Aufnahme des Denkmals bei der Einweihung im Mai 2017
Im Rahmen der Vor-Ort-Termine in Serbien besucht der Beauftragte der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten gemeinsam mit Bürgermeister Đuro Žiga die Gedenkstätte Bački Jarak.
Bundesbeauftragter Koschyk wird für die Bundesregierung einen Kranz im Gedenken an die im serbischen Lager Jarek umgekommenen Angehörigen der deutschen Minderheit niederlegen. Bundeskanzlerin Dr. Merkel und Bundesbeauftragter Koschyk hatten sich stark für die Errichtung des Denkmals eingesetzt, das schließlich auf Initiative des Präsidenten Aleksandar Vučić auch errichtet wurde.
Einweihung der Gedenkstätte im Mai 2017.
Die Einweihung des Denkmals für die Angehörigen der deutschen Minderheit, die im serbischen Lager Jarek während des zweiten Weltkrieges umgekommen sind, erfolgte im Mai dieses Jahres. Die Gedenkstätte wurde bei einem der großen Massengräber in der Vojvodina, im Ort Backi Jarak bei Novi Sad errichtet. Die Gedenkstätte wurde im Einvernehmen mit der dortigen Bevölkerung errichtet und ist Ausdruck der deutsch-serbischen Versöhnung. Serbiens Ministerpräsident, Alexander Vučić, hatte bei der Einweihung Worte zum Schicksal der Donauschwaben, zur Versöhnung und zur Verständigung gesprochen.
Gedenkansprache von Bundesbeauftragtem Koschyk:
„Man hörte, es gehe nach Jarek, was das bedeuten sollte wussten wir ja nicht. Alle Arbeitsunfähigen, Alte und Kinder kamen nach Jarek, aber das haben wir erst später erfahren. Es war noch dunkel, als wir in Jarek ankamen. Dort wurden wir in Häuser eingeteilt. Jarek war ein leeres Dorf, ohne Möbel, ohne Vieh, keine Katze, kein Hund, nur Internierte. Sogar der Brun-nen im Hof war eingetrocknet, jemand hatte große Steine hineingeworfen bis oben hin. … Mittags, wenn das Essen ausgeteilt wurde, kam auch der Totenwagen, von einem Pferd gezo-gen, mitten auf der Straße. Rechts und links der Straße kamen die Leute mit ihren Toten, die in den letzten 24 Stunden gestorben waren. Die Toten wurden aufeinander auf den Wagen geworfen, mancher Mund weit offen, Augen auf, Arme oder Beine auf und ab baumelnd, als der Wagen die Straße entlang-fuhr, bis auf den Friedhof, wo sie in ein Massengrab kamen. Mancher Tote wurde noch in das letzte Leintuch genäht, die letzte Ehre einem geliebten Toten.“
Diese schriftliche Aufzeichnung von Agathe Dorth-Prochaska, die als Kind im Lager Jarek lebte, gehen mir sehr nahe. Die von der Lagerleitung von Dezember 1944 bis April 1946 geführten Sterbebücher verzeichnen 9.429 Todesopfer, darunter 955 Kinder. Und trotzdem ahne ich, dass ich das tatsächliche Ausmaß des Leides nur unzulänglich erahnen kann.
Zu viele Tragödien geraten über die Jahre hinweg in Verges-senheit und werden zu unbeachteten Fußnoten der Ge-schichtsschreibung. Ohne geeignete erinnerungspolitische Maßnahmen verschwinden sie nach und nach aus den Köpfen der heranwachsenden Generationen, bis sich schließlich selbst die Nachkommen der Involvierten nicht mehr daran erinnern können.
Besonders schmerzhaft ist dies für die Opfer solcher Ereignisse, denen es oft ein wichtiges Anliegen ist, an das erlittene Leid zu erinnern und auf diesem Wege einer Wiederholung der begangenen Taten entgegenzuwirken. Die Mitglieder der deutschen Minderheit in Serbien stellen dabei keine Ausnahme dar, mussten doch auch sie unsagbare Pein über sich ergehen lassen.
Nachdem die serbische Bevölkerung jahrelang unter der deutschen Besatzung zu leiden hatte, richtete sich ihr Zorn auf jene wenigen, die zurückgeblieben waren.
Bis zu 18.000 Menschen lebten gleichzeitig auf engstem Raum zusammengepfercht, da gerade einmal 400 Wohnhäuser zur Verfügung standen. Nachdem sämtliche Einrichtungsgegenstände während vorheriger Plünderungen verschwunden waren, beschränkte sich die Ausstattung der Unterbringungen auf einfache Strohhaufen. Auch gab es kaum Bemühungen, hygienische Standards aufrechtzuerhalten. Jeder Lagerbewohner wurde von Läusen geplagt und viele litten unter lebensbedrohlichen Krankheiten, die keinerlei Behandlung erfuhren. Der Mangel an Brennmaterial und wärmender Kleidung tat sein Übriges und führte zum Tod unzähliger Menschen.
Zudem stellten Mangelerscheinungen die Norm dar, beschränkte sich doch die Versorgung auf dünne Suppe und eine Handvoll trockenen Brots. Gerade die zahlreichen Kinder und Alten waren kaum dazu in der Lage, unter derartigen Bedingungen zu überleben.
Erschreckend war auch die Zusammensetzung der Internierten. Während junge Männer und Frauen einem der Arbeitslager zugeteilt wurden, war Jarek vornehmlich für jene Menschen konzipiert, die noch keiner anstrengenden körperlichen Tätigkeit nachgehen konnten oder nicht mehr dazu in der Lage waren. Dadurch kam es zur Trennung unzähliger Familien, von denen viele nie wieder vereint werden konnten. Selbst kleine Kinder wurden von ihren Müttern getrennt, solange sie das zweite Lebensjahr bereits vollendet hatten.
Trotz der Beschränkung auf arbeitsunfähige Personen wurden viele Lagerinsassen zu beschwerlichen Tätigkeiten herangezogen, die den Gesundheitszustand weiter verschlechterten. Zu all dem kamen Misshandlungen der Wärter, brutale Strafen für mindere Vergehen und Exekutionen von Fluchtverdächtigen.
Viele der Betroffenen und Angehörigen hegten lange den Wunsch, die Nachwelt an die begangenen Untaten zu erinnern und das Geschehene in einem Denkmal festzuhalten. Lange war ihnen ein solches nicht gegönnt, da selbst 70 Jahre nach der Freilassung der letzten Gefangenen sämtliche Bemühungen an der serbischen Bürokratie scheiterten.
Umso mehr erfüllt es mich mit Freude und Zufriedenheit, dass nunmehr das Vorhaben als eine gemeinsame Anstrengung des Nationalrats der Deutschen in Serbien und der Donauschwäbi-schen Landsmannschaft endlich gelungen ist und am 6. Mai 2017 die Gedenkstätte feierlich eingeweiht werden konnte. Leider war mir die persönliche Teilnahme, die ich mir fest vor-genommen habe, aus gesundheitlichen Gründen damals nicht möglich.
Maßgeblich zu der erfolgreichen Entwicklung beigetragen hat nicht zuletzt mit beherztem Einsatz der damalige Ministerpräsi-dent und jetzige Präsident der Republik Serbien, Aleksandr Vučić, der mit Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel die Errich-tung des Denkmals bei deren Besuch in Belgrad im Juli 2015 vereinbarte. Ich hatte der Bundeskanzlerin eine entsprechende Bitte der Donauschwaben übermittelt. Ich empfand es auch als eine großartige Geste der Verständigung und Versöhnung, dass Aleksandr Vučić damals als Ministerpräsident und als gewählter Präsident an der feierlichen Eröffnung persönlich teilgenommen hat. Ich möchte ihm gegenüber an dieser Stelle meine Dankbarkeit und meinen Respekt zum Ausdruck brin-gen.
Mein besonderer Dank gilt auch Herrn Erzbischof Dr. Zollitsch dafür, dass er den weiten Weg auf sich nahm und bei der Einweihung dabei war. Er hat als Kind die Schrecken der Lager selbst erfahren und ist heute trotzdem unermüdlich unterwegs für Verständigung und Versöhnung. Die an ihn gerichtete Einladung des Bundesministers des Innern, Herrn Dr. Thomas de Maizière, am 20. Juni des letzten Jahres bei der Gedenkfeier für die Opfer von Flucht und Vertreibung die Ansprache zu halten, war auch ein Ausdruck des Mitgefühls der Bundesregierung für die Hunderttausenden, die im und nach dem Zweiten Weltkrieg interniert und deportiert wurden, nur weil sie Deutsche waren.
Das Engagement für Aufklärung und Bewältigung darf sich aber nicht auf die Politik beschränken. Es muss vielmehr sämtliche Bevölkerungsschichten umfassen und breite Zustimmung finden, um von Erfolg gekrönt zu sein. Wird es lediglich von einigen wenigen vorgelebt, vermag es keine Wirkung zu entfalten.
Ich fordere daher dazu auf, nicht zu vergessen. Ich fordere dazu auf, die Erinnerung an jene Schicksale aufrecht zu erhalten. Nur so lässt sich sicherstellen, dass sich eine derartige Tragödie nicht wiederholt. Gleichzeitig dürfen vergangene Verbrechen nicht den Kindern und Kindeskindern der Täter angelastet werden. Wenn wir den Frieden in Europa dauerhaft sichern wollen, bedarf es der Vergebung und der Versöhnung auf allen Seiten. Nur wenn wir gemeinsam die Geschichte aufarbeiten, ohne uns Vorurteilen und Beschuldigungen hinzugeben, ist unserem Kontinent eine Zukunft beschert.
Auf diesem Wege gehören die aus ihrer angestammten Heimat nach dem Zweiten Weltkrieg geflohenen und vertriebenen Deutschen gleichermaßen wie ihre dort verbliebenen Lands-leuten zu den Pionieren in Europa. Dieses gilt auch für die Deutschen aus Herkunftsgebieten im ehemaligen Jugoslawien. Sie haben – weitestgehend unabhängig von einer persönlichen Verstrickung in die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands – unvorstellbar Schreckliches am eigenen Leibe erlitten oder mussten es mit eigenen Augen sehen. Das hat sie nicht davon abgehalten, Verständigung und Versöhnung mit den heutigen Bewohnern ihrer früheren Wohnorte bzw. ihren Nachbarn zu suchen. Dieser Verständigung und Versöhnung dient auch diese Gedenkstätte.
Dieses ist Gedenken in wahrhaft europäischem Geist! Für die Betroffenen und für uns alle ist Erinnerung notwendig. Echte Erinnerung richtet sich gegen niemanden. Im Gegenteil: Der große französische Politikwissenschaftler und Publizist Alfred Grosser, der als jüdischer Mitbürger 1938 aus Deutschland emigrieren musste, bezeichnet das „Verständnis für das Leid des Anderen“ als einen der wesentlichen Grundwerte für Europa.
Deshalb müssen in ein aufrichtiges Gedenken selbstverständlich auch die unzähligen Opfer der menschenverachtenden Verbrechen einbezogen werden, die das nationalsozialistische Deutschland und seine Verbündeten im ehemaligen Jugoslawien während des Zweiten Weltkrieges verübt haben. Sie fanden auch in der Woiwodina statt. Nur wenn wir auch dieser Opfer würdevoll gedenken, ist das Gedenken an die Opfer der eigenen Volksgruppe ehrlich und kann Versöhnung und Frieden stiften.
Der im vergangenen Jahr verstorbene frühere Bundespräsident Prof. Dr. Roman Herzog hat es so treffend formuliert: „Kein Unrecht, und mag es noch so groß gewesen sein, rechtfertigt anderes Unrecht. Verbrechen sind auch dann Verbrechen, wenn ihm andere Verbrechen vorausgegangen sind.“
Die Deutschen im ehemaligen Jugoslawien gehörten nur zu den ersten Opfern der unbarmherzigen und unausgegorenen Nationalitätenpolitik Josip Broz Titos, die dem Jahrhunderte währenden weitestgehend friedlichen Miteineinander der einzelnen Volksgruppen und Religionen nicht im geringsten gerecht wurde. Nach dem Zusammenbruch Jugoslawiens entluden sich die aufgestauten ethnischen Konflikten in schrecklichen kriegerischen Auseinandersetzungen mit vielen Opfern, deren Folgen auch heute noch an vielen Orten zu sehen und zu spüren sind. Ich wünschen allen Völkern und Volksgruppen in diesem wunderschönen europäischen Kulturraum, dass sie durch aufrichtigen Dialog und gegenseitiges Verständnis diese dunkle Vergangenheit überwinden und zu echter Versöhnung gelangen.
There are 0 comments