Hier schreibt unser Mitarbeiter aus Uschgorod, Alexander Chabanov, über aktuelle Ereignisse in der Region Transkarpatien: Diesmal über die Philharmonie Uschgorod und ihre Geschichte…
Philharmonie Uschhorod
Das Leben ohne Musik wäre ein Irrtum.
(der bekannte deutsche Klassiker:)*
Als ich zum ersten Mal durch Uschhorod spazieren gegangen bin, ist mir am Theaterplatz das Gebäude in roten und gelben Farben aufgefallen. Seine für die Gegend ungewöhnliche Architektur mit orientalischen Mustern fällt gleich auf zieht die Besucher der Stadt in ihren Bann. Egal für welche Route Sie sich entscheiden, um die Stadt kennenzulernen, kommen Sie an diesem Gebäude bestimmt nicht vorbei.
Auf meine Frage, was das sei, habe ich die Antwort bekommen, dass es heutzutage eine Philharmonie, früher eine Synagoge gewesen sei. Aha, deswegen sieht es so ungewöhnlich aus, hab´ ich mir gedacht. Und es ist wirklich so. Ursprünglich wurde Transkarpatische Gebietsphilharmonie als Synagoge der orthodoxen jüdischen Gemeinde in Uschhorod gebaut. Die Synagoge wurde nach den Plänen der berühmten österreichisch-ungarischen Architekten Ludwig Förster und Frigyes Feszl im maurischen Stil errichtet. Dieser Stil, der wahrscheinlich an die spanisch-maurische Blütezeit des Judentums erinnern sollte, war bislang in Uschhorod ein völlig neuartiges Baukonzept.
Während des Zweiten Weltkriegs gab es in Uschhorod fast keine jüdische Gemeinde mehr. Auch das Schicksal der Synagoge änderte sich, 1947 beschlossen die sowjetischen Behörden, diese Räumlichkeiten dem Kulturministerium der UdSSR zu überlassen, das entschied, darin die Transkarpatien-Gebietsphilharmonie unterzubringen. Jetzt befindet sich hier der wichtigste Konzertsaal der Region mit ausgezeichneter Akustik und sein besonderer Schatz ist die alte Orgel der berühmten tschechischen Firma „Riger Kloss“.
Zu verschiedenen Zeiten traten berühmte Musiker und Gruppen auf der Bühne der Philharmonie auf, darunter Pianisten: Emil Gilels und Swjatoslaw Richter, Geiger: Bogodar Kotorovitsch und David Eustrach, Cellisten: Mstislaw Rostropovich und Maria Tschaikovska; das Moskauer Kammerorchester, das Staatliche Russische Orchester der Volksinstrumente, benannt nach M. Osypova, das State Symphony Orchestra of Georgia, das Bratislava Symphony Orchestra, die University of Michigan Choral Chapel, etc.
Seit 2008 wird in der Transkarpatischen Gebietsphilharmonie das nach Natalia Vysich benannte Internationale Festival für Orgelmusik und seit 2012 das Internationale Festival „Musik ohne Grenzen“ erfolgreich durchgeführt.
Auch nach dem Beginn der russischen Aggression hat die Uschhoroder Philharmonie mit ihrer musikalischen Tätigkeit nicht aufgehört. Sie wurde zum Arbeitgeber für viele Künstler und Künstlerinnen aus den Kriegsregionen. Die Binnenflüchtlingen finden hier ihren neuen Arbeitsplatz und nehmen aktiv an den internationalen Projekten teil. Als gutes Beispiel dafür können die musikalischen Veranstaltungen in Bamberg, Halle und Bayreuth dienen, an denen 15 ukrainische Musikerinnen unter der Leitung von der Dirigentiin Vikotria Tsanko teilgenommen haben. Organisiert wurden die Konzerte von der Leiterin des Zamirchores in Bayreuth, Barbara Baier, mit dem Motto Frieden durch die Kultur, Frieden für alle.
Die Konzerte fanden mit ca. 120 Musikern aus 15 verschiedenen Nationen statt: den Musikerinnen des Transkarpatischen Philharmonischen Sinfonieorchesters aus Uschhorod, dem Deutschen Radio Kammerorchester, dem Ashirachor aus Israel und dem Zamirchor aus Bayreuth mit Solisten. Als erstes gab es am 3.7. das Friedenskonzert im Saal der Bamberger Symphoniker. Am 4.7. fand das Gendenkkonzert zum Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019 statt. Das dritte Konzert wurde vollkommen der Ukraine gewidmet. Es war ein Benefizkonzert für die Ukraine am 5.7. in der Stadtkirche Bayreuth im Rahmen der Hilfsbrücke Oberfranken-Transkarpatien.
„Wir sind von der fantastischen Arbeit der Organisatoren der Konzerte begeistert und haben riesige internationale Unterstützung gefühlt, was für uns momentan enorm wichtig ist. Das gibt uns Mut und Kraft nicht, aufzugeben und weiterzukämpfen. Es lässt uns Pläne für die Zukunft bauen und positiv in die Zukunft sehen. Schließlich geht jeder Krieg zu Ende und die Kultur überlebt, und der Geist gewinnt. Genau das macht unseren Geist stark.“ – hat mir Dirigentin Viktoria Tsanko im kurzen Interview nach der Rückkehr gesagt.
Weitere Informationen zu den Veranstaltungen gibt es hier.
* Friedrich Nietzsche (Anm. d. Red.)
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