„Wiederholt sich Geschichte?“ Mit dieser Frage wandten sich Werner Sonne, ehemaliger Leiter des ARD-Studios in Washington und Warschau, und Thomas Kreutzmann, früherer Korrespondent der ARD in Prag, mit ihrem neuen Buch „Schuld und Leid. Das deutsche Trauma von Flucht und Vertreibung“ an die Leserschaft in Polen und Tschechien. In Zeiten des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine scheinen die Themen „Flucht“ und „Vertreibung“ in Europa wieder an Aktualität zu gewinnen und die Auseinandersetzung mit ihnen nötiger denn je. Das neue Buch zeigt diese Zusammenhänge, aber auch Unterschiede zwischen der aktuellen Situation und der in Deutschland im Jahr 1945.
Gemeinsam mit Partnern aus Tschechien und Polen, namentlich der Deutschen Botschaft in Prag, der Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien sowie dem Haus der deutsch-polnischen Zusammenarbeit, wurden an drei aufeinanderfolgenden Tagen im März Lesungen mit den Autoren Sonne und Kreutzmann veranstaltet. Es waren die einzigen Termine der beiden Autoren im mittelosteuropäischen Ausland.
Am Montag, dem 20. März, fand sich geladenes Fachpublikum in der Deutschen Botschaft in Prag zu einer Lesung und einem Autorentreffen ein. Nach einem Einblick in die Publikation und den wichtigsten thematischen Aspekten zu Flucht und Vertreibung aus verschiedenen Perspektiven begrüßte der Moderator des Abends, der Journalist Kilian Kirchgeßner, als Gäste die tschechische Politikerin Helena Válková und den Historiker Matěj Spurný auf dem Podium. Es entwickelte sich ein spannendes Gespräch über den Umgang mit Flucht und Vertreibung in Deutschland und Tschechien, zwischen den Generationen sowie zwischen Politik und Zivilgesellschaft.
Am Dienstag, dem 21. März, waren Interessierte herzlich ins Mährischen Landesmuseum in Brünn eingeladen, an der öffentlichen Lesung und einem Podiumsgespräch teilzunehmen. Gemeinsam mit der Landesversammlung der deutschen Vereine in Tschechien, dem Deutschen Kulturverein in der Region Brünn und dem Mährischen Landesmuseum konnte die Veranstaltung vorbereitet werden, bei der sich hochrangige Gäste aus Politik, Kultur und Wissenschaft die Ehre gaben. Es kamen auch einige junge Zuschauerinnen und Zuschauer, die in der Sprachinsel Brünn zeigten, dass man sich von deutscher und tschechischer Seite im Dialog den Themen Flucht und Vertreibung nähern und sie mit aktuellen Bezügen diskutieren kann.
Einen Tag darauf, am Mittwoch, dem 22. März, konnten beide Autoren um 17:00 Uhr im Marschallamt der Wojewodschaft Oppeln, im Saal des Landesparlaments, ebenfalls mit einer Lesung, einem anschließenden Podiumsgespräch sowie der Möglichkeit zum Austausch mit dem Publikum zu Gast sein. Gemeinsam mit dem Haus der Deutsch-Polnischen Zusammenarbeit konnte im Oppelner Sejmik die dritte Lesung der beiden deutschen Journalisten Werner Sonne und Thomas Kreutzmann veranstaltet werden. Im Verlauf der Lesung wurden auch ein Podiumsgespräch mit Professor Krzysztof Ruchniewicz vom Willy-Brandt-Zentrum für Deutschland- und Europastudien geführt und einige Diskussionsfragen des Publikums beantwortet.
Kann man die politischen Entwicklungen und gesellschaftlichen Folgen, die nun aufgrund des russischen Angriffs auf die Ukraine zu sehen sind mit Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg vergleichen? Wie schätzen wir die Zeitenwende ein, wie erleben wir den Wegfall des Arguments der deutschen militärischen Zurückhaltung der letzten Jahrzehnte aufgrund der geschichtlichen Schuld? Schafft der Blick in die Vergangenheit auf die deutsche Flucht und Vertreibung mit dem Wissen, dem Vergleich zur heutigen Situation in der Ukraine eine neue deutsche Erinnerungskultur? Eint die neue Flüchtlingswelle Europa am Ende vielleicht sogar? Kann sie eine neue Nähe zu den osteuropäischen Nachbarn bilden? Diese und noch viele weitere interessante Fragen beantworteten Werner Sonne und Thomas Kreutzmann nicht nur in ihrem Buch, sondern auch während der offenen Austausche mit dem Publikum der drei Lesetermine und konnten für die Themen „Flucht“ und „Vertreibung“ sensibilisieren.
Text und Bilder: Dominik Duda
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