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Interview zu Nordkorea / Koschyk: Der Raketentest ist eine klare Botschaft
7. April 2017
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Vor dem Hintergrund des jüngsten nordkoreanischen Raketentests am vergangenen Mittwoch und der Gesprächen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping zu Nordkorea führte der anerkannte Korea-Experten und Vorsitzenden der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk MdB, nachfolgendes Interview mit Elmar Schatz, das in der heutigen Ausgabe der Frankenpost erschienen ist.

Kurz vor dem amerikanisch-chinesischen Spitzentreffen zwischen Donald Trump und Xi Jinping hat Kim Jong Un eine Rakete abfeuern lassen; sollte das Signal lauten: Ich bin auch noch da?

Hartmut Koschyk: Der nordkoreanische Raketentest unmittelbar vor den Gesprächen zwischen dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump mit seinem chinesischen Amtskollegen Xi Jinping ist zum einen eine Antwort auf Trumps Androhung, ein einseitiges militärisches amerikanisches Vorgehen gegen Nordkorea nicht auszuschließen. Zum anderen stellt der Raketentest aber auch eine klare Botschaft an die Volksrepublik China und die USA dar, dass das Regime sich nicht von chinesischen-amerikanischen Gesprächen zu Nordkorea beeindrucken lässt, die für Nordkorea nur zielführend wären, wenn Pjöngjang in derartige Gespräche eingebunden ist. Nordkorea will auf Augenhöhe mit den USA eine Vereinbarung aushandeln, die Nordkorea sein Überleben als Regime garantiert. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass bei dem Spitzentreffen der beiden Präsidenten Chinas und der USA jetzt vertieft über das Thema gesprochen wird.

Nordkorea liegt weit weg, betreffen die Spannungen in Nordostasien auch uns? Wie verändern sich gerade die strategischen Gewichte?

Koschyk: Nordkorea liegt nur so lange weit weg von Europa, bis das nordkoreanische Regime über Langstreckenwaffen verfügt. Zum anderen könnte ein einseitiges militärisches amerikanisches Vorgehen, ohne eine Zustimmung der Volksrepublik China, zu schwersten politischen Zerwürfnissen und einer schweren Krise in ganz Ostasien führen. Dies hätte sicherlich gravierende Auswirkungen auf das weltweite Wirtschaft- und Finanzsystem und damit direkt auch auf die Europäische Union und Deutschland. Umso bedeutender ist ein gemeinsames amerikanisch-chinesisches Vorgehen als Schlüssel für eine Entspannung auf der koreanischen Halbinsel und in ganz Nordostasien. Dabei müssen die USA auch den berechtigten chinesischen Sicherheitsinteressen in der Region Rechnung tragen. Auch Russland kann man dabei nicht außen vor lassen, war es doch schon an den sogenannten „Sechs-Parteien-Gesprächen“ beteiligt.

Warum hält China, obwohl verärgert, an Nordkorea fest? Bruderschaft unter Kommunisten spielt doch kaum noch eine Rolle.

Koschyk: Zum einen bewegen die Volksrepublik China geopolitische Interessen. Ein wiedervereintes Korea mit den USA als Verbündeten und womöglich sogar mit amerikanischen stationierten Soldaten in einem vereinten Korea ist für die VR China nicht akzeptabel. Zum anderen könnte ein Abbruch der chinesischen Unterstützung für den kommunistischen Bruderstaat Nordkorea die Führungsrolle der Kommunistischen Partei in der VR China in Frage stellen. Auch fürchtet China die unabsehbaren Folgen eines unkontrollierten Zusammenbruchs Nordkoreas.

Wird Pjöngjang es schaffen, Raketen zu bauen, die auch die US-Pazifikküste treffen können? Was meinen Experten dazu?

Koschyk: Die zurückliegenden Raketen- und Nukleartests haben gezeigt, dass Nordkorea auf diesem Gebiet große technische Fortschritte gemacht hat. Sollte die internationale Staatengemeinschaft Nordkorea nicht dazu bewegen können, sein Nuklearprogramm insgesamt schrittweise einzustellen, ist es nur eine Frage der Zeit, bis Nordkorea über mit Nuklearsprengköpfen bestückte Langstreckenraketen verfügt, die auch die US-Pazifikküste treffen können.

Kim Jong Un rüstet auf, sein Volk aber darbt; wie kann den Menschen geholfen werden?

Koschyk: In den vergangen Jahren haben die internationale Staatengemeinschaft und insbesondere zahlreiche Nichtregierungsorganisationen humanitäre Hilfe in Nordkorea geleistet, gerade in Zeiten, als die Ernte schwach ausgefallen war, Naturkatastrophen das Land heimgesucht haben und Hungersnöte drohten. Die nordkoreanischen Raketen- und Nukleartests und die damit einhergehenden strengen internationalen Sanktionen haben natürlich auch Auswirkungen auf Hilfen seitens der internationalen Staatengemeinschaft und die Arbeit der Nichtregierungsorganisationen, darunter auch Brot für die Welt oder die Welthungerhilfe. Die beste Möglichkeit, den Menschen in Nordkorea zu helfen, ist es, wenn es den Vereinigten Staaten und der Volksrepublik China im engen Schulterschluss gelingt, das nordkoreanische Regime im Hinblick auf sein Nuklearprogramm zum Einlenken zu bewegen und die „Sechs-Parteien-Gespräche“ zur Lösung der Nuklearfrage, aber auch zur Einleitung eines Entspannungsprozesses in der Region, wieder aufgenommen werden. Hierbei ist man früher schon sehr weit gekommen, weil alle, die USA, China, Nord- und Südkorea sowie Japan und Russland an einem Tisch saßen.

Sie waren häufig zu Besuch, in Süd- und Nordkorea, beschreiben Sie die Menschen dort, was macht auf Sie den stärksten Eindruck?

Koschyk: Der Unterschied zwischen Süd- und Nordkorea ist um ein Vielfaches höher als es der Unterschied zwischen der alten Bundesrepublik und der ehemaligen DDR jemals gewesen ist. Südkorea ist heute eine der führenden Wirtschaftsnationen der Welt und übernimmt auch weltweit Verantwortung im Rahmen von UN-Missionen. Dass der frühere UN-Generalsekretär Ban Ki-moon aus Südkorea stammt, belegt eindrucksvoll das hohe Ansehen, das Südkorea in der internationalen Staatengemeinschaft genießt. Nordkorea ist hingegen eine Diktatur, bei der es nicht darum geht, dem Wohl der Menschen zu dienen, sondern den Machterhalt des eigenen Regimes über alles zu stellen. Viele Menschen in Nordkorea haben sich mit dem Regime arrangiert. Oftmals wird es aber aufgrund der andauernden Berieselung durch Propaganda und das Fehlen von Möglichkeiten, sich durch freie Medien zu informieren, nicht infrage gestellt. Nur ein geringer Teil der nordkoreanischen Bevölkerung weiß, wie es außerhalb des Landes bestellt ist.

Zum Artikel in der Frankenpost finden Sie hier.

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