von: MARC OLIVER RÜHLE veröffentlicht am 14.05.2022 – 14:12 Uhr
Kims Albtraum wird wahr: Corona erfasst sein Land!
Zwei Jahre lang wurden keine Covid-19-Fälle gemeldet, doch nun hat es in Nordkorea zum ersten Mal offiziell einen Todesfall im Land nach einer Infektion mit dem Virus zugegeben.
Seit Ende April seien sechs Menschen gestorben – mit Fieber, das sich aus noch ungeklärter Ursache explosionsartig im ganzen Land ausgebreitet habe, berichteten Kim Jong-uns Propaganda-Medien am Freitag. So wird die Bevölkerung angehalten, den Mund mit Salzwasser auszuspülen und Milch zu trinken.
„Mehr als 350 000 Menschen bekamen in kurzer Zeit Fieber“, heißt es. Bei einem der Todesopfer sei angeblich die Omikron-Subvariante BA.2 nachgewiesen worden.
Erst am Vortag hatte das abgeschottete Land erstmals offiziell seit dem Beginn der Corona-Pandemie vor mehr als zwei Jahren Infektionen mit dem Krankheitserreger bestätigt.
„Wenn Kim Jong-un persönlich einen Corona-Ausbruch gegenüber der Öffentlichkeit einräumt, wird klar, dass es für Nordkorea eine ernste Lage ist, da das Land ja ohnehin ein katastrophales Gesundheitssystem hat und über keine Test- und Impfkapazitäten verfügt. Auch wirtschaftlich liegt das Land wegen der Sanktionen und der selbstgewählten Corona-Abschottung am Boden“, erklärt Korea-Kenner Hartmut Koschyk gegenüber BILD.
„Massiver Ausbruch“
Südkorea geht mittlerweile von einem „massiven Ausbruch von Covid-19“ im Nachbarland aus. Die Regierung in Seoul bot Unterstützung an. Präsident Yoon Suk-yeol wolle Impfstoffe gegen die Krankheit an Nordkorea liefern, teilte sein Büro in Seoul mit.
Ein entsprechendes Angebot solle über das Vereinigungsministerium übermittelt werden. Nordkorea selbst habe bisher nicht um Hilfe gebeten, zitierte die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap einen Regierungsbeamten.
Den nordkoreanischen Berichten zufolge war das plötzlich auftretende Fieber bei über 162 000 Menschen wieder vollständig abgeklungen. Es würden aber noch fast 188 000 in Quarantäne befindliche Patienten behandelt. Unklar blieb jedoch zunächst, wie viele sich tatsächlich mit dem Coronavirus infiziert haben.
„Ernsthaftester Notfall des Staats“
Die Zahlen deuteten nach Meinung von Beobachtern das potenzielle Ausmaß des Corona-Ausbruchs in dem Land an. Experten hatten schon länger gewarnt, Nordkorea könne wegen seines unzureichenden Gesundheitssystems nur schwer mit einem größeren Ausbruch fertig werden. Nordkorea selbst sprach vom „ernsthaftesten Notfall des Staats“.
„Was nicht in die Situation passt, ist, dass Nordkorea gerade wieder Raketentests durchgeführt hat und seine ‚militärischen Muskeln spielen lässt‘. Südkoreas neuer Präsident hat ja bei seiner Amtseinführung in dieser Woche seine Dialog- und Unterstützungsbereitschaft für Nordkorea deutlich gemacht, aber auf eine vollständige Denuklearisierung des Landes gedrängt“, erklärt Koschyk.
Die Staatsmedien berichteten, dass sich Corona mittlerweile im ganzen Land ausgebreitet habe. Darüber habe sich Diktator Kim Jong-un bei einem Besuch des Epidemie-Präventionszentrums in Pjöngjang informieren lassen, hieß es.
„Es gab verschiedene Impfstoff-Angebote von außen, die Nordkorea aber sämtlich abgelehnt hat. Der Import von zwei Millionen Dosen im Rahmen der Covax-Kampagne der WHO scheiterte am Transparenzgebot – wer bekommt die Impfung und wer nicht – und der Logistik, beispielsweise wegen Kühlmöglichkeiten. Und außerdem hätte man Ausländer ins Land lassen müssen“, sagt Dr. Christian Taaks von der Friedrich-Naumann-Stiftung in Seoul zu BILD.
„Kim lässt alles abriegeln„
Kim hatte am Donnerstag einen landesweiten Lockdown angeordnet. Alle Städte und Landkreise sollten streng abgeriegelt werden. Wie die Menschen bei einer Ausgangssperre versorgt werden, galt als unklar.
Große Teile der Bevölkerung in dem Land mit seinen knapp 26 Millionen Einwohnern sind nach Angaben von UN-Organisationen unter- oder mangelernährt.
„Es ist zu befürchten, dass die ohnehin problematische Versorgung großer Teile der Bevölkerung noch schwieriger wird. Die Auswirkungen auf die Wirtschaft dürften drastisch sein. Die weiteren Entwicklungen sind kaum absehbar, aber ganz sicher herrscht jetzt die allerhöchste Alarmstufe“, so Taaks.
Der Diktator habe bei einem Besuch des staatlichen Epidemie-Präventionszentrums bemängelt, es gebe einen „verwundbaren Punkt“ im bestehenden Notfall-Präventionssystem, berichteten die Staatsmedien.
Jede Arbeits- und Produktionsstätte sowie sämtliche Wohneinheiten müssten voneinander isoliert werden, wurde Kim zitiert. Er habe sich zuversichtlich geäußert, dass die zuständigen Stellen die „Quellen der Verbreitung der bösartigen Epidemie“ auslöschen könnten.
Fette Raketen, aber keine medizinische Infrastruktur für die Bevölkerung: „Es fehlt ja praktisch an allem und es müssen jetzt Strategien entwickelt und umgesetzt werden, für die andere Länder über zwei Jahre Zeit hatten. Es gibt ja nicht einmal Testkapazitäten, die Aufschluss über Infektionszahlen zuließen, geschweige denn eine adäquate Menge an Krankenhausbetten, medizinische Geräten und Medikamenten“, erklärt Taaks.
Die kommunistische Führung hatte die Landesgrenzen wegen der Pandemie schon früh dichtgemacht. Bis zum Donnerstag war Nordkorea eines der wenigen Länder, die keinen einzigen Infektionsfall an die Weltgesundheitsorganisation gemeldet hatten. Im Ausland wurden die Angaben Nordkoreas, coronafrei zu sein, angezweifelt. Vermutlich ist das Virus über das angrenzende China und Schwarzmarkttätigkeiten ins Land gekommen.
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