Mahnwache für ein „weltoffenes und tolerantes Deutschland und für Meinungs- und Religionsfreiheit“ vor dem Brandenburger Tor in dieser Woche
Nach den Terroranschlägen von Paris hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel im Deutschen Bundestag in dieser Woche zum Einsatz für die offene Gesellschaft und die Demokratie in Deutschland aufgerufen. „Diskriminierung und Ausgrenzung dürfen bei uns keinen Platz haben“, so Bundeskanzlerin Merkel in ihrer Regierungserklärung im Bundestag. Zugleich nannte sie den islamistischen Terrorismus und den Antisemitismus „zwei der großen Übel unserer Zeit“. Freiheit und Toleranz hätten aber „niemals das geringste Verständnis für Gewalt von Links- und Rechtsextremismus, für Antisemitismus oder für Gewalt im Namen einer Religion“.
Die Anschläge in Paris haben uns alle erschüttert und fassungslos gemacht. Diese Anschläge waren Anschläge auf unsere Freiheit, auf unsere Werte, auf die Art und Weise, wie wir zusammen leben, wie wir miteinander umgehen. Es waren Anschläge auf die offene Gesellschaft der westlichen Welt.
Die Reaktion der Menschen – in Frankreich, Deutschland und zahlreichen weiteren Staaten macht auch Mut. Sie haben Solidarität mit Frankreich gezeigt und zeigen es nach wie vor – gerade auch über Grenzen hinweg.
Wenn 50 Staats- und Regierungschefs aus Europa und aller Welt in Paris gegen Terrorismus demonstrieren, wenn Millionen sich aufmachen zum Marsch der Freiheit, wenn ein muslimischer Arbeitnehmer in dem von Terroristen heimgesuchten jüdischen Geschäft vier Menschenleben rettet, dann wird deutlich: Unsere Werte sind stärker als der Terror. In solch einer Situation stellte sich auch die Frage, ob solche Taten auch bei uns geschehen könnten und ob wir alles für die Sicherheit der Menschen tun. Wir wissen, ISIS und Al-Qaida bedrohen nicht nur einige fremde Staaten weit weg von uns, sondern sie bedrohen auch uns. Bei allen weiteren Regelungen muss aber weiterhin unverändert der bewährte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gelten: „So viel Freiheit wie möglich, aber auch so viel Sicherheit wie nötig!“
Bundeskanzlerin Merkel nannte in ihrer Regierungserklärung konkrete Punkte zur effizienteren Terrorbekämpfung. So sollen Hassprediger, Gewalttäter, die im Namen des Islam vorgingen, ihre Hintermänner, die „geistigen Brandstifter des internationalen Terrorismus“, mit aller Konsequenz und allen Mitteln, die dem Rechtsstaat zur Verfügung stehen, bekämpft werden.
Die Ausreise deutscher Staatsbürger in Konfliktgebiete und Terrorlager soll verhindert werden. Dazu soll es möglich werden, entsprechend verdächtigen Personen der Personalausweis entziehen zu können. Stattdessen sollen sie einen Ersatzpersonalausweis bekommen, der nicht zum Verlassen Deutschlands berechtigt. Das Bundeskabinett hat einen entsprechenden Beschluss am Mittwoch gefasst, dem der Deutsche Bundestag noch zustimmen muss. Auch Rückkehrer aus Terrorcamps stellen ein großes Gefahrenpotential in Deutschland dar, dem entschlossen entgegengetreten werden muss.
In Kürze will die Bundesregierung zudem einen Gesetzentwurf zur verbesserten Bekämpfung der Terrorismus-Finanzierung und der Strafbarkeit der Ausreise in Konfliktgebiete beschließen. Damit soll eine entsprechende Resolution der Vereinten Nationen umgesetzt werden.
Der Europäische Rat soll sich im Februar mit Maßnahmen gegen illegalen Waffenhandel, die Zusammenarbeit von Transitstaaten, die Überwachung der Reisebewegung an den EU-Außengrenzen sowie den Abgleich von Fluggast-Daten befassen.
Zudem sollen die Sicherheitsbehörden die personelle und finanzielle Ausstattung bekommen, die nötig ist, um die bestmögliche Sicherheit zu gewährleisten und sie in die Lage versetzen, ihre Arbeit auch unter veränderten Lageanforderungen zu leisten.
Bundeskanzlerin Merkel plädierte auch für die Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung. Angesichts der parteiübergreifenden Überzeugung aller Innenminister von Bund und Ländern, dass wir solche Mindestspeicherfristen brauchen, sollten wir darauf drängen, dass die von der EU-Kommission hierzu angekündigte überarbeitete EU-Richtlinie zügig vorgelegt wird, um sie anschließend auch in deutsches Recht umzusetzen.
Ebenfalls ist die Zusammenarbeit der deutschen Nachrichtendienste und ihrer Partnerdienste für unsere Sicherheit unverzichtbar. Dabei muss aber stets die Balance von Freiheit und Sicherheit gewahrt bleiben.
Deutschland wird sich darüber hinaus als Teil der internationalen Gemeinschaft unvermindert politisch, humanitär mit militärischer Ausrüstung am Kampf gegen ISIS beteiligen.
Schließlich soll die Präventionsarbeit bestärkt werden. Die Bundesregierung will darauf hinwirken, dass junge Menschen sich nicht von Extremisten angesprochen fühlen. Dazu will die Bundesregierung entsprechende Initiativen unterstützen, um der Gewalt den Boden zu entziehen.
Gemeinsam gilt es, allen Formen von Intoleranz in unserem Land den Boden zu entziehen. Daher unterstützt die Bundesregierung Projekte und Programme für Toleranz und Demokratieverständnis. Fremdbilder und Feindbilder lassen sich am besten durch Aufklärung und Kennenlernen verhindern. In der Schule, im Sportverein, oder bei der Arbeit kann man lernen, wie Kompromisse geschlossen werden. Hilfeleisten und Verantwortung für andere zu übernehmen, ist eine wichtige Grundlage der Demokratie und größter Dank gilt in diesem Zusammenhang all den „stillen Helden in unserer Gesellschaft“, die sich vielfältig engagieren.
Gerade vor dem Hintergrund der Pegida-Bewegung muss aber auch alles unternommen, dass Muslime in unserem Land nicht unter Generalverdacht gestellt werden. Die allermeisten Muslime in Deutschland sind rechtschaffene und verfassungstreue Bürger. In Deutschland wird garantiert, dass der Glaube des Islam im Rahmen unserer Verfassung und der übrigen Gesetze frei ausgeübt werden kann.
Zahlreiche Bürger, die an den Pegida-Demonstrationen teilnehmen bewegt die Sorge, dass ein extremistischer Islamismus eine reale Gefahr darstellt, was die Ereignisse in Paris leider bestätigt haben. Die Gefahr, dass sich so ein Anschlag auch bei uns ereignet, ist in höchstem Maße gegeben. Ein Teil dieser Protestbewegung rührt nach meiner Einschätzung auch daher, dass wir der geistig-ideellen Herausforderung eines extremistischen Islamismus oft nur das Wertevakuum einer säkularen, ja einer atheistischen Gesellschaft entgegenzusetzen haben. Ich bin überzeugt, dass dort, wo Heimat, Identität und Glaube als Gegenkräfte zur fortschreitenden, oft auch zur Entwurzelung führenden Globalisierung sich in einem guten Gleichgewicht befinden, die Menschen viel gelassener und vernünftiger auf globale Herausforderungen reagieren. Wir müssen daher verstärkt die geistig-ideelle Auseinandersetzung mit politischem und religiösem Extremismus führen.
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