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Nordkorea / Interview mit Bild-Zeitung zur aktuellen Bedrohungslage
10. März 2016
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Der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Hartmut Koschyk MdB und der Vorsitzende des Präsidiums der nordkoreanischen Obersten Volksversammlung, Kim Yong Nam, 2015 in Pjöngjang

Der UN-Sicherheitsrat hat in der vergangenen Woche einstimmig eine von den USA eingebrachte Resolution für verschärfte Sanktionen gegen Nordkorea verabschiedet. Indes provoziert das nordkoreanische Regime die internationale Staatengemeinschaft weiter, wobei eine Verschärfung des Tons durch Nordkorea nach der Verkündung der bisher schärfsten UN-Sanktionen gegen das Land erwartet wurde. Marc Oliver Rühle führte ein Interview mit dem Vorsitzenden der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Hartmut Koschyk MdB, das auf dem Internetportal der BILD-Zeitung erschienen ist, in dem er auf die aktuelle Bedrohungslage eingeht.

Was bezweckt Kim mit dieser Drohgebärde?

„Kim Jong-un wird mit dieser anhaltenden aggressiven Außenpolitik versuchen, seine eigene Machtposition im Innern zu sichern und scheint dabei die Folgen nicht einzukalkulieren.“
Und weiter: „Kim Jong-un war 2011 mit der Marschrichtung angetreten, den Lebensstandard der Bevölkerung Nordkoreas deutlich zu verbessern – aber das Gegenteil ist der Fall, denn Nordkorea bewegt sich unaufhaltsam in die wirtschaftliche Isolation.“

Fakt ist: „Nordkorea sind alle früheren Partner, die ’sogenannten Schurkenstaaten‘, weggebrochen: Der Iran, Irak Pakistan, Kuba, Libyen und Syrien – es gibt einfach keine Verbündeten mehr!“

Aber kann Nordkorea in völliger Isolation überhaupt noch überleben?

„Kim Jong-un muss nun ein außenpolitisches Chaos verantworten, denn natürlich musste sich Nordkorea der harschen Reaktionen der Staatengemeinschaft bewusst sein. Doch das abgeschottete Land war schon vor der Eskalation auf niedrigstem Niveau. Die nordkoreanische Industrie ist stark auf China angewiesen – nun wird sie aufgrund der Sanktionen den Anschluss weiter verlieren.“

Fakt ist: „Nordkorea hat jedes Entwicklungspotential, diplomatisch wie ökonomisch, zurückgeworfen“, sagt Koschyk.

„Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua nannte bereits kurz nach dem Atomtest diesen als einen ‚Schlag‘ gegen den Prozess hin zu einer atomwaffenfreien koreanischen Halbinsel und erklärte, dass nur ein Dialog das Misstrauen beseitigen könne und die seit 2009 eingefrorenen Sechs-Parteien-Gespräche mit Nordkorea, Südkorea, den USA, China, Japan, Russland ‚der einzig aussichtsreiche Weg aus dem regionalen Morast‘ seien.“

Was bedeuten die neuen Strafmaßnahmen gegen die Kim-Diktatur?

„Das neben Russland auch China den bislang schärfsten Sanktionen gegen Nordkorea im UN-Sicherheitsrat zugestimmt hat, ist ein Indiz, dass selbst Peking Nordkoreas aggressiven Kurs nicht länger duldet.“

Und weiter: „Präsident Barack Obama erklärte zurecht, dass die neue Resolution eine ‚entschlossene, gemeinsame und angemessene‘ Antwort sei. Die Staatengemeinschaft habe Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un ‚mit einer Stimme‘ eine ‚einfache Botschaft‘ übermittelt: Das Land müsse ‚seine gefährlichen Programme aufgeben und einen besseren Weg für seine Bevölkerung wählen‘, sagte Barak Obama.“

„Zum ersten Mal in der Geschichte der Vereinten Nationen sind nun alle Mitglieder verpflichtet, alle für Nordkorea bestimmten oder aus Nordkorea kommenden Waren zu inspizieren. Alle Schiffe mit womöglich illegalen Lieferungen müssen in die Häfen beordert werden. Zudem wird der Verkauf leichter Waffen an Nordkorea verboten.“

Das heißt konkret: Die Exportbeschränkungen für Nordkorea werden drastisch verschärft – mit dem Ziel, dem Land die Finanzierung seiner Atom- und Raketenprogramme weiter zu erschweren. Weder Kohle noch Eisen, Eisenerz, Gold, Titanium oder seltene Erden dürfen dem Land noch abgekauft werden. Treibstoff für Flugzeuge oder für Raketen darf nicht mehr geliefert werden. Zudem werden die Konten von 16 Personen und zwölf Unternehmen eingefroren“, sagt Koschyk.

Welche Reaktionen entnehmen Sie aus dem Umfeld des direkt bedrohten Südkoreas?

„Südkorea begrüßte die Verschärfung der Sanktionen. Dies unterstreiche den festen Willen der internationalen Gemeinschaft, Nordkoreas Atomtests und Raketenstarts nicht länger zu tolerieren, hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums in Seoul. So soll die internationale Zusammenarbeit weiter gestärkt werden, so dass Nordkorea sein Atomprogramm auf vollständige, nachprüfbare und unumkehrbare Weise aufgibt.“

Und weiter: „Südkorea fährt nun zusammen mit den USA eine harte Linie. Nordkorea hat durch seine Provokationen erreicht, dass jetzt die größten gemeinsamen Militärmanöver stattfinden, welche beide Staaten je zusammen durchgeführt haben“, sagt Koschyk.

„Nach Angaben aus Südkorea sollen etwa vier Mal so viele US-Soldaten zu einem Manöver in das Land entsendet werden wie zunächst vorgesehen.“

„Niemand hat mit einem derartigen Paukenschlag Nordkoreas gerechnet, weder wir hier noch Südkorea, die völlig geschockt sind – Kim Jong-un hat alle kalt erwischt.“

Müssen wir damit rechnen, dass Kim Jong-un eine Atombombe zündet?

„Er haut jetzt auf die Pauke und spielt mit den Muskeln, dazu gehört auch, dass die Aktivitäten von Aufbereitungslagern hochgefahren werden, doch laut Experten bleibt die Trägertechnik möglicher Sprengköpfe ein zu verhinderndes Problem.“

Und weiter: „Nach der Zustimmung Chinas zu den schärfsten Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat gegen Nordkorea verhängt hat, sollten die USA die Regierung in Peking nunmehr dabei unterstützen, im Schulterschluss mit Russland, Japan und Südkorea die Sechs-Parteien-Gespräche wieder zu beleben. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den USA und der VR China könnte hierfür die notwendigen Voraussetzungen schaffen.“

„Die Bedrohungslage ist absolut ernst zu nehmen, aber ein derartiges, martialisches Schreckensszenario wird es dank der Sanktionen nicht geben können“

Zum Artikel auf Bild-Online gelangen Sie hier.

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