Die Bundesregierung hat im August vergangenen Jahres beschlossen, zukünftig in Deutschland am 20. Juni den „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ zu begehen. Der 20. Juni ist gleichzeitig Weltflüchtlingstag. Dieser Tag wurde im Jahr 2000 von den Vereinten Nationen dazu ausgerufen. Mit dem Gedenktag entsprach das Bundeskabinett einem Kernanliegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie hat das Anliegen intensiv vorangetrieben und im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Auch ich persönlich habe mich über Jahre für diesen Gedenktag eingesetzt.
Die Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung veröffentlichte in dieser Woche nunmehr eine repräsentative Studie, die vom Institut für Demoskopie Allensbach in Deutschland, Polen und Tschechien durchgeführt wurde. Daraus geht hervor, dass die Entscheidung der Bundesregierung, den Weltflüchtlingstag der Vereinten Nationen am 20. Juni zum Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung zu erklären, in Deutschland die Zustimmung von 53 Prozent der Bevölkerung findet. An diesem Tag soll neben den weltweiten Opfern von Flucht und Vertreibung auch den deutschen Flüchtlingen und Vertriebenen gedacht werden, die in Folge des Zweiten Weltkriegs ihre Heimat verloren. Vor diesem Hintergrund liegt die Zustimmung zum bundesweiten Gedenktag unter den deutschen Heimatvertriebenen mit 73 Prozent noch höher. Die Resonanz unterstreicht die große Bedeutung, das Schicksal von 14 Millionen Deutschen 70 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs endlich auch durch ein öffentlich sichtbares Gedenken zu würdigen.
Der „Gedenktag für die Opfer von Flucht und Vertreibung“ ist ein wichtiges Zeichen der Verbundenheit mit den deutschen Heimatvertriebenen und ein weiterer wichtiger Schritt zur gesellschaftlichen Anerkennung ihres Schicksals. Der Gedenktag gibt der Erlebnisgeneration die Chance, ihren Frieden zu schließen mit dem Thema Flucht und Vertreibung. Die deutschen Heimatvertriebenen leisteten einen entscheidenden Beitrag zum Aufbau unseres demokratischen Gemeinwesens. Mit dem nationalen Gedenktag werden diese Leistungen nun angemessen gewürdigt.
Mit dem Gedenktag erweitern wir aber auch das Verständnis für die Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa. Dem wachsenden Interesse unserer östlichen Nachbarn an diesem Teil ihrer Geschichte können wir entgegenkommen, indem wir auch in Deutschland das Bewusstsein für einen vom europäischen Geist geprägten Dialog über die gemeinsame Vergangenheit und Zukunft befördern. Dabei gilt es, gemeinsam Frieden und Freiheit zu wahren und den eingeschlagenen Weg der Aussöhnung mit Deutschlands europäischen Nachbarn und der Einigung Europas fortzusetzen.
Die Allensbach-Studie liefert in diesem Zusammenhang interessante Erkenntnisse über unsere Beziehungen zu Polen und Tschechien. Vor allem die positiven Erfahrungen der Bürger im persönlichen Kontakt zeigen, dass es in den vergangenen zehn Jahren zu einer guten Verständigung gekommen ist. Dies gilt vor allem für die polnische Bevölkerung in den ehemaligen deutschen Ostgebieten und ihre früheren deutschen Bewohner. Die Ergebnisse der Studie machen deutlich, wie wichtig und richtig es ist, auf dem Fundament der gemeinsamen Geschichte tragfähige Brücken in die Zukunft zu bauen.
Auch die Errichtung eines Ausstellungs- und Dokumentationszentrums zu Flucht und Vertreibung findet große Zustimmung in der deutschen Bevölkerung und mit 79 Prozent besonders starken Zuspruch in den Reihen der Heimatvertriebenen. Bemerkenswert ist die in den vergangenen Jahren gestiegene Akzeptanz in Polen und Tschechien. 39 Prozent der Polen und 42 Prozent der Tschechen finden das von der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung geplante Zentrum in Berlin eine gute Idee. Im Jahre 2006 bewerteten nur 32 Prozent der Polen und 16 Prozent der Tschechen eine derartige Einrichtung als positiv.
Die gezeigten Ergebnisse der Allensbach-Studie belegen, dass es wichtig ist, sich den Themenkreisen Flucht und Vertreibung, der Geschichte des historischen deutschen Ostens und der Aussöhnung mit den östlichen Nachbarn auch in Zukunft volle Aufmerksamkeit zu widmen.
Das unermessliche Leid der Millionen von Deutschen, die durch Vertreibung, Zwangsumsiedlung und Deportation ihre Heimat verlassen mussten, darf nicht in Vergessenheit geraten. Es ist daher von größter Bedeutung, dass die Bundesregierung die historische Aufarbeitung dieser Ereignisse sowie die Erinnerung und das Gedenken an die Opfer nachhaltig unterstützt.
Die Erinnerung und die Auseinandersetzung mit dem Schicksal der Vertriebenen sind auch fast 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von herausragender Bedeutung. Die erfolgreiche Aufnahme und die Integration der Vertriebenen nach dem Krieg ist eine der großen gesamtgesellschaftlichen Leistungen der Bundesrepublik. Der Wille zu Versöhnung und Neuanfang ist einer der wesentlichen Pfeiler des geeinten Europas, woran die Heimatvertriebenen einen wichtigen Anteil haben.
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