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Nordkorea / Koschyk im Interview mit Internationaler Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM)
13. Mai 2016
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Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) führte nachfolgendes Interview mit dem Vorsitzenden der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Bundesbeauftragten Hartmut Koschyk MdB, zu Nordkorea, das auf dem Internetportal der IGFM erschienen ist.

Sie waren mehrfach in Nordkorea. Konnten Sie den Menschen direkt begegnen?

Bei Besuchen in Nordkorea werde ich natürlich immer von Funktionären des nordkoreanischen Regimes begleitet und im Vorfeld der Besuche wird auch stets ein festes Reiseprogramm mit der nordkoreanischen Seite abgestimmt. Insofern ist ein wirklich offenes Gespräch mit Menschen, denen ich begegne, meist nicht möglich.

Auch sind nur Besuche der unter strikter staatlicher Kontrolle stehenden Kirchengemeinden möglich. Allerdings gibt es rund 30.000 nordkoreanische Flüchtlinge in Südkorea, darunter zahlreiche Christen, die in Nordkorea verfolgt wurden. Bei meinen regelmäßigen Gesprächen mit nordkoreanischen Flüchtlingen in Südkorea versuche ich mir aus erster Hand ein Bild über Repressalien und Verfolgung von Christen in Nordkorea zu machen. Auch führe ich in Südkorea in allen Fällen auch Gespräche mit Vertretern der beiden christlichen Kirchen, um mich über deren Einschätzung der Lage der Christen in Nordkorea zu informieren.

Hat sich in diesem Staat zwischen Ihren Besuchen etwas verändert?

Wenn man von einer zu erkennenden leichten wirtschaftlichen Entwicklung einmal absieht, hat sich in Nordkorea in den vergangenen Jahren wenig bewegt. Der Machtanspruch von Kim Jong-un und des ihn tragenden Regimes wird nicht in Frage gestellt, Regimekritiker werden unverändert verfolgt und Religionsfreiheit und Menschenrechte weiterhin missachtet. In all den Jahren, in denen ich mich nun mit der Situation auf der koreanischen Halbinsel beschäftige, muss ich zudem leider feststellen, dass nach Phasen einer Annäherung und der Öffnung in allen Fällen auch wieder eine Phase der Verhärtung eingetreten ist. Grund hierfür ist, dass es innerhalb der nordkoreanischen Führung Strömungen gibt, die eine Annäherung und eine Öffnung des Landes befürworten bzw. kategorisch ablehnen.

Es gab Anlass zur Hoffnung, dass es den beiden koreanischen Staaten im Sommer vergangenen Jahres gelungen ist, in einer Phase der Eskalation zu einer Vereinbarung zu kommen, die ich sehr bemerkenswert empfand: Eine Quasi-Entschuldigung Nordkoreas für die im Grenzgebiet verlegten Minen einerseits und andererseits die Bereitschaft Südkoreas auf die Beschallung durch Lautsprecher an der innerkoreanischen Grenze zu verzichten. Auch wurde die Wiederaufnahme des Dialogs und erneute Treffen getrennter Familien vereinbart. Alle führenden Persönlichkeiten, alle Machtzentren Nordkoreas, Kim Jong-un, das Militär, aber auch die Partei haben diese Vereinbarung mit Südkorea begrüßt. Es sah danach aus, dass wieder etwas Bewegung in die verhärteten Fronten kommt. Leider hat der nordkoreanische Nukleartest und die darauf folgenden Raketenstarts seit Jahresbeginn die positiven Entwicklungen des vergangenen Jahres zunichte gemacht.

Sehen Sie Chancen auf Öffnung des Landes bezüglich der Religionsfreiheit und der Menschenrechte im Allgemeinen?

Auch unter dem Machthaber Kim Jong-un hat sich die Situation nicht geändert. Die Menschenrechtslage in Nordkorea bleibt unverändert besorgniserregend, umso mehr, da nach den verhängten UN-Resolutionen Nordkorea jeglichen Menschenrechtsdialog abgebrochen hat.

Momentan sind drei westliche Gefangene in Nordkorea bekannt. Einer davon ist der koreanisch-stämmige Pastor Hyeon Soo Lim. Gab es bei Ihren Besuchen Gelegenheit, das Schicksal dieser Gefangenen zu thematisieren?

Ich habe bei meinen zahlreichen Reisen nach Nordkorea meinen nordkoreanischen Gesprächspartnern immer verdeutlicht, dass der Ausbau von bilateralen Beziehungen untrennbar mit der Wahrung der Menschenrechte und dem Recht auf freie Religionsausübung verbunden ist. Dies schließt alle Menschen in Nordkorea ein, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden, darunter auch den koreanischstämmigen Pastor Hyeon Soo Lim.

Im Jahr 2001 wurden auf Bitten der Republik Korea zur Unterstützung der „Sonnenscheinpolitik“ des damaligen Präsidenten der Republik Korea und späteren Friedensnobelpreisträgers, Kim Dae-jung, offizielle Beziehungen zwischen Deutschland und der Demokratischen Volksrepublik Korea aufgenommen. Nach der dabei getroffenen Vereinbarung sollen die diplomatischen Beziehungen zur Sicherung der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen, zu Fortschritten im innerkoreanischen Dialog sowie zur Verbesserung der Menschenrechtslage in Nordkorea beitragen. So haben sich die Regierung der Bundesrepublik Deutschland und die Regierung der Demokratischen Volksrepublik Korea anlässlich des Notenwechsels vom 1. März 2001 zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Staaten in Artikel 6 darauf verständigt: „Beide Seiten wollen einen Dialog über die Menschenrechtsfrage führen“. Besagter Notenwechsel ist Grundlage für alle Gespräche der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe, der ich als Vorsitzender vorstehe, und des Ausschusses für Menschenrechte des Deutschen Bundestages mit der nordkoreanischen Seite.

Die VR China gilt noch immer als der „Große Bruder“ oder zumindest Beschützer Nordkoreas. Wie bewerten Sie diesen Einfluss?

Erkennbar geht die Volksrepublik China zunehmend auf Distanz zu Nordkorea, gerade auch aufgrund der Tatsache, dass der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un zunehmend unberechenbare Entscheidungen trifft, die auf eine strikte Ablehnung der chinesischen Seite stoßen.

Der Nukleartest war ein Schlag ins Gesicht für die chinesische Seite und die Tatsache, dass neben Russland auch China den bislang schärfsten Sanktionen gegen Nordkorea im UN-Sicherheitsrat zugestimmt hat, ist ein Indiz, dass selbst Peking Nordkoreas aggressiven Kurs nicht länger duldet. Der bisherige Hauptverbündete, die VR China, verweigert erkennbar immer mehr seine Rückendeckung, beteiligt sich aus globalstrategischen Überlegungen an den internationalen Sanktionen und stoppte Anfang März erstmals Rohstoffexporte an seiner Grenze zu Nordkorea.

Nach der Zustimmung der Volksrepublik China zu den schärfsten Sanktionen, die der UN-Sicherheitsrat gegen Nordkorea verhängt hat, sollten die USA die Regierung in Peking nunmehr dabei unterstützen, im Schulterschluss mit Russland, Japan und Südkorea die Sechs-Parteien-Gespräche wiederzubeleben. Nur eine enge Zusammenarbeit zwischen den USA und der VR China könnte hierfür die notwendigen Voraussetzungen schaffen.

Während Ihrer Reisen haben Sie auch mehrfach Gottesdienste in den staatlich überwachten Kirchen besucht. Können Sie Ihre Eindrücke in einem solchen Gottesdienst beschreiben?

Selbst wenn die Arbeit der Kirchen in Nordkorea stark reglementiert ist, darf man dennoch nicht die spirituelle Kraft der Kirchen unterschätzen. Bei meinen Besuchen in Pjöngjang habe ich stets auch die unter strikter staatlicher Kontrolle stehenden christlichen Gemeinden (zwei evangelische Gemeinden und eine katholische Gemeinde) besucht. Zuletzt besuchte die Delegation der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe am 25. Oktober 2015 in Pjöngjang einen Gottesdienst in der katholischen Jangchung-Kirche und in der evangelischen Pongsu-Kirche. Bedenkt man, dass bei Gesprächen mit Gemeindemitgliedern immer auch Personen anwesend sind, die hierüber die staatlichen Stellen genauestens informieren, sind offene Gespräche aus Angst vor Repressalien kaum vorstellbar.

Der Gottesdienst in der katholischen Jangchung-Kirche war wie der evangelische Gottesdienst in der Pongsu-Kirche geprägt von innerkoreanischen Begegnungen. An dem katholischen Gottesdienst in der Jangchung-Kirche haben seit sieben Jahren erstmals wieder zwölf katholische Priester aus Südkorea teilgenommen, um gemeinsam den Gottesdienst zu feiern. Am evangelischen Gottesdienst in der Pongsu-Kirche nahmen Mitglieder des Ökumenischen Forums des Weltkirchenrates für Frieden, Wiedervereinigung und Entwicklungszusammenarbeit auf der koreanischen Halbinsel teil.

Die Teilnahme der südkoreanischen Priester am Gottesdienst in der katholischen Jangchung-Kirche und die Teilnahme der Mitglieder des Ökumenischen Forums des Weltkirchenrates für Frieden, Wiedervereinigung und Entwicklungszusammenarbeit auf der koreanischen Halbinsel, darunter auch Vertreter der Evangelischen Kirchen Nord- und Südkoreas sowie der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) am Gottesdienst in der evangelischen Pongsu-Kirche verdeutlichten eindrucksvoll, welch nachhaltige Impulse für eine innerkoreanische Annäherung von den beiden christlichen Kirchen auszugehen vermögen.

Gleichzeitig boten beide Gottesdienste der nordkoreanischen Führung aber selbstverständlich auch eine willkommene Möglichkeit öffentlichkeitswirksam eine Christenverfolgung in Nordkorea in Frage zu stellen und zu zeigen, dass man auch bereit ist, in einen Menschenrechtsdialog einzutreten.

Am Gottesdienst in der evangelischen Pongsu-Kirche nahmen übrigens auch der internationale Direktor des Weltkirchenrates, Peter Prove, der Generalsekretär des Kirchenrats der Evangelischen Kirchen Südkoreas, Kim Young-Ju, der ehemalige Sonderbotschafter für Menschenrechtsfragen in Nordkorea der südkoreanischen Regierung unter Präsident Kim Dae-Jung, Prof. Park Kyung-Seo, der ehemalige südkoreanische Ministerpräsident Goh Kun sowie der Geschäftsführer der Deutschen Ostasienmission und Ostasienreferent des Evangelischen Missionswerks in Deutschland, Lutz Drescher, der die EKD in genanntem Ökumenischen Forum vertritt, teil.

Ist der Status traditioneller Religionsgemeinschaften mit dem der Christen vergleichbar, oder steht für die Buddhisten und Anhänger des Konfuzianismus ein größerer Spielraum zur Verfügung, wie wir etwa in Laos beobachten, wo dem Buddhismus eine Sonderstellung eingeräumt wurde?

Christen und andere Religionsgemeinschaften gelten in Nordkorea als gefährliche politische Feinde, insbesondere auch weil sie die gottgleiche Verehrung von Staatsgründer Kim Il Sung sowie dessen 2011 verstorbenem Sohn Kim Jong Il ablehnen. Ihren Glauben können die Christen in Nordkorea nur heimlich leben.

Verfügt die russisch-orthodoxe Kirche über bessere Bedingungen?

Die russisch-orthodoxe Kirche unterliegt der gleichen strengen Reglementierung durch die staatlichen Stellen und ist wie die anderen christlichen Kirchen Repressalien ausgesetzt. Aufgrund der Tatsache, dass weniger Menschen der russisch-orthodoxen Kirche angehören, wird sie allerdings vom nordkoreanischen Regime wohl weniger als Bedrohung angesehen.

Ist der Personenkult um Kim Jong-un und seiner Dynastie noch allgegenwärtig?

Der Personenkult um Kim Jong-un und seiner Dynastie ist für die Legitimation des Regimes von entscheidender Bedeutung. Obwohl der Personenkult in den nordkoreanischen Medien und der Gesellschaft allgegenwärtig scheint, bin ich dennoch der festen Überzeugung, dass wie zu Zeiten des Stalinismus in der Sowjetunion es auch in Nordkorea nicht gelungen ist, eine kritische Reflektion über Kim Jong-un und das ihn tragende Regime auszulöschen. Dies umso mehr in der jetzigen Situation, da Kim Jong-un 2011 mit der Marschrichtung angetreten war, den Lebensstandard der Bevölkerung Nordkoreas deutlich zu verbessern – aber das Gegenteil ist der Fall, denn Nordkorea bewegt sich unaufhaltsam in die wirtschaftliche Isolation.

Was empfehlen Sie einer Privatperson, die sich für Religionsfreiheit und Menschenrechte in Nordkorea einsetzen möchte?

Es ist von größter Bedeutung, dass die Missachtung der Religionsfreiheit und der Menschenrechte in Nordkorea im Blickfeld der öffentlichen Wahrnehmung bleibt. Hierzu tragen nachhaltig auch unzählige Nichtregierungsorganisationen, bei denen sich Privatpersonen engagieren können, weltweit bei.

Sehr geehrter Herr Koschyk, wir danken für das Gespräch.

Zum Interview auf der Internetseite der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) gelangen Sie hier.

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