Für Deutschland International
Bundesbeauftragter Koschyk im Interview zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit
17. Februar 2017
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Im Rahmen des Besuches bei der „Grænseforening“ im Dezember 2016 gab der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB ein Interview zur deutsch-dänischen Zusammenarbeit. Das Interview ist in der Ausgabe Nr . 1/ 2017 des Magazins „Grænsen“ erschienen.

Zum Originaltext in dänischer Sprache gelangen Sie hier.

Übersetzung:

Die Deutsch-Dänische Zusammenarbeit soll gestärkt werden

Hartmut Koschyk, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, hat Kopenhagen besucht. Er sprach sich für eine engere deutsch-dänische Zusammenarbeit aus, sowohl im Hinblick auf die Deutschlandstrategie der [dänischen] Regierung, die Minderheiten und die Feiern zum 100-jährigen Jubiläum der Grenzziehung 2020. Und dann hat er Kulturministerin Mette Bock (LA) nach Berlin eingeladen.

Von Anna-Lise Bjerager

Es ging nicht nur um einen Höflichkeitsbesuch, als Hartmut Koschyk (CSU), Beauftragter der Bundesregierung für Minderheitenfragen, Kopenhagen kurz vor Neujahr einen Besuch abstattete. Hartmut Koschyk regte  im Laufe des zweitägigen Besuchs an, dass Kulturministerin Mette Bock (LA) nach Berlin kommt, um ihn und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Staatsministerin Monika Grütters (CDU), zu treffen, und versprach, dass er sich  persönlich dafür einsetzen wird, dass sich die deutsche Regierung für die Feier des 100. Jubiläums der Grenzziehung im Jahr 2020 engagiert.

Hartmut Koschyks Besuch war vom Südschleswigschen Verein (SSF) organisiert worden. Hartmut Koschyk hatte u.a. Termine mit der Präsidentin des Folketings Pia Kjærsgaard (DF), Staatssekretär Christian Kettel Thomsen, [dänisches] Kanzleramt, Reiner Perau, Geschäftsführer der Deutsch-Dänischen Handelskammer, sowie mit Mitgliedern des Folketings. Er traf sich ebenfalls mit Jens Andresen und Knud-Erik Therkelsen, dem Vorsitzender bzw. Generalsekretär des Grenzvereins, wo dieses Interview stattfand.

Hartmut Koschyk, Sie haben sich mit dänischen Politikern und Beamten getroffen, um u.a. über die Deutschlandstrategie der dänischen Regierung und die Lage der dänischen Minderheit in Südschleswig sowie die Lage der deutschen Minderheit in Sønderjylland [Südjütland] zu sprechen. Welchen Eindruck haben Sie von Dänemarks Bemühungen, seine Beziehung zu Deutschland zu intensivieren?

Es hat mich während meines Besuchs sehr beeindruckt, wie wichtig es der dänischen Seite ist, die deutsch-dänischen Beziehungen mit Hilfe der Deutschlandstrategie der dänischen Regierung zu fördern, u.a. auch mit Hilfe dynamischer Handelsbeziehungen. Ich bin auch glücklich darüber, dass die Minderheiten einbezogen werden, und dass man sich von dänischer Seite auf die deutsche Sprache fokussiert. Was den Handel betrifft, liegt es auch im deutschen Interesse, dass Dänemark nicht nur mit Norddeutschland Handel treibt, sondern das Augenmerk auch auf Bayern und Baden-Württemberg richtet. Ich freue mich darauf, dass auch Süddeutschland, die Region, aus der ich stamme, die Zusammenarbeit mit Dänemark intensiviert.

Welche Rolle spielen Ihres Erachtens die Minderheiten im Zusammenhang mit der Deutschlandstrategie der dänischen Regierung?

Normalerweise sagen wir, dass die Minderheiten Brückenbauer zwischen Dänemark und Deutschland sind. Als ich aber mit dem Staatssekretär im [dänischen] Kanzleramt, Christian Kettel Thomsen, gesprochen habe, sagte er, dass die Minderheiten das Verhältnis zwischen Dänemark und Deutschland „ankurbeln“. Diese Ausdrucksweise gefällt mir, weil sie vermittelt, dass die Minderheiten auch einen dynamischen Beitrag leisten.

Wenn es um bilaterale Beziehungen geht, gibt es nichts Schlimmeres, als wenn man sich entspannt zurück lehnt und denkt, dass sich die Dinge von alleine entwickeln. Die Minderheiten erinnern uns die ganze Zeit daran, dass die deutsch-dänischen Beziehungen geprägt werden von lebenden Menschen.

Die Minderheiten spielen im Grunde bei jeder Form von Austausch zwischen zwei Ländern eine Rolle, auch wenn es um die Kultur geht. Daher freue ich mich auch darüber, dass ich Gelegenheit hatte, der dänischen Kulturministerin Mette Bock, die ja früher Vorsitzende des Grenzvereins war, einen Besuch nach Berlin vorzuschlagen, so dass wir nicht nur über die Angelegenheiten der Minderheiten, sondern auch über Kultur im weiteren Sinne sprechen können. Ich hoffe, dass es ein Treffen zwischen Mette Bock und Monika Grütters geben wird, weil sie als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien eine wichtige unterstützende Funktion für die autochthone Minderheit in Deutschland spielt.

Wie beurteilen Sie die Situation der dänischen Minderheit in Südschleswig und der deutschen Minderheit in Sønderjylland?

Ich habe den Eindruck, dass beide Minderheiten sehr gut organisiert sind und dass sowohl die dänische als auch die deutsche Minderheit alle Forderungen erfüllt, die man zu Recht an eine nationale Minderheit in einer globalisierten Welt stellen kann, wenn es um die Bewahrung der eigenen Identität, Kultur und Religion geht. Die beiden Minderheiten arbeiten nicht nur gut zusammen, sie tragen auch zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Allgemeinen und zur Zusammenarbeit in Europa bei. Hätte es den aktiven Einsatz der beiden Minderheiten nicht gegeben, gäbe es den Minderheitenverband FUEN heute nicht. FUEN wird von der EU-Kommission und vom Europarat sehr geschätzt. Auch das Europäische Zentrum für Minderheitenfragen, ECMI, das seinen Sitz in Flensburg hat, hat hier eine große Rolle gespielt.

2020 soll gefeiert werden, dass nach einer Volksabstimmung vor 100 Jahren die Grenze zwischen Dänemark und Deutschland festgelegt wurde. In Dänemark nennt man das damalige Ereignis „Wiedervereinigung“. In Deutschland spricht man von der „Teilung Schleswigs“. Wie soll man Ihrer Meinung nach mit diesem Unterschied umgehen, der alte Gegensätze widerspiegelt?

Ich denke, dass es wichtig ist, dass wir nicht versuchen, diesen grundlegenden Unterschied zu „retuschieren“. Es geht ja um historische Erfahrungen, die in unseren beiden Ländern unterschiedlich erlebt wurden. Wenn man ohne historische Erinnerungen lebt, ist man nicht in der Lage, zukünftig die richtigen Entscheidungen zu treffen. Aber selbst, wenn wir die damalige Abstimmung unterschiedlich beurteilen, gibt es heute eine gemeinsame Haltung: Auch wenn die Grenze vorhanden ist, so trennt sie uns doch nicht. Auf beiden Seiten der Grenze herrscht heutzutage das Bewusstsein, dass wir verschieden sind, dass dies aber eine Bereicherung ist.

Heute gibt es ca. 1 Million Menschen, die alle der deutschen Minderheit angehören und im früheren Ost- und Südeuropa und in der ehemaligen Sowjetunion leben. Viele von ihnen sind Kinder deutscher Auswanderer. Andere, z.B. in Polen, sind nach dem Ende des 2. Weltkriegs in ihrer Heimat geblieben. Wie ist die Lage dieser Menschen?

Das ist sehr unterschiedlich. Einigen von ihnen geht es hervorragend, andere haben es schwer. In Polen wollte man überhaupt nicht anerkennen, dass es eine deutsche Minderheit gibt. In Rumänien hat dagegen in den letzten 25 Jahren eine positive Entwicklung stattgefunden. Es gibt jedoch keine deutsche Minderheit, die in ihrer Existenz fundamental bedroht wäre.

In Bautzen, in der Oberlausitz in Sachsen, leben die Sorben, eine der größten Minderheiten in Deutschland. Die Sorben, aber auch die Flüchtlinge, waren in der letzten Zeit Angriffen von Rechtsextremisten ausgesetzt, und auf Facebook wurde eine Gruppe gegen „die slawische Urbevölkerung in der Lausitz“ gegründet. Was können die Politiker tun, um dieser negativen Entwicklung Einhalt zu gebieten?

Wir müssen alle Mittel des Rechtsstaats einsetzen, um solche schrecklichen Tendenzen zu bekämpfen. Egal, ob sich diese Taten gegen nationale Minderheiten richten oder gegen Flüchtlinge – unsere Reaktion muss dieselbe sein: Wir müssen uns allen Aufforderungen zu Hass und Gewalt gegen Menschen, die eine andere Kultur, Sprache, Hautfarbe oder Religion haben, entgegenstellen. Ich glaube auch, dass wir mehr Informationen und politische Bildung benötigen, wenn es um Menschen geht, die aus einer anderen Kultur kommen. Vor kurzem habe ich mich mit dem deutschen Minderheitenrat getroffen, der die vier nationalen Minderheiten in Deutschland vertritt – die dänische Minderheit, die Friesen, die deutschen Roma und Sinti sowie die Sorben. Ich habe auch ein Gespräch mit Thomas Krüger geführt, dem Präsidenten der Bundeszentrale für politische Bildung in Bonn, und wir beschäftigen uns alle mit der Frage, wie man dieser negativen Entwicklung in der deutschen Gesellschaft entgegenwirken kann. Ich erwarte, dass in diesem Zusammenhang verschiedene Initiativen gestartet werden, auch in den deutschen Schulen.

Wie sehen Sie die Zukunft der europäischen nationalen Minderheiten?

Ich glaube, dass wir in Europa weiter daran arbeiten müssen, eine vernünftige Rechtsgrundlage für den Schutz der Minderheiten auf der europäischen Ebene sicherzustellen. Es ist notwendig, dass sich die EU mehr für den Schutz der Minderheiten engagiert, damit dies nicht nur ein Anliegen des Europarates bleibt.

Wenn wir über den Schutz von Minderheiten sprechen, bin ich der Auffassung, dass man aufpassen muss, nicht alles zu vermengen mit dem Schutz von Flüchtlingen und Zuwanderern, die mit einem anderen ethnischen und religiösen Hintergrund zu uns kommen. Ggf. kann man die Erfahrungen mit den Minderheiten bei der Integration von Zuwanderern nutzen, aber man muss bedenken, dass es sich hier um ganz andere Gruppen von Menschen handelt. Wir achten in Deutschland sehr darauf, dass wir den nationalen Minderheiten in Deutschland dies garantieren, und ich habe den Eindruck, dass die dänische Regierung diesbezüglich denselben Ansatz verfolgt.

Sie wurden mit 31 Jahren in den Bundestag gewählt und sind seit 2014 der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten. Bei der nächsten Bundestagswahl im Herbst treten Sie nicht mehr an. Was werden Sie in Zukunft machen und werden Sie sich weiter mit Minderheitenfragen beschäftigen?

Ich werde mich um meine Familie kümmern. Außerdem glaube ich, dass ich mich doch auch ohne politisches Mandat mit Minderheiten, Identität, Kultur und Sprache beschäftigen kann. Diese Themen werden mich auch in Zukunft beschäftigen. Meine Familie stammt aus Schlesien und es gibt immer noch Familienmitglieder, die dort der deutschen Minderheit angehören. Daher weiß ich auch aus persönlicher Erfahrung, wie abhängig man davon ist, dass die Mehrheit die Sprache, Kultur und Religion der Minderheit respektiert.

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