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„Wollen selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sein“ / Zentralratsvorsitzender der Sinti und Roma Romani Rose bei Interkultureller Woche in Bayreuth
3. Oktober 2015
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Zentralratsvorsitzender der Sinti und Roma Romani Rose 

Als Bedrohung, nicht nur für Minderheiten, sondern für die gesamte Demokratie hat der Zentralratsvorsitzende der Sinti und Roma in Deutschland, Romani Rose, die vielen populistischen Bestrebungen der Gegenwart bezeichnet. „Wir sind derzeit Zeugen davon, dass Flüchtlingsheime brennen“, sagte Rose bei einem Vortrag im Rahmen der Interkulturellen Wochen in Bayreuth. Die Verteidigung demokratischer Werte sollte deshalb Aufgabe der Gesamtgesellschaft sein.

Der Zentralratsvorsitzende zeigte sich aber trotzdem überzeugt davon, „dass unsere gefestigte Demokratie auch die aktuellen Herausforderungen bewältigen wird. Es gebe eben nicht nur brennende Flüchtlingsheime, sondern auch eine große Welle der Hilfsbereitschaft nahezu unzähliger haupt- und ehrenamtlicher Helfer. Höchsten Respekt zollte Rose auch Bundeskanzlerin Angela Merkel für ihre von Menschlichkeit und Hilfsbereitschaft getragene Haltung.

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Rose beklagte aber auch die rassistische Gewalt gegen Sinti und Roma in vielen Ländern Europas. Wie keine andere Minderheit seien Sinti und Roma rassistischen Angriffen ausgesetzt. „Rassismus gegenüber unserer Minderheit ist noch immer an der Tagesordnung“, sagte er. Dieser allgegenwärtige Antiziganismus werde weder von der Politik noch von der Gesellschaft hinterfragt.

Aufgrund all dieser Vorkommnisse sei es wichtig, Aufklärungsarbeit zu leisten und dem Klischee die Wirklichkeit entgegenzusetzen. Dies sei unter anderem durch die Gründung des Zentralrats der Sinti und Roma 1982, durch die Einrichtung des Dokumentations- und Kulturzentrums Deutscher Sinti und Roma in Heidelberg und durch das Denkmal für die im Nationalsozialismus ermordeten Sinti und Roma Europas in Berlin nahe des Reichstages geschehen.

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Hartmut Koschyk, MdB

„Uns geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern um Wahrhaftigkeit, gesellschaftliche Aufklärung und historische Erinnerung“, sagte Rose. „Wir wollen aus der Opferrolle raus und selbstverständlicher Teil der Gesellschaft sein.“ Ausgrenzung dürfe keinen Platz mehr in der Gesellschaft haben. Allerdings gebe es noch immer kein ausreichendes Bewusstsein für die Verbrechen an Sinti und Roma. Über 500000 Sinti und Roma, die teilweise seit Generationen in Deutschland verwurzelt waren, sind erfasst, entrechtet, gettoisiert und schließlich ermordet worden. Der NS-Staat habe den Angehörigen der Sinti und Roma kollektiv das Lebensrecht abgesprochen, sagte Rose, dessen Großeltern und elf weitere nahe Familienangehörige in Konzentrationslagern ermordet wurden.

Weder politzisch, noch historisch habe nach dem Krieg eine Aufarbeitung dieser Verbrechen stattgefunden, noch 1956 seien Entschädigungen höchstrichterlich abgelehnt worden mit den gleichen Argumenten und der gleichen demagogischen Hetze wie von Seiten des Nationalsozialismus.

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Auch Sinti und Roma seien während des Naziregimes systematisch ermordet worden, sagte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, der Bayreuther Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk. Das aber sei im breiten Bewusstsein der Bevölkerung noch nicht verankert. Koschyk räumte ein, dass es lange gedauert habe, bis die Bundesrepublik ein entsprechendes Abkommen zur Anerkennung nationaler Minderheiten unterzeichnet habe. Der Bundesbeauftragte nannte es eine gesamteuropäische Verantwortung die Lebenssituation von zehn bis zwölf Millionen Sinti und Roma in ihren angestammten Ländern in und außerhalb von Europa zu verbessern.

Neben Dänen, Friesen und Sorben gelten Sinti und Roma in Deutschland als anerkannte Minderheit. Sinti und Roma sind gleichzeitig die größte nationale Minderheit in Europa ohne „Mutterland“. Der Begriff Sinti bezeichnet die Angehörigen der Volksgruppe vor allem in West-, Roma in Osteuropa. Etwa 90 Prozent der Sinti und Roma sind katholisch, der Rest protestantisch. In Bayreuth leben nach den Worten des zweiten Bürgermeisters Thomas Ebersberger rund 40 Sinti- und Roma-Familien, darunter ein großer Teil Jugendlicher.

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Der Vortrag von Romani Rose im „Zentrum“ in Bayreuth wurde musikalisch umrahmt von der jungen Sopranistin Scarlett Adler Rani aus Bayreuth, einer Schülerin der Opernsängerin Barbara Baier, die begleitet von Hans-Martin Gräbner am Klavier Lieder und Arien von Nicholas Brodszky, Theo Mackeben und Giacomo Puccini aufführte.

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Sopranistin Scarlett Adler Rani aus Bayreuth

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There is 1 comment

  • Barbara Baier sagt:

    Es war ein höchst interessanter und spannender Vortrag. Vieles hab ich noch nicht gewußt. Besonders beeindruckend war das bescheidene und edle Auftreten von Herrn Rose. Vielen Dank an Herrn Rose und an Herrn Koschyk für diesen Abend. Dieser Abend hat bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Zu Schade, dass nicht mehr Zuhörer anwesend waren.

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