Gedenkstunde für die Opfer von Flucht und Vertreibung im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums
Gestern gedachte die Bundesregierung im Rahmen einer Gedenkstunde im Schlüterhof des Deutschen Historischen Museums in Berlin den Opfern von Flucht und Vertreibung. Neben zahlreichen Vertretern der Landsmannschaften und Vertriebenenverbände war u.a. auch der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, zugegen.
Der Apostolische Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović, der Bundesratspräsident und Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich, der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz und Freiburger Alterzbischof Robert Zollitsch, Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert MdB, Mohammad Hechyar, ein syrischer Flüchtling und THW-Helferanwärter, Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière MdB, BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB und die ehemalige BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB
Die Bundesregierung hatte am 27. August 2014 beschlossen, ab 2015 jährlich am 20. Juni der Opfer von Flucht und Vertreibung, insbesondere auch der deutschen Vertriebenen, zu gedenken. Das Datum 20. Juni wurde mit Bedacht gewählt und knüpft an den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen an. Mit dem Gedenken wird deutlich gemacht, dass der Wille und die Kraft zu Versöhnung und Neuanfang, der gemeinsame Aufbau und Zusammenhalt in der Gesellschaft das Fundament bilden, auf dem Deutschland heute Menschen aus 190 Nationen eine Heimat bietet. Nach der Begrüßung durch den Bundesminister des Innern, Dr. Thomas de Maizière MdB, folgten Ansprachen des Präsidenten des Deutschen Bundestages, Prof. Dr. Norbert Lammert MdB, sowie des ehemaligen Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof em. Dr. Robert Zollitsch. Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius MdB, hielt ein Grußwort.
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Maizière MdB
Allen Beteiligten war es wichtig, die vielfältigen Formen und Ursachen von Vertreibung, gestern wie heute, miteinander zu verknüpfen und dadurch noch mehr ins Bewusstsein zu rücken. Bundesinnenminister de Maizière betonte: „Wer von dem Schicksal der Vertriebenen weiß, bekommt ein Gespür für das, was unserem Land verloren gegangen ist und für das, was Vertriebene und Flüchtlinge unserer Tage erleben. Deshalb ist es wichtig, auch für die Flüchtlinge, die zu uns gekommen sind, diejenigen, die vermutlich bleiben werden, auf Religiosität, Mentalität und Lebensgefühl zu achten.“
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert MdB
Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert MdB hat an die Opfer von Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg erinnert. Der Gedenktag für die Opfer sei eine Chance, sich historischer Zusammenhänge bewusst zu werden und Prinzipien für die Bewältigung aktueller Herausforderungen zu formulieren, so Bundestagspräsident Lammert. „Wir haben das Thema Vertreibung nicht hinter uns gelassen.“ Vielmehr müsse sich die Gesellschaft heutiger moralischer wie rechtlicher Verpflichtungen gegenüber Vertriebenen vergewissern. Der deutsche Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung findet zeitgleich mit dem internationalen Weltflüchtlingstag am 20. Juni statt.
Lammert erinnerte an die 15 Millionen Vertriebenen, die zwischen 1945 und 1950 nach Deutschland kamen – bei weitem mehr als in den folgenden 65 Jahren. Diese Tatsache sei jedoch kaum im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert. So sei wenig bekannt, dass damals knapp 50 Prozent der Vertriebenen in Lagern und gut 34 Prozent in Notwohnungen untergebracht worden seien. Die Vorstellung von einer Willkommenskultur habe es nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben, sagte Bundestagspräsident Lammert. Erfahrungsberichte aus der Nachkriegszeit zeugten vielmehr davon, dass das Zusammenleben zwischen Einheimischen und Vertriebenen alles andere als reibungslos verlaufen sei.
Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung durch das Bundesjugendorchester
Auch heute stünden Deutschland und vor allem die EU vor der Aufgabe, Flüchtlinge und Vertriebene aufzunehmen. Mehr als 65 Millionen Menschen hätten ihre Heimat verlassen müssen, weil sie der falschen Religion angehörten, falsche Überzeugungen hätten oder dem Machtstreben von Regimen im Wege stünden. Die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, die alle ausnahmslos die Genfer Flüchtlingskonvention unterzeichnet hätten, rief der Bundestagspräsident eindringlich auf, den sich daraus ergebenden rechtlichen Verpflichtungen nachzukommen. Es sei ihnen nicht immer anzumerken, dass sie begriffen hätten, sagte Lammert.
Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und Freiburger Alterzbischof Robert Zollitsch
Der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, und Freiburger Alterzbischof Robert Zollitsch rief zu mehr Mitgefühl mit den Opfern auf. „Die leider häufig zu hörende Abwehr, es handelt sich um Fremde, ist kleinmütig und schändlich“, sagte Zollitsch bei der Gedenkstunde. Zweifelsohne habe die Leistungsfähigkeit jeder Gesellschaft Grenzen. Doch worauf es ankomme, sei die Haltung der Empathie. Nur damit könnten Lösungen gefunden werden. „Es liegt wesentlich an uns, ob Gewalt und ihre Folgen das letzte Wort haben oder nicht.“ Das Mitgefühl sei „Voraussetzung, um der Gewalt entgegenzutreten, ohne Teil von ihr zu werden“, sagte der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz. „Gewalterfahrung verändert den Blick auf die Welt“, sagte er in Erinnerung an seine eigene Vertreibung aus Ungarn nach dem Zweiten Weltkrieg. Der Umgang mit Gewalterfahrung sei eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft. Die Aufarbeitung müsse aktiv betrieben werden. „Heilung braucht Zeit.“ Gerade zu Beginn müsse den Opfern soziale und psychische Stabilität gegeben werden.
Erzbischof em. Zollitsch mahnte einen angemessenen Umgang mit Gewalterfahrungen von Vertriebenen und Flüchtlingen an. Zuwendung, Mitgefühl und Solidarität seien damals wie heute geboten gewesen. Es sei eine Illusion und eine Ausflucht, dem Sprichwort zu glauben, dass die Zeit alle Wunden heile. Heilung brauche Zeit und Aufmerksamkeit für die Nöte der Betroffenen, sagte Zollitsch. Der Umgang mit Flucht und Vertreibung sei eine Aufgabe der ganzen Gesellschaft, sie dürfe nie nur Aufgabe der Vertriebenen sein.
Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius MdB
Der Präsident des Bundes der Vertriebenen, Dr. Bernd Fabritius MdB, mahnte, jede Vertreibung, jede ethnische Säuberung, egal wann und durch wen sei immer ein Verbrechen. Selbstbestimmte Identität sei ein Natur-und ein Menschenrecht, so BdV-Präsident Fabritius.
Mohammad Hechyar, ein syrischer Flüchtling und THW-Helferanwärter
Mohammad Hechyar, ein syrischer Flüchtling und THW-Helferanwärter, schilderte mit seinem Erfahrungsbericht sehr anschaulich seine Erlebnisse seit seiner Ankunft in Deutschland und bedankte sich ausdrücklich für die Aufnahme in Deutschland. Er gab aber auch einer Hoffnung Ausdruck: „Natürlich hoffen wir, in unsere syrische Heimat zurückkehren zu können, sobald dort Frieden herrscht. Wir wünschen uns sehr, dann dabei mitzuhelfen, das zerstörte Land wieder aufzubauen. Dabei werden uns die hier gemachten Erfahrungen und erworbenen Kenntnisse sicher zugutekommen.“
Musikalisch umrahmt wurde die Gedenkveranstaltung durch das Bundesjugendorchester mit internationalen Gästen. Das Bundesjugendorchester, 1969 vom Deutschen Musikrat gegründet, wird seit 2013 von den Berliner Philharmonikern als Patenorchester unterstützt.
Gemeinsam mit dem Apostolischen Nuntius in Deutschland, Erzbischof Dr. Nikola Eterović
Auch der Leiter des Kommissariats der deutschen Bischöfe Prälat Dr. Karl Jüsten nahm an der Gedenkstunde teil
Bundesinnenminister Dr. Thomas de Mazière gemeinsam mit Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk
Neben der Präsidentin des Frauenverbandes im BdV, Dr. Maria Werthan (1.v.l.), BdV-Präsident Dr. Bernd Fabritius MdB (2.v.l.) und dem innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und BdV-Präsidiumsmitglied Stephan Mayer MdB (3.v.l.), nahm u.a. auch der Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft Schlesien, Stephan Rauhut (2.v.r.)an der Gedenkstunde teil
Im Gespräch mit dem Bundesratspräsidenten und Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Stanislaw Tillich
Gemeinsam mit aus Kasachstan stammenden Heinrich Zertik MdB und der langjährigen BdV-Präsidentin Erika Steinbach MdB
Im Gespräch mit dem Präsidenten der Bundesanstalt Technisches Hilfswerk (THW), Albrecht Broemme (2.v.l.) und weiteren Vertretern des THW
Gemeinsam mit dem Bundesvorsitzenden der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (LmDR), Waldemar Eisenbraun (1.v.l.)
Weiterführende Informationen auf der Internetseite der Bundesregierung finden Sie hier.
Zur Internetseite des Bundesjugendorchesters gelangen Sie hier.
Zur Internetseite des Bundes der Vertriebenen gelangen Sie hier.
Einen Videopodcast finden Sie in Kürze hier
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