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„Vom Isergebirge ins Fichtelgebirge“ / Bundesbeauftragter Koschyk über Krieg und Vertreibung in Schlesien
7. März 2015
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2015 jährt sich zum 70. Mal der Beginn der Vertreibungen nach dem zweiten Weltkrieg. Daran erinnert die Sudetendeutsche Landsmannschaft in diesen Wochen unter anderem mit der Ausstellung „Erzwungene Wege“, mit Vorträgen über die Vertreibungsgebiete und mit dem Film „Vom Isergebirge ins Fichtelgebirge“. Einen Überblick über die Geschichte Schlesiens und der Vertreibung aus dem „zehnfach interessanten Land“, wie Johann Wolfgang von Goethe Schlesien bezeichnete, gab der Bundesbeauftragte für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, MdB Hartmut Koschyk bei einem vielbeachteten Vortrag, der zum Rahmenprogramm der Ausstellung gehörte.

So wurde das deutsch-polnische Zusammenleben durch nationalsozialistische Repressions-und Vernichtungsmaßnahmen nachhaltig gestört.

Die historischen Gründe für die Siedlung der Deutschen im heutigen Polen seien komplex, sagte der Abgeordnete. Er schlug einen weiten Bogen vom Mittelalter bis zur Gegenwart und sprach von einem schnellen Ritt durch 1.000 Jahre Geschichte. Zu den nachhaltigen Störungen im deutsch-polnischen Zusammenleben war es dabei durch den deutschen und den sowjetischen Überfall auf Polen im September 1939 gekommen. „So wurde das deutsch-polnische Zusammenleben durch nationalsozialistische Repressions-und Vernichtungsmaßnahmen nachhaltig gestört“, sagte Koschyk.

Nach dem 2. Weltkrieg seien gemäß der Entscheidung der Alliierten alle Gebiete östlich der Oder-Neiße unter polnische Verwaltung gestellt und zu Bestandteilen des polnischen Staatsgebiets erklärt worden. Koschyk: „Die deutsche Bevölkerung wurde von da an größtenteils vertrieben.“ Durch das Verbot der deutschen Sprache sollte die verbliebene deutsche Minderheit „zwangs-polonisiert“ werden.

Die für die Vertreibung erlassenen Verordnungen hätten die Einziehung des gesamten Eigentums von Personen deutscher Nationalität zugunsten des polnischen Staates ermöglicht, das Eigentum der geflohenen und vertriebenen Deutschen sei 1946 als „verlassenes und herrenloses Gut“ entschädigungslos konfisziert worden. Offiziell seien rund 630.000 geklärte Todes-und ungeklärte Vermisstenfälle im Zusammenhang mit der Vertreibung der deutschen Bevölkerung aus Schlesien bekannt.

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Ein Großteil der etwa 4,5 Millionen Schlesier sei auf der Suche nach einer neuen Heimat gewesen, als Ende Februar 1946 mit der „Aktion Schwalbe“ die Vertreibung der Schlesier erst richtig begonnen hatte. Insgesamt seien dabei allein in die britische Zone knapp 1,4 Millionen Menschen in Güterzügen verfrachtet worden. „In den ersten Nachkriegsjahren wurden hunderttausende Menschen deutscher Abstammung in Lagern inhaftiert oder mussten Zwangsarbeit leisten“, so Koschyk. Zwischen 1944 und 1950 seien insgesamt rund 8,5 Millionen Deutsche gezwungen worden, die ursprünglich östlichen Gebiete Deutschlands in Richtung Besatzungszonen der Alliierten zu verlassen. Man schätzt, dass es bis zu der größten Emigrationswelle in den 1960er Jahren noch 700.000 Deutsche allein in Oberschlesien gab.

Bereits vor der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 habe die deutsche Minderheit versucht, sich in verschiedenen Teilen Polens zu organisieren, um ihre Interessen besser vertreten zu können und eine politische Annäherung beider Staaten voranzutreiben. Nach der Wiedervereinigung reichten sich Bundeskanzler Helmut Kohl und der polnische Ministerpräsident Tadeusz Mazowieckis als symbolisches Zeichen der Versöhnung zwischen Deutschen und Polen die Hand. In einer gemeinsamen Erklärung seien damals die Grundsätze für eine künftige Zusammenarbeit festgelegt worden.

In den ersten Nachkriegsjahren wurden hunderttausende Menschen deutscher Abstammung in Lagern inhaftiert oder mussten Zwangsarbeit leisten.

Gegenwärtig seien 25 Gemeinden in Polen offiziell zweisprachig. 2009 habe die Republik Polen die Europäische Charta der Minderheiten und Regionalsprachen ratifiziert. 2011 identifizierten sich Koschyk zufolge bei einer nationalen Volkszählung in Polen 149000 Menschen unter anderem mit der deutschen Kultur. 45000 davon gaben ausschließlich eine deutsche Identität an. Eine wichtige Brücke bilde die Landsmannschaft Schlesien im Bund der Vertriebenen mit aktuell rund 200000 Mitgliedern.

Das Bundesinnenministerium habe die deutsche Volksgruppe in Polen in enger Abstimmung mit der Minderheitenvertretung in den Jahren 1990 bis 2009 mit insgesamt 130,8 Millionen Euro unterstützt. Aus Mitteln des Kulturhaushaltes des Auswärtigen Amtes würden außerdem Mittel zur Förderung der deutschen Sprache, Jugend, Medien und Kulturprojektebereit gestellt. Diese Förderung belief sich in den vergangenen Jahren auf jährlich rund 1,2 Millionen Euro.

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Zuvor hatte Vorstandssprecher Manfred Kees von der sudentendeutschen Landsmannschaft berichtet, dass die Ausstellung im Alten Schloss sehr gut angenommen werde. Allein in den ersten Tagen haben 600 Besucher gezählt. „Man hört viele Leidensgeschichten, man spürt Betroffenheit“, sagte Kees. Er gab auch zu bedenken, dass aktuell rund 53 Millionen Menschen in der ganzen Welt auf der Flucht sind. „Haben wir den nichts dazu gelernt?“, so Kees. Mit der Ausstellung und ihrem umfangreichen Rahmenprogramm will die Sudentendeutsche Landsmannschaft dagegen halten. Sie ist noch bis zum 30 März in Bayreuth, Maximilianstraße 6 zu den üblichen Öffnungszeiten zu sehen.

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Im Anschluss an den Vortrag legten Margarete Michel und Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB einen Kranz an der Gedenkstätte für das Schicksal und die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen nieder.

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