Im Innenausschuss des Deutschen Bundestages waren auch in diesem Jahr die Vertreter der vier autochthonen nationalen Minderheiten in Deutschland – der Sorben, der Friesen, der Dänen sowie der deutschen Sinti und Roma – in dessen fraktionsübergreifenden „Gesprächskreis Minderheitenfragen“ zu Gast. Neben dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, nahmen auch Vertreter der jeweils zuständigen Bundesministerien teil.
In der vom Vorsitzenden des Innenausschusses Ansgar Heveling MdB und dem stellv. Vorsitzenden Frank Tempel MdB geleiteten Sitzung gab Bundesbeauftragter Koschyk zunächst einen Überblick über aktuelle Themen der Minderheitenpolitik.
Intensiv erörtert wurden die Möglichkeiten zum Erhalt des Instituts für niederdeutsche Sprache in Bremen, nachdem die das Institut bisher tragenden Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein überraschend angekündigt haben, ab 2017 keine institutionelle Förderung mehr zu gewähren. Das Institut für niederdeutsche Sprache ist die einzige überregional tätige Einrichtung zur Förderung des Niederdeutschen und der am breitesten aufgestellte Dienstleister im Bereich niederdeutscher Sprach- und Kulturarbeit. Gemeinsam mit seinen Bundestagskolleginnen Karin Evers-Meyer, Elisabeth Motschmann und Sarah Ryglewski besuchte Koschyk das Institut im April dieses Jahres. Fraktionsübergreifend stimmte man darin überein, dass diese zentrale Einrichtung für die Bewahrung und Weitervermittlung der durch den Europarat geschützten Regionalsprache Niederdeutsch erhalten werden muss.
Die Vertreter der vier autochthonen nationalen Minderheiten in Deutschland begrüßten, dass die an dem Treffen beteiligten Abgeordneten bekräftigten, dass noch in dieser Legislaturperiode eine Bundestagsdebatte zu den Charta-Sprachen in Deutschland stattfinden soll. Mit der Ratifizierung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die traditionell auf ihrem Gebiet gesprochenen Sprachen als bedrohten Aspekt des europäischen Kulturerbes zu schützen und zu fördern. Nach dem Gesetz vom 9. Juli 1998, verabschiedet vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung des Bundesrates, ist die Charta am 1. Januar 1999 in Deutschland in Kraft getreten und gilt als Bundesgesetz. Mit der Bundestagsdebatte zu den Charta-Sprachen in Deutschland sollen die Anliegen aus dem Charta-Sprachen-Papier, das vom Minderheitenrat im November 2014 im Rahmen einer Charta-Sprachen-Konferenz an Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert wie auch stellvertretend für die Bundesländer an Anke Spoorendonk, Ministerin für Justiz, Kultur und Europa des Landes Schleswig-Holstein und Dr. Eva-Maria Stange, Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst im Freistaat Sachsen übergeben wurde, weiter vorangebracht werden.
Des Weiteren wurden Möglichkeiten einer verstärkten Partizipation der vier autochthonen nationalen Minderheiten in Deutschland auf Bundesebene diskutiert. Neben dem Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gibt es bislang die beim Bundesministerium des Innern angesiedelten Beratenden Ausschüsse für Fragen der dänischen Minderheit, des sorbischen Volkes, für die friesische Volksgruppe, für die deutschen Sinti und Roma sowie für die niederdeutsche Sprachgruppe. Daneben gibt es den fraktionsübergreifenden „Gesprächskreis Minderheitenfragen“ beim Deutschen Bundestag und die Bund-Länder-Konferenzen mit den Minderheiten. Thema dieser jährlichen (Implementierungs-)Konferenzen ist die Umsetzung des Rahmenübereinkommens zum Schutz nationaler Minderheiten vom 1. Februar 1995 und der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen des Europarats vom 5. November 1992. Auf Bitte der Vertreter der vier autochthonen nationalen Minderheiten wurde ein gemeinsames Gespräch mit dem Vorsitzenden und den stellv. Vorsitzenden des Innenausschusses vereinbart, an dem auch Bundesbeauftragter Koschyk teilnehmen wird. Bei dem Gespräch soll intensiv der Frage nachgegangen werden, wie die Partizipation auf Bundesebene fortentwickelt werden könne.
Im Hinblick auf die in den letzten Jahren zunehmende Diskriminierung und sogar tätliche Gewalt gegen in Deutschland lebende Sinti und Roma wurde ausführlich die Einrichtung einer Expertenkommission gegen Antiziganismus erörtert.
Bundesbeauftragter Koschyk und der Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma verwiesen darauf, dass erst in dieser Woche im Rahmen des deutschen OSZE-Vorsitzes das Auswärtige Amt eine hochrangige Veranstaltung mit dem Titel „Confronting Anti-Gypsyism. The Role of Political Leaders in Countering Discrimination, Racism, Hate Crimes and Violence Against Roma and Sinti Communities“ ausrichtete und dabei auch die Einrichtung einer Expertenkommission gegen Antiziganismus befürwortet wurde.
Auch wurde u.a. die Möglichkeit einer Ausweitung des Paragraphen 184 des Gerichtsverfassungsgesetzes erörtert, welches bislang neben Deutsch regional begrenzt nur Ober- und Niedersorbisch als Gerichtssprache zulässt und nach Auffassung der Vertreter der vier autochthonen nationalen Minderheiten um alle Charta-Sprachen in Deutschland erweitert werden sollte.
Überwiegend Zustimmung bestand zwischen den an dem Treffen beteiligten Abgeordneten, den Vertretern des sorbischen Volkes die Möglichkeit einzuräumen, bei den Nachnamen die traditionellen Suffixe zu verwenden. Entsprechend soll eine Novellierung des Gesetzes zur Ausführung des Rahmenübereinkommens des Europarats zum Schutz nationaler Minderheiten geprüft werden.
Ebenso fand der Vorschlag eine Wanderausstellung zum Thema autochthone nationale Minderheiten in Deutschland einen breiten Zuspruch.
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