Für Deutschland
Bundestagsrede anläßllich der „Haltung der Bundesregierung zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer“
17. Dezember 2009
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Zum Video auf der Internetseite des Deutschen Bundestages gelangen Sie hier.

Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete,

die Finanz- und Wirtschaftskrise hat den Staat gezwungen, mit Beträgen von bislang ungekannter Größenordnung das deutsche Bankensystem zu stützen. Es ist unbestritten, dass diese Stützungsmaßnahmen alternativlos waren. Was passiert wäre, wenn wir systemrelevante Bankinstitute nicht aufgefangen hätten, wollen wir uns lieber nicht ausmalen. Das Schlimmste haben wir so verhindert.

Aber richtig ist auch: Der Schuldenstand der öffentlichen Haushalte ist durch die Rettungsmaßnahmen sprunghaft gestiegen. Und noch haben sich nicht alle Risiken in den Haushalten manifestiert. Neben privaten Verlusten in der Finanzkrise, die viele Bürger erlitten haben, und der Bedrohung durch Arbeitslosigkeit, die viele Arbeitnehmer empfinden, sehen sich die Steuerzahler nun auch noch einem immensen öffentlichen Schuldenberg gegenüber.

Die Bürger stellen die berechtigte Frage: „Wer sind die Verursacher der Krise und werden die auch finanziell zur Rechenschaft gezogen?“ Angesichts der Pressemeldungen über frühere Bankmanager, die ihre Bonuszahlungen für die Zeit der offensichtlich ruinösen, ja sogar systemgefährdenden Geschäftspolitik einklagen, und aktueller Meldungen über schon wieder steigende Bonuszahlungen im Bankensektor, ist diese Frage gut nachvollziehbar. Das Verursacherprinzip muss auch hier zur Anwendung kommen. Wenn die Märkte die Folgen überzogener Risikoneigung nicht ausreichend bestrafen können und der Staat rettend eingreifen muss, dann muss der Staat auch bei der Kostenverteilung zunächst an die Verursacher denken.

Deshalb ist auch die Bundesregierung davon überzeugt, dass wir den Finanzsektor an den Kosten beteiligen müssen, die durch die staatlichen Interventionen zur Krisenbewältigung entstanden sind. Mit dieser Frage setzen sich zurzeit auch unsere internationalen Partner auseinander.

Die G20 Staats- und Regierungschefs haben auf ihrem Gipfel in Pittsburgh Ende September 2009 – auch auf deutsche Initiative – den Internationalen Währungsfonds beauftragt, einen Bericht zu dieser Problematik erarbeiten.

Der Europäische Rat hat letzte Woche unterstrichen, dass sich die Prüfung auf mehrere Möglichkeiten erstrecken soll. Eine dieser Optionen ist eine internationale Finanztransaktionssteuer. Daneben werden auch diverse Versicherungslösungen diskutiert.

So führt beispielsweise Schweden Ende 2009 eine Stabilitätsabgabe ein. Diese ist von Finanzinstituten zu entrichten und fließt in einen Sicherungsfonds, aus dem künftig anfallende Kosten zur staatlichen Stützung des Finanzsektors finanziert werden sollen. Diese und weitere Alternativen müssen nun gründlich geprüft werden.

Dabei geht es zum einen um die Auswirkungen auf die Finanzmärkte und die Volkswirtschaften. Zum anderen müssen wir auch die Belastbarkeit des Finanzsektors im Blick haben, solange die Krise noch nicht vollständig überwunden ist. Optimal wäre eine Lösung, die gleichzeitig einen Anreiz zur Verringerung hoch riskanter Geschäfte gibt und einen spürbaren finanziellen Beitrag zur Bewältigung der Krisenkosten leistet. Ich halte es für fraglich, ob der Finanzsektor heute bereits neue Belastungen schultern kann. So weit sind wir in den Stabilisierungsbemühungen noch nicht. Für das Jahr 2011 kann man sich das aber sicher vorstellen.

Die Analyse des Internationalen Währungsfonds und die weitere internationale Diskussion müssen wir abwarten. Eine nationale Entscheidung für eines der diskutierten Instrumente wäre zurzeit verfrüht. Die Finanztransaktionssteuer ist dabei – wie gesagt – nur eine Möglichkeit. Bei der Ausgestaltung einer derartigen Steuer wird scharf darauf zu achten sein, dass ihr Hauptziel, die Dämpfung von spekulativen Exzessen auf der einen Seite und die Stärkung von stabilisierenden Investitionen auf der anderen Seite nicht konterkariert wird. Auf jeden Fall scheint bei einer solchen Steuer ein nationales Vorgehen völlig untauglich. Das wäre wegen des Standortwettbewerbs und der vorhersehbaren Ausweichreaktionen nicht vertretbar. Die einzig sinnvolle Vorgehensweise erscheint eine international abgestimmte Lösung.

Es gibt einige Länder in Europa – allen voran Großbritannien, Frankreich und Österreich –, die sich öffentlich für die Einführung einer Finanztransaktionssteuer ausgesprochen haben. Allerdings auch nur unter der Bedingung, dass sich zumindest alle europäischen Staaten auf eine gemeinsame Steuer einlassen. Auch in diesen Ländern wird aber die anstehende internationale Diskussion zu dem IWF-Bericht abgewartet. Die Bundesregierung strebt ein gemeinsames, abgestimmtes Vorgehen in der Euro-Gruppe an. Die Bundesregierung hält es für sinnvoll, wenn das Thema auf einem ECOFIN-Treffen im kommenden Sommer diskutiert wird.

Wenn wir es schaffen, eine international abgestimmte Lösung zur finanziellen Beteiligung des Finanzsektors zu erreichen, wäre das ein gutes Ergebnis für die deutsche Volkswirtschaft. Dabei sind wir nicht im Vorfeld auf eine bestimmte Lösung festgelegt – die Finanztransaktionssteuer ist nur eine mögliche Lösung.

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