Für Deutschland
Grußwort des Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB anlässlich des Empfangs zu den Wittenberger Ungarntagen im Rahmen des Reformationsjubiläums am Samstag, den 26. August 2017 in der Lutherstadt Wittenberg
28. August 2017
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Ich durfte die Bundesregierung beim Empfang der Ungarischen Regierung zum Abschluss der Ungarischen Tage in Wittenberg vertreten und freute mich über die Begegnung mit dem Landeskurator der Evangelisch-Lutherischen Kirche Ungarns Gregely Pröhle, dem ungarischen Justizminister László Trócsányi, Justizministerin Anne-Marie Keding aus Sachsen-Anhalt, dem EKD-Ratsvorsitzende Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm und Wittenbergs Bürgermeister Jochen Kirchner

Auf Einladung des ungarischen Ministers für Humanressourcen Zoltán Balog hat der Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, am Samstag, den 26. August 2017 am Abendempfang des Staates Ungarn an den „Wittenberger Ungarntagen“ teilgenommen.

Auf Initiative der reformierten und lutherischen Kirchenleitung beschloss die Regierung Ungarns, die Gedenkkommission Reformation ins Leben zu rufen. Nach dem Grundsatz der Kommission erinnert Ungarn nicht nur daran, dass mit der Reformation vor 500 Jahren, Tradition und Erneuerung nebeneinanderstehen.

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Das Luther-Denkmal vor dem Alten Rathaus in Wittenberg

Die Wittenberger Ungarntage fanden vom 24. August bis zum 27. August 2017 in der Lutherstadt Wittenberg statt (Informationen zum Programm finden Sie hier.)

Im 16. Jahrhundert kamen viele Studenten aus Ungarn nach Wittenberg, um bei Luther und Melanchthon zu studieren und die reformatorische Lehre mit in ihre Heimat zu nehmen.

Bundesbeauftragter Koschyk hat für die Bundesregierung nachfolgendes Grußwort gesprochen:

Es ist für mich eine besondere Freude, heute anlässlich der Ungarischen Tage in der Lutherstadt Wittenberg als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten den Bundesminister des Innern, Herrn Dr. Thomas de Maizière vertreten und ein Grußwort sprechen zu dürfen.

Herr Dr. de Maizière hat mich gebeten, Ihnen seine herzlichen Grüße zu überbringen.

Deutschland und Ungarn verbinden traditionell gute und enge Beziehungen. Vielen ist allerdings nicht bewusst, dass auch die Reformation Martin Luthers, dessen 500jähirges Jubiläum wir dieses Jahr begehen, hierfür eine wesentliche Grundlage ist. Deshalb möchte ich der ungarischen Regierung und der evangelisch-lutherischen Kirche in Ungarn sowie der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt ganz herzlich dafür danken, dass wir heute das Gedenken an Ausgang und Wirkung der Reformation gemeinsam begehen können.

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Bereits im Tagungsprogramm für die „Wittenberger Ungarntage“ weisen Sie überzeugend darauf hin, dass die Beziehungen zwischen unseren beiden Ländern und speziell zwischen Ungarn und Wittenberg durch das Band der Reformation bis in die Gegenwart zusammen gehalten werden. Oder, um aus dem Tagungsprogramm zu zitieren, „Wittenberg und Ungarn: das war im 16. Jahrhundert ein besonders enges „Paar“.“ Damals kamen viele Studenten aus Ungarn nach Wittenberg, um bei Luther und Melanchthon zu studieren und die reformatorische Lehre mit in ihre Heimat zu nehmen. Mit der Anbringung einer Gedenktafel im Innenhof der altehrwürdigen Wittenberger Universität Leucorea haben Sie heute an bedeutende Namen erinnert: Matthias Dévai Bìró, dem von der Nachwelt der Ehrenname „Martin Luther von Ungarn“ verliehen wurde und dessen Abbild noch heute in einem der Glasfenster der Wittenberger Schlosskirche zu sehen ist, Johannes Sylvester, der zum ersten Mal das Neue Testament ins Ungarische übersetzt und Leonhard Stöckel, der Pädagoge und Dramatiker, der das ungarische evangelische Glaubensbekenntnis ausgearbeitet hat. Die Reformatoren aus dem Königreich Ungarn haben Bedeutendes geleistet; zu Recht wird ihr Wirken im Jahr des Reformationsjubiläums besonders gewürdigt. 

Die Reformation hat neben ihrer großen kirchlichen Bedeutung die gesamte damals bekannte Welt verändert. Sie entfaltet bis heute in Gesellschaft, Kultur, Wirtschaft und anderen Bereichen vielfache Wirkung, nicht nur in Deutschland, auch in Europa, aber auch darüber hinaus. Unsere Verfassungs- und Gesellschaftsordnung ist nicht zuletzt von der Reformation entscheidend beeinflusst worden. Martin Luther berief sich auf dem Reichstag zu Worms in bisher nicht bekannter Deutlichkeit auf die Freiheit des Gewissens. Die Anerkennung der Glaubens- und Gewissensfreiheit in den Verfassungen der Neuzeit geht damit auch auf die Reformation und das mutige Bekenntnis Luthers zurück. Die Entstehung eines modernen Menschenbildes mit der eigenen Würde und Verantwortung des Individuums hat hier eine seiner Wurzeln. Darauf berief sich später die Aufklärung.

Der Austausch von Werten, Ideen und Gedanken zwischen Deutschland und Ungarn war alles andere als eine Einbahnstraße. 1956 brach sich der Freiheitswille der Ungarn zum ersten Mal Bahn gegen die kommunistische Diktatur und konnte nur mit brutaler Gewalt von außen niedergeschlagen werden; viele Ungarn fanden in der Folge Zuflucht in der Bundesrepublik Deutschland und wirkten hier als Anwälte des freien Ungarn und als Brückenbauer zwischen beiden Ländern. Schon zu sozialistischen Zeiten gab es Ungarn gewisse Freiheiten, die nicht zuletzt die in der damaligen DDR lebenden Deutschen gleichsam als „geistige Kuraufenthalte“ nutzten. Es war Ungarn, das mit dem Abbau des menschenverachtenden Grenzsicherungssystems begann und nicht zuletzt fand im ungarischen Ödenburg / Sopron am 19. August 1989 das historische Paneuropa-Picknick statt, das rund 600 DDR-Bürgern die Freiheit brachte und entscheidend den Weg zum Mauerfall in Berlin und zur Wiedervereinigung Deutschlands ebnete.

Es wird für uns Deutsche stets unvergessen bleiben, welche bedeutende Rolle Ungarn für die Überwindung der Teilung Europas und damit zur Wiedervereinigung Deutschlands gespielt hat. Deutschland wird sich daran immer mit großer Dankbarkeit erinnern.

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Von dem Kampf der Ungarn für die Freiheit hat auch die deutsche Minderheit in Ungarn entsprechend profitiert. Die Minderheitenpolitik Ungarns ist in vielen Bereichen beispielgebend. Über eine bloße Toleranz hinaus schreibt die ungarische Verfassung den Minderheiten die Rolle von „staatsbildenden Akteuren“ zu, sie sind also zur Mitwirkung in Staat und Gesellschaft ausdrücklich eingeladen. Von den Erfolgen dieser Politik für die deutsche Minderheit, die durch die „Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen“ hervorragend organisiert ist und weite Bereiche ihre eigenen Angelegenheiten selbstständig regeln kann und auch an der positiven Entwicklung des ungarndeutschen Schulwesens wesentlichen Anteil hat, konnte ich mich bei mehreren Reisen ins Land persönlich überzeugen.

In diesem Jahr feiern wir das 25. Jubiläum der Unterzeichnung des Vertrages über die freundschaftliche Zusammenarbeit und Partnerschaft in Europa zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Ungarn. Dieser Vertrag wurde am 6. Februar 1992 unterzeichnet und ist die Basis für die Zusammenarbeit unserer beiden Länder in Minderheitenfragen. Mit dem zuständigen Minister Zoltán Balog und seinen Mitarbeitern im Ministerium für Humanressourcen verbindet mich seit meinem Amtsantritt als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Jahr 2014 eine enge und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Die Bundesregierung hat sich von jeher bemüht, den in den Herkunftsländern verbliebenen Deutschen zu helfen, aber erst mit dem Fall des Eisernen Vorhangs gab es die Chance, sich erfolgreich mit den Regierungen der Herkunftsländer um Dialog, Verständigung und Versöhnung zu bemühen.

Vor dem Hintergrund der schwerwiegenden Verantwortung Deutschlands für das Schicksal, das die deutschen Minderheiten in den osteuropäischen Staaten in unmittelbarer Folge des 2. Weltkrieges erlitten haben, ist es der Bundesregierung bis heute ein wichtiges Anliegen, diese Menschen bei der Bewältigung ihres besonderen Kriegsfolgenschicksals zu unterstützen. Dies gilt insbesondere für diejenigen, die durch Vertreibung und Verbannung, Unterdrückung und Repression besonders betroffen waren. Sie wurden der Ausübung ihrer traditionellen Sitten und Bräuche sowie ihrer Berufs- und Bildungschancen beraubt und daran gehindert, unbeeinflusst von staatlichen Benachteiligungen und Zwängen sich in Eigeninitiative eine gesicherte Existenz aufzubauen.
Die Bindung an die deutsche Sprache und die dauerhafte Sicherung ihrer kulturellen Identität sind dabei für die Angehörigen der deutschen Minderheit von essentieller Bedeutung.

In dem künftig immer enger zusammenrückenden Europa spielen die rund 185.000 Angehörigen der deutschen Minderheit in Ungarn eine wichtige Rolle, indem sie ein bedeutsames Bindeglied zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Ungarn sind und bleiben. Hierbei helfen die Kenntnisse von Sprache und Kultur beider Länder, zumal diese Fähigkeiten sie zu natürlichen Mittler und Brückenbauern machen.

Das Bundesministerium des Innern fördert die deutsche Minderheit in Ungarn zusammen mit dem Auswärtigen Amt und der ungarischen Regierung in vielfältiger Weise und in enger Abstimmung der verschiedenen Projektmaßnahmen. Als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten durfte ich in den vergangenen vier Jahren diesen Prozess maßgeblich begleiten und mitgestalten.

Die deutsche Minderheit in Ungarn und diejenigen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus Ungarn vertrieben und ausgebürgert wurden, sind Teil der ungarischen und deutschen Geschichte. Die deutsche Minderheit in Ungarn ist heute zugleich ein wichtiger und anerkannter Teil des ungarischen Staatsvolks. Daran hat nicht zuletzt auch die Reformation Martin Luthers vor 500 Jahren einen bedeutenden Anteil.

Ich darf mich nochmals herzlich bei den Initiatoren und Organisatoren der heutigen Veranstaltung bedanken und Ihnen allen einen Abend mit interessanten und bereichernden Informationen wünschen.

Zum Grußwort als pdf-Datei gelangen Sie hier.

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