International
Koschyk besucht Deutsche Minderheit in der Ukraine
25. Juni 2015
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Gedankenaustausch mit Vertretern der Deutschen Minderheit aus allen Regionen der Ukraine in Transkarpatien mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Hartmut Koschyk und dem Vorsitzenden des Rates der Deutschen in der Ukraine Wladimir Leysle

Seit Ausbruch des Russland-Ukraine-Konfliktes ist der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, um einen intensiven Kontakt zu den Repräsentanten der Deutschen Minderheiten sowohl in Russland als auch in der Ukraine bemüht. In dem ukrainischen Oblast Transkarpatien ist Koschyk jetzt mit der Verbandsspitze des Rates der Deutschen in der Ukraine (RDU) unter dessen Vorsitzenden Wladimir Leysle und den Vorsitzenden der regionalen Verbände der Deutschen Minderheit aus der gesamten Ukraine zusammengetroffen. Einen Schwerpunkt der Beratungen nahm die Lage der Angehörigen der Deutschen Minderheit in den umkämpften Regionen im Osten der Ukraine ein, deren Vertreter sich besonders für die Intensivierung der humanitären Hilfe aus Deutschland, aber auch für die Förderung von Erholungsmaßnahmen von traumatisierten Personen in befriedeten Regionen der Ukraine bedankten. Auch die administrativen Erleichterungen für ausreisewillige Angehörige der Deutschen Minderheit aus den Kriegsgebieten wurden erörtert.

DSCF3092 Transkarpatien 2

Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB besucht mit Vertretern des Rates der Deutschen in der Ukraine unter dem Vorsitz von Wladimir Leysle und der Regionalvorsitzenden im Oblast Transkarpatien Valeriya Osovska die Begegnungsstätte in Tschinadijewo, wo sich von Kindern bis Senioren Angehörige der Deutschen Minderheit treffen, um die deutsche Sprache zu erlernen und zu pflegen sowie ihre kulturelle Identität zu erhalten

Koschyk wird in den nächsten Tagen verschiedene Kultur-und Begegnungszentren der Deutschen Minderheit in Transkarpatien besuchen, wobei es sich um Nachfahren der sogenannten „Schönborn-Franken“ handelt, die sich zum Teil aus dem Bamberg-Würzburger Raum in dieser Region der Ukraine angesiedelt haben. Auch wird Koschyk mit kirchlichen Vertretern in Transkarpatien zusammentreffen.

Zum Internetauftritt des Rates der Deutschen (RDU) in der Ukraine gelangen Sie hier.

Flagge Transkarpatien

HINTERGRUND:

Die Schönborn-Franken in Transkarpatien / Partnerschaft mit dem Bezirk Oberfranken

Lothar Franz von Schönborn erhielt für seine Verdienste am Hofe Kaiser Karl VI. in Wien ein von Türkenkriegen und Ungarnaufständen verwüstetes Land im damaligen Oberungarn, das es zu besiedeln galt.

Der Kaiser, der den Aufstand des Magyarenfürsten Franz Rakoczy II im Jahr 1711 niederschlug, beschlagnahmte dessen Ländereien rund um die Festung „Palanka“ mit der Stadt Munkatsch (Mukatcheve) und schenkte sie Lothar Franz von Schönborn. Dieser hatte das Regiment Schönborn aus Mainz und das Regiment Wolfskehl aus Würzburg an die ungarische Front beordert und beide Regimenter trugen entscheidend dazu bei, Fürst Franz Rakoczy II zu besiegen, was dem „treuen Gefolgsmann“ Lothar Franz von Schönborn fürstlich durch den Kaiser entlohnt wurde.
1727 erbte Friedrich Karl von Schönborn, Fürstbischof von Würzburg und Bamberg und Reichsvizekanzler von seinem Onkel, dem Mainzer Kurfürst-Erzbischof Lothar Franz, dessen ungarische Besitzungen. Dieser wollte das vom Krieg zerstörte Land wieder kultivieren und warb mit verlockenden Angeboten um Siedler aus dem Frankenland.

Burg Palanok

Burg Palanka in Munkatsch (Mukatcheve) 

Auf Geheiß des Fürstbischofs Friedrich Karl von Schönborn brach im Jahre 1731 der erste Zug von rund 50 oberfränkischen Bauern- und Handwerkerfamilien aus dem Hochstift Bamberg in das heutige Transkarpatien auf, um dort das von Kriegen verwüstete Land des Fürstbischofs aufzubauen.

Ab 1731 zogen dann meist junge Leute aus Franken über Regensburg, Passau, Wien und Budapest in die „Schönbornländereien“. Sie gründeten dort Dörfer mit deutschen Namen wie: Pausching, Schönborn, Plankendorf, Mädchendorf und Sophiendorf. Alte Aufzeichnungen dokumentieren, dass die Menschen friedliche und wohlhabende Leute waren und aus Staffelstein, Lauf, Scheßlitz, Burgwindheim, Schlüsselfeld, Thüngfeld, Forchheim und Weilersbach stammten. Noch heute leben die Nachkommen dieser sog. „Schönborn-Franken“ in Transkarpatien und pflegen die deutsche Sprache und Traditionen ihrer Vorfahren.

Karte 2

Nach dem Ersten Weltkrieg kam die „Karpaten-Ukraine“ zur Tschechoslowakei, nach dem zweiten Weltkrieg zur Sowjetunion und seit 1989 ist die „Oblast Transkarpatien“ eine Verwaltungseinheit der Ukraine. Sie hat rund 1,26 Millionen Einwohner (2014) und umfasst die historische Region Karpatenukraine. Hauptstadt ist Ungwar (Uzhgorod), eine weitere wichtige Stadt ist Munkatsch (Mukatcheve). Im Westen grenzt die Oblast an die Slowakei und Ungarn, im Süden an Rumänien. Im gebirgigen Norden grenzen auf einem Stückchen die polnischen Ostkarpaten (Bieszczady) an, daran schließen dann die Oblaste Lwiw und Iwano-Frankiwsk an. Durch die Oblast verlaufen die wichtigsten Verkehrsverbindungen in Gebirgspässen über die Karpaten von der Ukraine nach Südeuropa. Die dichtbesiedelte „Karpaten-Ukraine“ war lange umstritten zwischen der damaligen Tschechoslowakei, zu der sie zwischen Erstem und Zweitem Weltkrieg gehörte, Ungarn und der Ukraine bzw. der Sowjetunion. Der Großteil der Bevölkerung der „Karpaten-Ukraine“ besteht aus Ruthenen.

Die Oblast wurde offiziell durch einen Ukas am 22. Januar 1946 als Teil der Ukrainischen SSR gegründet und war zunächst in 13 Okrugs eingeteilt, diese wurden 1953 in gleichnamige Rajone umgewandelt. Seit 1991 ist die Oblast ein integraler Bestandteil der heutigen Ukraine.

Karte 1

Um die verloren gegangenen Verbindungen zu den Nachkommen der fränkischen Siedler aus dem 18. Jahrhundert wieder zu beleben und zu festigen gründete die Katholische Landvolkbewegung (KLB) in der Erzdiözese Bamberg bereits in den 90er Jahren einen Arbeitskreis Ukraine, der die Beziehungen zwischen Oberfranken und den „Schönbornfranken“ wieder aufleben ließ. Seitdem finden Begegnungsreisen und eine rege Unterstützung für die Menschen vor Ort statt.

Im Frühjahr des Jahres 2000 traten Vertreter der Katholischen Landvolkbewegung in der Erzdiözese Bamberg schließlich an den damaligen Bezirkstagspräsidenten Edgar Sitzmann heran, um ihn über ihre Verbindungen und Projekte in Transkarpatien in der Ukraine, in Kenntnis zu setzen. Verbunden mit dieser Vorstellung war die Bitte, im Bezirkstag von Oberfranken anzuregen, eine Partnerschaft mit dieser Region einzugehen.

Rathaus und Marktplatz

Rathaus und Marktplatz in Munkatsch (Mukatcheve)

Die aus der Vergangenheit stammenden verbindenden Elemente zwischen den beiden Regionen gaben den Ausschlag für den Bezirkstag von Oberfranken, eine Partnerschaft mit dem Gebietsrat von Transkarpatien einzugehen. Im September 2000 unternahm eine Delegation des Bezirkstages von Oberfranken eine erste Reise in die künftige Partnerregion mit dem Ziel, das Land und die verantwortlichen Personen kennen zu lernen. Die Situation, die sich den Mitgliedern der Delegation stellte, war ernüchternd. Trotz der zahlreichen Hilfsprojekte und Organisationen, die in der Ukraine und damit auch in Transkarpatien tätig waren, war weitere Hilfe dringend geboten. Die Krankenhäuser des Bezirks Oberfranken konnten Hilfe leisteten: Krankenbetten, Bettwäsche, Medikamente und andere medizinische Hilfsgüter wurden mit den Transporten der Johanniter-Unfallhilfe nach Transkarpatien gebracht.

Im September 2001 wurde die Partnerschaftsurkunde zwischen dem Gebietsrat von Transkarpatien und dem Bezirkstag von Oberfranken in Ungwar (Uzhgorod ) unterzeichnet. Die Gegenzeichnung wurde einen Monat später im Bezirksklinikum Obermain, Kutzenberg, vorgenommen. Ein weiterer Schritt war die Gründung eines Vereins „Partnerschaft Transkarpatien -Oberfranken“, der unter dem Vorsitz des jeweiligen Bezirkstagspräsidenten steht. Die Gründungsversammlung fand am 27.11.2003 statt.

Chor

Der Chor „Singende Herzen“ aus Munkatsch (Mukatcheve) bei seinem Besuch im Bezirk Oberfranken im Ausgust 2014

Seit Bestehen der Partnerschaft im Jahr 2001 sind auf den verschiedensten Ebenen – im medizinischen, kulturellen, landwirtschaftlichen und kirchengemeindlichen Bereich – aktive Beziehungen entstanden. Durch Hilfslieferungen an Krankenhäuser, Kinderheime, Schulen und arme Familien wurde oftmals eine akute Notlage etwas entschärft. Landwirtschaftliche Geräte halfen Kleinbauern, auf eigenen Füßen zu stehen, der Aufbau einer Schreinerei konnte ebenfalls unterstützt werden. Familienpartnerschaften, der Austausch und die Kontakte mit dem Deutschen Kulturverein in Munkatsch (Mukatcheve) oder auch die entstandenen Freundschaften zu den Menschen dort sind weitere Meilensteine in der gemeinsamen Partnerschaft.

Zur Internetseite des Bezirks Oberfranken mit weiterführenden Informationen zur Partnerschaft zwischen Transkarpatien und dem Bezirk Oberfranken gelangen Sie hier.

Zur Internetseite der Katholische Landvolkbewegung Bamberg gelangen Sie hier

Weiterführende Informationen können sie der Dissertation von Rudolf Distler „Die vergessenen „Schönbornfranken“ in der Region Mukatschewo/Ukraine – Zur Geschichte und Volkskultur einer deutschsprachigen Minderheit, die an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg abgelegt wurde, entnehmen.

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