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Brauchen wir in der Europäischen Union gemeinsame Regeln bei der Asylpolitik? Hartmut Koschyk sagt ein klares „Nein“!
22. Oktober 2009
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EuropaflaggeIn den 27 EU-Staaten sollen nach dem Willen der Brüsseler Kommission künftig gemeinsame Regeln für Asylverfahren gelten. Die Behörde möchte mit den nun vorgelegten Vorschlägen zudem erreichen, dass Flüchtlingen überall in der EU nach gleichen Normen Schutz gewährt wird. EU-Innenkommissar Jacques Barrot sagte, mit den Plänen seien die letzten

Grundlagen für das gemeinsame europäische Asylsystem geschaffen.

Zu den Kommissionsvorschlägen gehört, dass künftig binnen sechs Monaten erstinstanzlich über Asylanträge entschieden werden soll. Garantien für die Antragsteller während der Verfahren sollen verstärkt werden, besonders etwa für Folteropfer und Minderjährige. Gegen die Asylentscheidungen sollen Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung eingelegt werden können; die Berufungsverfahren sollten vor Gerichten stattfinden. Eine gemeinsame Liste sicherer Herkunftsstaaten sieht der Vorschlag nicht vor.

Mit Blick auf den Flüchtlingsschutz will die EU-Kommission gemeinsame Schutzgründe definieren. Damit sollten künftig in der EU einheitliche Kriterien dafür bestehen, wer als Flüchtling anerkannt wird. Auch möchte die Kommission Unterschiede zwischen Flüchtlingen und anderen schutzbedürftigen Personen beseitigen. Zu der zweiten Gruppe gehören Menschen, die zwar nicht die Kriterien für Flüchtlinge erfüllen, aber dennoch etwa wegen drohender Folter nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können.

Die Integration von Flüchtlingen will die Kommission erleichtern. Da häufig Belege zu Qualifikationen schlecht beizubringen seien, solle die Anerkennung von Befähigungsnachweisen erleichtert werden.

Aus meiner Sicht müssen die EU-Mitgliedstaaten auch künftig die Zuständigkeit behalten, über Zuwanderung in nationaler Verantwortung entscheiden zu können. Die Bestrebungen der EU, das Asylrecht EU-weit einheitlich zu regeln, würden zu einer Aufweichung des deutschen Asylkompromisses von 1993 führen. Ich lehne diese Bestrebungen deshalb ab und kann die Tendenz der Europäischen Kommission, immer detailliertere und möglichst einheitliche materielle Regelungen zum Asylrecht auf europäischer Ebene vorzugeben, nicht billigen. Auf EU-Ebene sollte nur das geregelt werden, was zu einer besseren und einheitlicheren Anwendung des europäischen Asylrechts beiträgt.

Ebenso erteile ich den von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen Zugang von Asylbewerbern zum nationalen Arbeitsmarkt bereits nach sechs Monaten eine entschiedene Absage. Nach deutschem Recht kann ein Asylbewerber frühestens nach einem Jahr eine Beschäftigung aufnehmen. Bisher gehörte es immer zur Geschäftsgrundlage der europäischen Integration, dass die Regelung des Zugangs zum Arbeitsmarkt Sache der Mitgliedstaaten und nicht der EU sein soll!

Auch kann ich die von der Kommission angestrebte Angleichung von Sozialleistungen für Asylbewerber mit den Sozialleistungen für eigene Staatsangehörige keinesfalls gut heißen. Hierfür hat die EU keine Kompetenz.

Generell wäre es deutlich besser, wenn die EU-Kommission die schon bestehenden EU-Rechtsrahmen zum Asylrecht überprüfen würde, bevor sie weitere und detailliertere Gesetzentwürfe mit neuen Regelungsvorschlägen – etwa zum Rechtsschutz im Asylverfahren – vorlegt. Im Vordergrund sollte nach meiner Ansicht die Verbesserung der praktischen Zusammenarbeit der Asylbehörden der EU-Mitgliedstaaten stehen, statt eine immer tiefergehende Angleichung der nationalen Vorschriften des Asylrechts.

Der Grund dafür, dass Deutschland nicht über ein institutionalisiertes Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen aus Drittländern verfügt, liegt darin, dass wir keine Vorab-Festlegung getroffen haben, jährlich einer bestimmten Anzahl von Personen eine humanitäre Aufnahme zu ermöglichen. Eine solche Aufnahme erfolgt in unserem Land – wie auch in der Mehrzahl der anderen EU-Mitgliedstaaten – auf Basis der Prüfung von Einzelfällen bzw. zugunsten von Personengruppen, die besonders schutzbedürftig sind. In diesem Zusammenhang ist auf die gute deutsche Tradition umfangreicher humanitärer Aufnahmen zugunsten schutzbedürftiger Personen aus Krisenregionen hinzuweisen, wie etwa die Aufnahme von ca. 30.000 vietnamesischen Bootsflüchtlingen in den 70er Jahren, der Aufenthalt von hunderttausenden kroatischen und bosnischen Kriegsflüchtlingen in den 90iger Jahren oder aber die gegenwärtige Aufnahme von 2.500 irakischen Flüchtlingen aus Syrien und Jordanien.

Über die Vorschläge der EU-Kommission müssen jetzt das Europaparlament und die EU-Staaten im Ministerrat entscheiden. Meine kritische Haltung zu diesen EU-Planungen wird auch von den Innenpolitikern der CSU im Deutschen Bundestag und im Europäischen Parlament geteilt.

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