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Buchbesprechung von „Heimat – Identität – Glaube. Vertriebene – Aussiedler – Minderheiten im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Politik“ in den “Ostkirchlichen Informationen”
27. November 2018
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In den “Ostkirchlichen Informationen”  (Ausgabe IV 2018) wurde das Buch von Hartmut Koschyk „Heimat – Identität – Glaube. Vertriebene – Aussiedler – Minderheiten im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Politik“ besprochen.

Ostkirchlichen Informationen. Hartmut Koschyks umfangreiche Studie hat alles Zeug dazu, zu einem Standardwerk zu wer-den, vermittelt es doch einen detailreichen, aktuellen, seriösen und inhaltlich weitausgreifenden Überblick zu einem Themenfeld, das in der politischen, kirchlichen, publizistischen und allgemeinen Öffentlichkeit noch immer zu wenig Beachtung findet. Vor dem Hintergrund der europäischen Flüchtlingskrise ab 2015 ändert sich das nun aber rasch.

Koschyk wurde 1959 in Oberfranken in eine oberschlesisch-katholische Familie hineingeboren. Schon 1987, also mit 28 Jahren, stieg der Historiker, Politologe und Oberstleutnant der Reserve zum Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen auf. Von 1990 bis 2017 gehörte Koschyk dem Deutschen Bundestag an. Dort wirkte er als Vorsitzender der CDU-Arbeitsgruppe „Vertriebene und Flüchtlinge“, zeitweilig auch als innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied des Ältestenrates, CDU-Obmann in der Enquete-Kommission „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozeß der deutschen Einheit“ und als Vorsitzender der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe bzw. des Deutsch-Koreanischen Forums. Von 2009 bis 2013 nahm er das Amt des Parlamentarischen Staatssek-retärs beim Bundesminister der Finanzen und von 2013 bis 2017 das des Beauftragten der Bundesrepublik für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten wahr. 2017 schied Koschyk aus dem Bundestag aus. Heute auf Schloss Goldkronach lebend, engagiert sich der Träger zahlreicher in- und ausländischer Orden auf vielfältigste und führende Weise ehrenamtlich.

Diese mannigfaltigen politischen Erfahrungen und internationalen Kontakte prägen Koschyks Studie in entscheidender Weise. Der Autor kennt die allermeisten Gruppen, denen er im wahrsten Sinne des Wortes weltweit seine Aufmerksamkeit widmet, aus persönlichen Kontak-ten und eigener Anschauung. In einem einleitenden Kapitel skizziert der Autor die Gemengelage von „Heimat – Nation – Staat im 18. und 19. Jahrhundert“ bis hin zu „Flucht und Vertreibung nach 1945“. Dieser historische Rückblick erweist sich als unverzichtbar, um die Situation der „deutschen Heimatvertriebenen im Kontext deutscher und europäischer Teilung und Einheit“ angemessen begreifen zu können. Diese wird im Blick auf „Nachkriegs-Deutschland“ und im „Kontext der deutschen Teilung“ erfasst, widmet sich aber auch dem „Schicksal deutscher Volksgruppen unter kommunistischer Herrschaft“ und der „Aussiedlung und Integration vor und nach der deutschen Wiedervereinigung“. Rund siebzig Jahre nach Kriegsende sind auch Flucht und Vertreibung reif für die Aufarbeitung: Wie verlief die wirt-schaftliche und soziale Integration? Welche Rolle spielten die Heimatvertriebenen im Kalten Krieg? Die „Neubetrachtung des Vertreibungsschicksals“ nach dem Ende der kommunistischen Diktaturen ermöglichte endlich auch eine deutlichere Wahrnehmung und Inanspruchnahme der „Brückenfunktion der Heimatvertriebenen und Minderheiten im Zuge der deut-schen und der europäischen Einigung“. Viel zu lange waren in Politik, Gesellschaft und evangelischen Kirchen Vorurteile gegen die Heimatvertriebenen und ihre Organisationen gepflegt worden.

Einen besonders gewichtigen Teil in Koschyks Studie stellt das Kapitel „Minderheitenpolitik in Deutschland und Europa nach der Epochenwende 1989/1990“. Hinter dieser Überschrift verbirgt sich ein sogar weltumspannender Überblick, der zunächst die „autochthonen Minder-heiten und Regionalsprachen in Deutschland“ (Sorben, Friesen, Dänen, Sinti und Roma sowie die „Regionalsprache Niederdeutsch“) ins Auge fasst, bevor die „deutschen Minderheiten in Europa und den Nachfolgestaaten der Sowjetunion“ Land für Land betrachtet und in ihrer aktuellen Verfasstheit charakterisiert werden. Selbst die „deutschen Gemeinschaften in Übersee“ werden hier schließlich noch erfasst. Koschyk bietet zu all diesen Gruppen aktuelle und präzise Kurzporträts, in denen sich immer wieder auch seine persönlichen Eindrücke und Kontakte abbilden. Im Zeitalter von Wikipedia und Google war der Autor gut beraten, hier auf allzu viele Einzelangaben, die doch rasch veralten, zu verzichten. Gerade dieser Teil emp-fiehlt sich immer wieder auch zum Nachschlagen!

Im letzten Kapitel „Die religiöse Dimension der Vertriebenen und Minderheitenfrage“ geht es schließlich um die Haltung der Kirchen zur Vertriebenenfrage, Koschyk macht keinen Hehl daraus, dass er ein guter Katholik letztlich oberschlesischer Prägung ist. Die Stellungnahmen der letzten Päpste spielen in seiner Darstellung der katholischen Kirche eine zentrale Rolle. Bei der Betrachtung der Einstellung der evangelischen Kirchen gegenüber der Flüchtlings- und Vertriebenenproblematik äußert sich der Autor sehr kurz und maßvoll. Das ist ihm nicht zu verdenken, bleibt die Aufarbeitung dieser protestantischen Teilgeschichte doch eine noch zu bewältigende Aufgabe der evangelischen Kirchen selbst.

Zusammenfassend stellt Hartmut Koschyk fest: „Die Wahrnehmung der berechtigten Anliegen der Heimatvertriebenen, Aussiedler, autochthonen Minderheiten in Deutschland, der deut-schen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie der Nachfolgestaaten der Sowjetunion sowie der deutschen Gemeinschaften in Übersee ist heute innenpolitisch nicht mehr umstritten und in der politischen Mitte unseres Landes verankert. Dies sollte eine künftige Bundesregie-rung ermutigen, diesen Politikbereichen mehr Aufmerksamkeit durch die Aufwertung der politischen Verankerung zu schenken. Damit würde eine Wertschätzung der politischen Füh-rung unseres Landes zum Ausdruck kommen, die diese Personengruppen wahrlich verdient hätten.“ (S. 448)

Das Buch auf der Internetseite des EOS-VERLAG finden Sie hier.

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