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Masterplan für Kulturerbe der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Minderheiten erforderlich
29. April 2018
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Hartmut Koschyk vor dem Reichstagsgebäude in Berlin. Er gehörte dem Deutschen Bundestag von 1990 bis 2017 an und bekleidete wichtige Funktionen in Parlament und Regierung.

In der neuesten Ausgabe der Zeitschrift „Der Westpreuße“ ist unter der Rubrik „Auf ein Wort“ nachfolgender Leitartikel erschienen:

Masterplan für Kulturerbe der Heimatvertriebenen, Aussiedler und Minderheiten erforderlich

Von Hartmut Koschyk

Nach einer extrem lang andauernden Regierungsbildung ist der politische Alltag wieder in Deutschland eingekehrt. Die 4. Große Koalition in Deutschland aus Union und SPD hat es sich zum zentralen Ziel gesetzt, eine neue Dynamik für Deutschland, einen neuen Aufbruch für Europa und einen neuen Zusammenhalt für unser Land zu bewirken.

Dieses Ziel darf nicht nur wirtschaftlich-materiell und technologisch-wissenschaftlich, sondern muss auch geistig-kulturell erfolgen. Auch für die deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedler, für die nationalen Minderheiten in Deutschland sowie für die deutschen Minderheiten in Europa und der ehemaligen Sowjetunion enthält der Koalitionsvertrag wichtige Wegmarken.

Gute Politik für Deutschland und Europa sowie das weitere nachbarschaftliche Umfeld bedürfen aber entsprechender geschichtlicher und kultureller Grundlagen. Hier sind auf der einen Seite ein durch entsprechende Bildungspolitik gefestigtes historisch-kulturelles Bewusstsein unserer Bevölkerung gefragt. Auf der anderen Seite geht es aber auch um Empathie und Sensibilität für unser nachbarschaftliches Umfeld in Europa und darüber hinaus.

Hierzu bedarf es aber vor allem engagierter Bürgerinnen und Bürger, die mit Kenntnis und Verständnis den gesetzten politischen Bilderrahmen zu einem lebendigen Bild ausgestalten. Es geht um eine menschliche Brückenfunktion, die geschichtliche Erfahrungen, kulturelles Selbstverständnis, Mentalitäten, Identitäten sowie Glaubens- und Wertüberzeugungen grenzüberschreitend miteinander verbindet.

Genau diese Rolle kommt den deutschen Heimatvertriebenen und Aussiedlern, den nationalen Minderheiten in Deutschland sowie den deutschen Minderheiten in Europa und der ehemaligen Sowjetunion zu. Nicht zu vergessen hierbei sind die deutschen Gemeinschaften in Nord- und Südamerika, aber auch in anderen Regionen der Welt.

Dieser Teil der deutschen Kulturnation hat sich lange Zeit von der deutschen Politik nicht hinreichend ernst genommen gefühlt. Die damit verbundene politische Agenda stand lange Zeit am Rande und ist erst in der Selbstfindung der deutschen Nation nach der deutschen Einheit stärker in die Mitte der politischen Debatte unseres Landes gerückt.

Dieser Prozess braucht im Sinne der Leitbegriffe des Koalitionsvertrages jetzt „neue Dynamik“ und „neuen Aufbruch“, um „neuen Zusammenhalt“ gerade im geistig-kulturellen Bereich zu stiften. Dafür muss der geschichtliche und kulturelle Blick unseres Landes insgesamt stärker nach Osten gerückt werden. Die Kenntnis über die jahrhundertelange schicksalsträchtige Verwobenheit Deutschlands mit der Mitte, dem Osten und Südosten Europas bis nach Russland und Zentralasien darf nicht nur ein geschichtliches und kulturelles Nischenthema der Heimatvertriebenen und Aussiedler, der nationalen Minderheiten in Deutschland und der deutschen Minderheiten sowie deutschen Gemeinschaften außerhalb Deutschlands bleiben. Hier geht es um ein wichtiges Element deutscher Geschichte und Kultur, ohne dessen dauerhafte Bewahrung und Weiterentwicklung unser historisches und kulturelles Erbe einen wichtigen Substanzverlust erleidet.

Daher wäre es jetzt an der Zeit, dass für die Bundesregierung die Kulturstaatsministerin, die Bildungsministerin und der neue „Heimatminister“ einen Masterplan gemeinsam mit den Betroffenen und mit den deutschen Bundesländern entwickeln, diesen Teil unseres Geschichts- und Kulturerbes wirklich dauerhaft zu sichern und in zeitgemäßen, die junge Generation ansprechenden Formen auch weiter zu entwickeln.

Der Autor Hartmut Koschyk war von 1987 bis 1991 Generalsekretär des Bundes der Vertriebenen, von 1990 bis 2017 Abgeordneter des Deutschen Bundestages und gehörte u.a. als Parl. Staatssekretär im Bundesministerium der Finanzen und Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedler und nationale Minderheiten der Bundesregierung an. Er ist Autor des vor kurzem im EOS-Verlag St. Ottilien erschienenen Buches „Heimat-Identität-Glaube“ und ehrenamtlich Vorsitzender des Stiftungsrates der Stiftung Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland www.stiftung-verbundenheit.de

Den gesamten Artikel können Sie HIER noch einmal als pdf-Datei herunterladen.

 

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Sebastian Machnitzke

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There is 1 comment

  • Ich habe diesen Leitartikel über den Masterplan in der Sudetendeutschen Zeitung „entdeckt“. Mit der Frage, wie man das Kulturerbe rettet, nachdem die Erlebnisgeneration nicht mehr da ist, befasse ich mich, seitdem ich für die deutsche Minderheit arbeite – 1990. Einiges ist klar:
    – wir dürfen uns nicht verzetteln,
    – ohne die Mehrheit, die tschechischen Deutschlehrer, kulturelle und Geschishvereine schaffen wir es heute nicht,
    – es stehen auch die anderen nationalen Minderheiten an unserer Seite,
    – es sind auch die deutschen Firmentöchter einzubinden und
    – es bedeutet auch einen offenen, mehr jedoch versteckten Widerstand auch innerhalb der Minderheit selbst,
    . man muss auch kritisch die bisherige institutionelle Entwicklung der Minderheiten beurteilen.

    Ich gehe davon aus, dass entsprechende Amts- und Ideenträger sich unter sich dazu in Fachgremien treffen und einige Ideen/Projektvorhaben zu diesem Masterplan entwickeln..

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