheiten des Innenausschusses des Deutschen Bundestages am 31. Mai 2017 sowie von einem Berichterstattergespräch im Innenausschuss am 19. Juni 2017. Er brachte einen Brief des Vorsitzenden des Innenausschusses, Ansgar Heveling MdB, zur Verlesung, in welchem sich dieser für eine Beschlussfassung des Bundestages gleich zu Beginn der nächsten Wahlperiode aussprach.

Zum Thema „Berufliche Bildung“ berichteten Dr. Dorothee Harenberg vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Dirk Buchwald von der Bundesagentur für Arbeit sowie Sonja Böhme von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ (EVZ). Dr. Dorothee Harenberg konnte feststellen, dass eine größere Flexibilität in der Berufsausbildung, verbesserte Karrierechancen für Inhaber beruflicher Bildungsabschlüsse, eine sorgfältigere Begleitung junger Menschen beim Übergang von der Schule in den Beruf sowie allgemein eine größere Heterogenität von Ausbildungsangeboten in den vergangenen Jahren auch jungen deutschen Sinti und Roma zugutegekommen sind. Dr. Buchwald betonte, dass lokale Projekte als Grundvoraussetzungen immer eine professionelle Trägerstruktur sowie einen engagierten „Kümmerer“ vor Ort brauchen, damit sie erfolgreich sein können. Sonja Böhme machte auf die EVZ-Publikation „Gemeinsam für eine bessere Bildung. Empfehlungen zur gleichberechtigten Bildungsteilhabe von Sinti und Roma in Deutschland“ aufmerksam. Die EVZ lege großen Wert darauf, den Selbstorganisationen von Sinti und Roma niederschwellige Angebote zu machen.

Auch die Frage des Erhalts von Grabstätten von Sinti und Roma, die durch das nationalsozialistische Regime verfolgt wurden und nach dem 31. März 1952 verstorben sind, wurde thematisiert. Gemäß einer Vereinbarung der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer vom 8. Dezember 2016sollen die Länder den Erhalt und die Pflege dieser Grabstätten dauerhaft sicherstellen, wobei der Bund die Hälfte der Kosten übernehmen wird. Dr. Bettina Brockhorst aus dem federführenden Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend berichtete über den Stand der Umsetzung dieser Vereinbarung.

Aus dem Deutschen Bundestag nahmen die Abgeordneten Volker Beck (Bündnis 90/Grüne), Prof. Dr. Lars Castellucci (SPD), Ulla Jelpke (Die Linke) sowie Heinrich Zertik (CDU/CSU) teil.
Bundesbeauftragter Koschyk dankte den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Beratenden Ausschusses und würdigte hierbei insbesondere die starke Präsenz der Bundesländer in diesem Gremium.

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