Für Deutschland International
Buchvorstellung „Heimat-Identität-Glaube“. Vertriebene – Aussiedler – Minderheiten im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Politik
22. Januar 2018
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Der ehemalige Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten und frühere Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Bayreuth-Forchheim, Hartmut Koschyk, wird am kommenden Montag, den 29. Januar 2018, in der Botschaft von Ungarn vor zahlreichen geladenen Gästen das von ihm verfasste Buch „Heimat-Identität-Glaube“. Vertriebene – Aussiedler – Minderheiten im Spannungsfeld von Zeitgeschichte und Politik vorstellen, das im EOS-Verlag der Benediktiner-Erzabtei St. Ottilien erscheinen wird. Mit diesem Buch versucht Koschyk zeitgeschichtliche Zusammenhänge, politische Entwicklungen, aber auch ganz persönliche Überzeugungen und Sichtweisen miteinander zu verbinden. Das Buch stellt nach der Beendigung seiner aktiven politischen Tätigkeit in Parlament und Regierung, aber auch langer Jahre im Verbandsbereich der Vertriebenen eine Art von politisch-persönlicher Bilanz dar.

Neben Grußworten von Romani Rose, Vorsitzender des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, Bernd Posselt MdEP a.D., Bundesvorsitzender und Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft und Bernard Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VDG) sowie Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten (AGDM) in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) wird Zoltan Balog, Ungarischer Minister für Humanressourcen, eine Rede zur Buchvorstellung halten.

Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen legte Koschyk in seiner Arbeit immer einen Schwerpunkt auf den Dreiklang von „Heimat – Identität – Glaube.“ Heimat stellt für Koschyk das entscheidende Fundament für die eigene Identität dar und ist die notwendige Antwort auf die zunehmende Globalisierung. Ein in sich ruhendes Heimatbewusstsein, verbunden mit gesicherter Identität und lebendigen Glaubensüberzeugungen ist die Voraussetzung für ein gedeihliches und respektvolles Zusammenleben mit anderen Nationen, Kulturen und Religionen. Heimat, Identität und Glaube helfen den Menschen, die Herausforderungen der Globalisierung zu meistern und ihnen weltoffen zu begegnen ohne entwurzelt zu werden. Globalisierung ohne gleichzeitige „Beheimatung“ im materiellen und immateriellen Sinn erzeugt Spannungen und Desintegration, so Koschyk.

Es besteht ein harmonischer Dreiklang „Heimat – Identität – Glaube“; fehlt einer dieser Töne, geht nach Koschyk die Harmonie verloren, was insbesondere mit Blick auf das leidvolle Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen, der in der angestammten Heimat verbliebenen deutschen Volksgruppen in Mittel- und Osteuropa, der in der ehemaligen Sowjetunion deportierten Deutschen sowie der in die Bundesrepublik Deutschland ausgereisten Spätaussiedler, aber auch in Bezug auf die vier autochthonen Minderheiten in Deutschland deutlich wird.

Das 1. Kapitel „Heimat – Nation – Staat im 18. und 19. Jahrhundert“ umfasst einen Diskurs zur Besonderheit des „Heimatgefühls“ in Deutschland, dessen Wurzeln in der späten Gründung des deutschen Nationalstaates 1871 liegen sowie einen historischen Abriss der Vertreibungen und fehlende Lösungen von Minderheitenfragen vor und nach dem 1. Weltkrieg, dem Nationalsozialismus und der Katastrophe des 2. Weltkrieges sowie der Flucht und Vertreibung der deutschen Volksgruppen in Mittel- und Osteuropa und der ehemaligen Sowjetunion nach 1945.

Im 2. Kapitel „Die deutschen Heimatvertriebenen im Kontext deutscher und europäischer Teilung und Einheit“ beschreibt Koschyk zunächst die Unterschiede bei der Eingliederung der deutschen Heimatvertriebenen in der SBZ und späteren DDR sowie in den westlichen Besatzungszonen und in der Bundesrepublik Deutschland nach deren Gründung. Anschließend wird auf das Schicksal der deutschen Heimatvertriebenen unter kommunistischer Herrschaft in den Staaten Mittel- und Osteuropas und der ehemaligen Sowjetunion eingegangen und aufgezeigt, dass so uniform sich die kommunistische Welt auch präsentierte, so verschieden doch die Minderheitenpolitik war. Der rechtliche und kulturelle Status der Deutschen differierte in den Ländern des ehemaligen Ostblocks erheblich und bewegte sich von Duldung und Förderung bis zu totaler Verleugnung und Unterdrückung. Abschließend wird die Geschichte der Aussiedler- und Spätaussiedleraufnahme in Deutschland von 1950 bis heute analysiert.

Das 3. Kapitel beschreibt die Aufarbeitung von Flucht und Vertreibung und die Traumata von Vertriebenen und Flüchtlingen in Deutschland und Europa. In einem historischen Abriss wird aufgezeigt, dass das Thema Flucht und Vertreibung der Deutschen nach dem 2. Weltkrieg lange Zeit ein verschüttetes Thema war. Im Zusammenhang mit der notwendigen Aufarbeitung des NS-Regimes unterblieb eine ebenfalls notwendige Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Heimatvertriebenen. Im Vordergrund standen die wirtschaftliche und soziale Integration der Heimatvertriebenen, wenngleich es den Heimatvertriebenen in Westdeutschland nicht an auf Ausgleich bedachten friedensstiftenden Zukunftsvisionen mangelte. Dies wird laut Koschyk insbesondere durch die „Charta der Heimatvertriebenen“ deutlich, die am 5. August 1950 in Stuttgart-Bad Cannstatt von 30 Vertretern der deutschen Heimatvertriebenen unterzeichnet und am folgenden Tag vor dem Stuttgarter Schloss und im ganzen Bundesgebiet verkündet wurde. In ihrem Kern enthält sie einen Aufruf zum Verzicht auf Rache und Gewalt trotz des eigenen gerade erlittenen Unrechts und ein klares Bekenntnis zur Schaffung eines einigen Europas, zur Verständigung zwischen den Staaten, den Völkern und Volksgruppen. Sie war laut Koschyk zum Zeitpunkt ihrer Verabschiedung am 5. August 1950 ihrer Zeit weit voraus und eine große moralische Leistung der Vertriebenen. Der Kalte Krieg, die Ost-Westauseinandersetzung, der Streit um die Ost-Verträge machten hingegen nach Koschyk eine tiefe Reflexion über das Thema Flucht und Vertreibung nicht möglich und im kollektiven Bewusstsein ist der Heimatverlust Millionen Deutscher nie in seiner Dimension erfasst worden.

Der politische Umbruch in Mittel- und Osteuropa und den damit einhergehenden Möglichkeiten der deutschen Minderheiten sich wieder frei zu ihrer eigenen kulturellen Identität zu bekennen, rückten schrittweise deren Schicksal, aber auch das Schicksal der Heimatvertriebenen erneut ins Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung. Neben den deutschen Minderheiten, die sich nach dem politische Umbruch in Mittel- und Osteuropa erneut öffentlich zu ihrer eigenen kulturellen Identität bekannten und damit auch einer Aufarbeitung des Themas von „Flucht und Vertreibung“ Vorschub leisteten, kam es laut Koschyk insbesondere mit den einhergehenden Vertreibungen in Jugoslawien zu einer Neubetrachtung des Vertreibungsschicksals in Politik, Kultur, Wissenschaft und Gesellschaft, was an zahlreichen Beispielen belegt wird.

Es wird aufgezeigt, dass das Thema „Flucht und Vertreibung“ zunehmend in der politischen Mitte in Deutschland verankert wurde. Die Einführung eines Gedenktages für die Opfer von Flucht und Vertreibung sowie die Errichtung der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung belegen laut Koschyk eindrucksvoll, dass parteiübergreifend dem Schicksal der Heimatvertriebenen in Deutschland, aber auch weltweit Rechnung getragen wird – das Thema „Heimat“ seinen Platz in der historischen Auseinandersetzung mit der eigenen deutschen Geschichte gefunden hat. Abschließend wird im 3. Buchkapitel anhand von verschiedenen Beispielen auf die Brückenfunktion der Heimatverriebenen im Zuge der deutschen und europäischen Einigung eingegangen.

Das 4. Kapitel analysiert die Minderheitenpolitik in Deutschland und Europa nach der Epochenwende 1989/90. Neben einer Analyse der Fortentwicklung des Minderheitenschutzes im Rahmen des KSZE-Prozess, wichtiger Dokumente zum Minderheitenschutzes des Europarates, wie beispielsweise der „Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen“ und dem „Rahmenübereinkommen des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten“, wird u.a. auch auf die Minderheitenpolitik der Europäischen Union eingegangen, die insbesondere im Zuge der EU-Osterweiterung weitere Impulse für den Schutz der nationalen Minderheiten in Europa setzen konnten. Ebenfalls wird auf die bilateralen Übereinkommen der Bundesrepublik Deutschland zu Staaten, in denen deutsche Minderheiten leben, eingegangen, die jenseits der Verpflichtungen der Europaratsvereinbarungen liegen. Die Blaupause für all diese bilateralen Vereinbarungen bildet dabei laut Koschyk der deutsch-polnische Nachbarschafts- und Freundschaftsvertrag von 1991. Weiter wird die Arbeit der bilateralen Regierungskommissionen beschrieben, in denen jährlich transparent und offen gemeinsam mit den dort lebenden deutschen Minderheiten die Ergebnisse der bisherigen Förderpolitik und deren künftige Gestaltung besprochen werden. Auch wird aufgezeigt, welch bedeutenden Beitrag die Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) und in diesem Rahmen die Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheiten (AGDM), dazu leisten, die Einigung Europas voranzutreiben, und nicht nur ihre Minderheitenrechte einfordern.

Im Folgenden wird ausführlich auf die vier anerkannten autochthonen nationalen Minderheiten in Deutschland – die dänische Minderheit, die friesische Volksgruppe, die deutschen Sinti und Roma sowie das sorbische Volk – und die Niederdeutsche Sprachgruppe eingegangen und in einzelnen Länderkapiteln die Situation der deutschen Minderheiten in Mittel- und Osteuropa sowie den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion beschrieben. Dabei wird auch auf die Förderpolitik der Bundesrepublik Deutschland für die deutschen Minderheiten vor Ort eingegangen.

Das letzte Buchkapitel befasst sich mit der religiösen Dimension der Vertriebenen- und Minderheitenfrage und analysiert dabei u.a. ausgewählte Botschaften der Päpste Johannes Paul II., Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus. So verdeutlichten laut Koschyk die Friedensbotschaft von Johannes Paul II. bei der Feier des Weltfriedenstages am 1. Januar 1989 „Um Frieden zu schaffen, Minderheiten achten!“ und das Grußwort von Papst Benedikt XVI. an die deutschen Heimatvertriebenen im Jahr 2005 eindrucksvoll, dass im Hinblick auf Fragen des Minderheitenschutzes neben den Schlüsselbegriffen „Heimat“ und „Identität“ auch in unserer heutigen, zunehmend säkularen Welt der „Glaube“ eine entscheidende und keineswegs untergeordnete Rolle spielt. Auch Papst Franziskus hat die Bedeutung des Rechtes auf Heimat unterstrichen, indem er im Jahr 2015 in seiner Enzyklika „Laudato Si“ auf die angestammten Rechte indigener Völker hinwies. Im Bereich der Evangelischen Kirchen gibt es ebenfalls Ansätze der theologischen Betrachtung der Minderheiten- und Vertriebenenthematik, worauf ausführlich eingegangen wird, u.a. auf die sogenannte Ostdenkschrift der EKD und Resolutionen des Lutherischen Weltbundes. Es wird aufgezeigt, dass die Kirchen viel dazu beitragen können, dass der Dreiklang „Heimat – Identität – Glaube“ erhalten oder gar in vorher nicht gekannter Harmonie neu zum Klingen gebracht wird. Kirchengemeinden können laut Koschyk sehr viel zur Beheimatung leisten, also zu einer Integration ohne aufgezwungene Assimilation. Es wird aufgezeigt, dass Glaube und kirchliches Leben ganz praktisch bei der Neueinwurzelung helfen und dass ein natürliches Heimatbewusstsein und ein auf christlichen Wurzeln fußender Patriotismus, der offen ist für europäische und internationale Zusammenarbeit sowie ein gedeihlicher und respektvoller Umgang mit anderen Religionen und Kulturen die beste Grundlage für ein friedliches europäisches und globales Zusammenleben sind.

Das letzte Buchkapitel beinhaltet auch einen Diskurs zur Ächtung von Vertreibungen und dem Minderheitenschutz als politische und moralische Herausforderung. Dabei wird aufgezeigt, dass Minderheitenpolitik Friedenpolitik im besten Sinne ist. Das kulturelle und religiöse Erbe Europas findet sein Fundament neben der griechischen Philosophie und Wissenschaft, der römischen Staats- und Rechtsordnung auch – und das ist laut Koschyk der entscheidende Moment – im Christentum. Auf dieser Grundlage sollte die Ächtung von Vertreibungen und ein fest verankerter Minderheitenschutz der Europäischen Union politische und moralische Verpflichtung zugleich sein. Die Europäische Union ist laut Koschyk nur dann eine glaubwürdige Wertegemeinschaft, wenn die Würde jedes Menschen auf der Grundlage unseres christlichen Wertefundaments auch mit Blick auf religiöse oder nationale Minderheiten Maßstab für jede Politik ist.

In einem Ausblick geht Koschyk der Frage nach, wie auf nationaler Ebene der Schutz der in Deutschland lebenden autochthonen Minderheiten und der niederdeutschen Sprachgruppe, der Zusammenhang von Minderheitenpolitik in Deutschland, in Europa und weltweit sowie unser Einsatz für die deutschen Volksgruppen in den Staaten Mittel- und Osteuropas und den Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion weiter verbessert werden könnte. Auch wird der Frage nach der Wahrnehmung unserer Verantwortung für die deutschen Gemeinschaften in Übersee nachgegangen. Dabei reflektiert Koschyk auch über eine Neuausrichtung des Amtes des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, das er in der zurückliegenden Legislaturperiode innehatte.

Zum Inhaltverzeichnis des Buches Heimat – Identität- Glaube“ gelangen Sie hier.

Zum EOS-Verlag der Benediktiner-Erzabtei St. Ottilien gelangen Sie hier.

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There are 2 comments

  • Groh, Monika sagt:

    Sehr geehrter Herr Koschyk,

    ich bitte um Mitteilung – wie hoch die Kosten für das o.a. Buch sein werden.
    Vielen Dank
    Mit freundlichen Grüßen
    Im Auftrag

    Monika Groh
    Tel. 0611/817-3622

  • Groh, Monika sagt:

    Sehr geehrter Herr Koschyk,

    ich bitte um Mitteilung – wie hoch die Kosten für das o.a. Buch sein werden.
    Vielen Dank
    Mit freundlichen Grüßen
    Im Auftrag

    Monika Groh
    Tel. 0611/817-3622

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