Fabian Schnörer lebt von August 2011 bis August 2012 in Südafrika und engagiert sich dort als weltwärts-Freiwilliger im Abraham-Kriel-Kinderheim in Potchefstroom. Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen, Hartmut Koschyk MdB, unterstützt Fabian Schnörer bei seinem Engagement. Nun hat Fabian Schnörer seinen ersten Zwischenbericht von seinem Aufenthalt in Südafrika übermittelt. Weitere Berichte und Bilder können Sie auch auf seinem Blog unter http://fabi-in-sa.blogspot.com finden.
Bericht von Fabian Schnörer:
Soo, nach nun immerhin schon fast drei Monaten ist er schon längst überfällig: Mein erster Blogeintrag aus Südafrika! Einerseits ist es echt erschreckend, wie schnell die Zeit hier vorbeigegangen ist – knapp ein Viertel des Jahres ist schon wieder rum. Andererseits fühlt es sich aber auch so an als wäre man schon ewig hier, Deutschland ist echt weit entfernt.
Ich arbeite hier als Child Care Worker im Abraham Kriel Children`s Home in Potchefstroom. Potch ist eine kleine Unistadt mit ca. 150 000 Einwohnern, 120 km südwestlich von Johannesburg. Man bekommt hier so ziemlich alles was man braucht, es gibt eine Mall, ein Hospital und zig Schulen und Kirchen. Und natürlich die Uni. Potch ist aber noch sehr konservativ geprägt, also insgesamt noch sehr „burisch“. Bis auf das Township, Ikageng, natürlich, welches nur von der schwarzen Bevölkerung bewohnt wird. Leider komme ich nicht so oft nach Ikageng, da das Kinderheim in Potch liegt, aber Ausflüge dahin lohnen sich auf jeden Fall!
Ich arbeite hier in dem Haus Moria. Insgesamt gibt es neun Häuser im Kinderheim, fünf Mädelshäuser (Eben, Omega, Hebron, Harvestland und Immanuel) und vier Jungshäuser (Alfa, Betel, Samuel und eben Moria). In jedem Haus leben so zwischen 20 und 25 Kids, altersmäßig vollkommen durchgemischt. Mein Haus ist eins der ältesten, die Jungs sind zwischen 8 und 18 Jahre alt. Es gibt aber auch Häuser mit jüngeren Kindern, der kleinste ist zwei und ist der absolute Liebling im ganzen Kinderheim. Neben je einem „German“ arbeiten in den Häusern noch jeweils eine „Tannie“ und bei den Jungshäusern noch ein „Manier“.
Mein Arbeitsalltag sieht so aus: Sobald die Kinder aus der Schule kommen, so gegen 14 Uhr, starte ich mit Mittagessen austeilen, weiter geht’s mit der Study Time, in der ich den Jungs bei den Hausaufgaben helfe. Teilweise ziemlich stressig, weil die Jungs echt lahm und faul sind :D, aber auch ganz lustig und nebenbei lerne ich Afrikaans lesen, wenn ich mit einem der Jüngeren lesen übe. Afrikaans ist eine der elf Landessprachen Südafrikas, hauptsächlich von den Weißen gesprochen aber von jedem verstanden und Sprache Nummer 1 hier im Kinderheim. Afrikaans ist ein Holländisch-Abklatsch und ziemlich lustig anzuhören und noch lustiger zu sprechen. Man kommt auch sehr leicht in die Sprache rein, da viele Wörter sehr ähnlich zum Deutschen sind, was manchmal sehr hilfreich ist, wenn die Jungs was aushecken und denken ich verstehe sie nicht.
Nach der Study Time gibt’s erst einmal die Free Time, in der kicken wir mit den Jungs eine Runde, gehen aufs Basketballfeld (sehr beliebt, hauptsächlich weil es auf der „Mädelsseite“ des Kinderheims liegt) oder – TOP-activity number 1 – wir gehen in den Pool. Der Pool hat erst vor wenigen Wochen aufgemacht, da er in der Winterzeit geschlossen wird und erst nach dem ersten Regen, als Zeichen dass der Sommer beginnt, wieder geöffnet wird. Und seitdem muss man sich mindestens 20 mal am Tag die Frage anhören, ob wir heute Schwimmen gehen können und wenn man nicht geht ist geht das Geschrei los.:D Aber ist trotzdem die beste Erfindung überhaupt, auch bestens dazu geeignet die Jungs dazu zu bewegen ihre Arbeiten im Haus zu erledigen (den Abwasch machen, Flur oder Zimmer fegen, Tische decken usw.), denn Poolverbot will sich niemand so gern einhandeln.
So gegen viertel vor 5 beginnt dann die Showertime der Juniors (von 8 bis 13), in der ich meine acht Kleinen zum Duschen bewege und aufpasse, dass sie keinen Mist anstellen, was sie ohne sicherlich machen würden. Um 5 kommt im Fernsehen Dragon Ball Z – absolutes Muss – und danach machen die Jungs freiwillig eine kleine Bibelsession und lesen eine kleine Stelle aus der Bibel. Finde ich ziemlich beeindruckend und auch cool, Glaube wird hier sowieso ziemlich groß geschrieben. So wird z.B. nach jedem Essen gebetet und jeden Sonntag gehen alle Kinder in die Kirche. Teilweise ist das aber auch ein bisschen kritisch zu betrachten, da sie schon sehr in ihrem Glauben festgefahren sind und die Bibel auch sehr wörtlich nehmen. Aber ich glaube, die Kinder brauchen diesen Halt einfach, da ja alle von ihnen quasi eine verkorkste Vergangenheit haben. Alle Kinder aus Abraham Kriel sind aufgrund eines Gerichtsbeschlusses hier, d.h. in der Familie gab es Gewalt, Missbrauch und dergleichen. Teilweise interessieren sich die Eltern einfach gar nicht für ihre Kinder und sie mussten seit sie 10 sind mehr oder weniger für sich selbst sorgen. Dann ist es umso beeindruckender, wenn die Kids zu Gott beten und sich bedanken, dass sie leben und darum bitten, dass er ihnen beisteht auf ihrem Lebensweg. Oder die Eltern sind einfach nicht fähig ein Kind groß zu ziehen und sind ständig betrunken oder zeigen ihren Kindern Pornos und haben Sex vor ihnen. Da ist es teilweise kaum erstaunlich, dass manche der Kinder richtig Probleme machen, es gab schon mehrere richtig krasse Vorfälle, aber die Kinder kennen es halt nicht anders. Die meisten dürfen aber über die Ferien oder manchmal ein Wochenende zurück nach Hause, oder kommen zu „Ferientannies“. In den Ferien zurück bleiben meist nur die schwarzen Kids, ansonsten ist es vollkommen durchgemischt, ca. 40 % weiße und 60% schwarze, macht aber zumindest hier im Kinderheim überhaupt keinen Unterschied, was schon mal super ist. Ansonsten erlebt man schon noch viele Überreste der Apartheid, z.B. ist das Office hier im Kinderheim nahezu komplett weiß, während die Gärtner usw. alle schwarz sind. Und man hört viel von wegen, dass die Weißen auf die Schwarzen schimpfen und umgekehrt. Man darf aber natürlich nicht pauschalisieren, es gibt viel Ausnahmen und wir verstehen uns mit Weißen wie mit Schwarzen super, wobei wir auch ein bisschen eine Abneigung gegen die „Buren“ (kurze Hosen, Badelatschen, Muskelprotze und Ansatz des Vokuhilas) entwickelt haben. Aber natürlich sind nicht alle Weißen so, genauso wenig wie, dass dir jeder Schwarze deinen Geldbeutel klaut. In der Hinsicht ist Potch im Gegensatz zu Pretoria oder Johannesburg ziemlich sicher, nach Ikageng sollte man trotzdem vielleicht nicht alleine gehen.
So, nach der Bibelstunde gibt es Abendessen und dann „Werkskammer“, die Kids müssen ihre Schulschuhe putzen und ihren Hemdkragen waschen und vorzeigen um ein sauberes Hemd für den nächsten Tag zu bekommen. Alle Schulen haben eine eigene Schuluniform und die Kinder sind auf ziemlich viele Schulen verteilt. Alle drei Wochen arbeite ich dann noch bis 9 und bring alle Kinder ins Bett und mache das Licht aus, im Wechsel dazu wecke ich ebenfalls alle drei Wochen um 4:30 (!!!) sie auf und schaue, dass alle zur Schule gehen.
Jedes zweite Wochenende habe ich Night Duty, das heißt ich muss über Nacht im Haus bleiben, einfach damit jemand da ist und Alec, mein „Manier“, auch einmal weg kann. Mit Alec verstehe ich mich super, ein cooler Kerl der jeden Tag in seine geliebte Gym geht und ab und zu auch schon recht laut wird, wenn die Jungs wieder Mist angestellt haben. Aber er hat das Haus echt richtig im Griff und ich bin echt froh mit ihm zusammen zu arbeiten. Die Tannie, Johanna, ist nur wenige Wochen vor mir gekommen, und kann nicht so ganz durchgreifen, ich verstehe mich aber mit ihr.
Und die Jungs sind mir schon teilweise echt ans Herz gewachsen. Zwar bauen sie echt viel Mist und manchmal ist es ziemlich stressig, aber sie sind schon top. Da ich quasi direkt mit ihnen zusammen lebe, mein Zimmer liegt genau zwischen den Jungszimmern, baut man natürlich automatisch ein engeres Verhältnis auf. Das heißt aber auch, dass man sobald man ins Haus kommt eigentlich arbeitet, da ständig jemand von einem was will. Aber dafür ist man ja da.
Auch eine Aufgabe ist das Wochenendprogramm, so fährt man mit den Jungs zum Beispiel Samstags in die Mall, zum Potch Dam ( eine Art Park an einem Stausee, nicht weit entfernt vom Kinderheim) und hat einen Braai (südafrikanische Bezeichnung für Grillen und ein richtiger Volkssport) oder dergleichen. Vor zwei Wochen haben wir Deutsche ein internes Soccer-Turnier organisiert. Dafür haben wir den Fußballplatz um Linien bereichert, Musikanlage organisiert, extra Abraham-Kriel-Soccer-Tournament-Medaillen organisiert und und und… War echt eine super Aktion, sogar die älteren Damen aus dem Office haben ein Team gestellt, was richtig lustig war. Und natürlich haben wir die deutsche Fußballehre verteidigt und mit Team Schland ordentlich abgeräumt. Wir wollten zwar ein Team der Jungs gewinnen lassen, aber dann hat sich das Team der Maniere als zu ergeizig herausgestellt und die konnten wir ja auch nicht gewinnen lassen;)
Vor ein paar Wochen habe ich mit meinen Jungs Gitarrenstunden angefangen, das ist bist jetzt ein voller Erfolg. Nachdem ich eine Gitarre hier gefunden habe und das Office überreden konnte noch drei zu kaufen, gebe ich jetzt unter der Woche mittlerweile schon fünf Vierergruppen Unterricht. Sind teilweise auch richtig motiviert und wollen ständig üben, manche haben auch echt Talent. Mit den Kleineren ist es natürlich anstrengender, aber mit den Großen macht es richtig Spaß.
Nächste Woche steht ein großes „Picnic“ hier im Kinderheim an. Da kommen sehr viele „celebrities“ das Heim besuchen, eine Aktion um die Leute zum Spenden zu bewegen. Kommt noch viel Arbeit auf uns zu, wir Deutschen müssen die ganzen Spiele usw. organisieren.
Mit den anderen Freiwilligen hier verstehe ich mich echt super, sind auch ziemlich viel Deutsche hier so an die 25 in Potch. Aber die Gruppe ist echt stark und neben der ganzen Arbeit bleibt auch genug Zeit das Potcher Nachtleben zu erkunden.. ist auch gut vorhanden, das Nachtleben… 😉
Vor rund vier Wochen hatten wir unseren ersten Urlaub, wir sind zu fünft zum Blyde River Canyon gefahren, einer der größten Canyons der Welt, haben Schluchten bewandert und Wasserfälle gesehen und auch einen Swing eine 80 Meter hohe Schlucht hinunter gemacht. An einem Tag sind wir in den Kruger-National-Park gefahren, war richtig stark. Wir haben auch so gut wie alles gesehen, Elefanten, Affen, Giraffen, Nashörner, Mpalas, Gnus, Büffel, Wilddogs, Schildkröten, Hyänen, Zebras und – richtig Hammer – einen Löwen mit gerissenem Büffel und lauernden Geiern. Am Tag darauf kam dann eine Rafting-Tour bei der wir an einem Baby-Krokodil vorbeigekommen sind. Landschaftstechnisch war das auch echt der Wahnsinn – Afrika pur, wie man es sich so vorstellt. Auch einfach jeder Sonnenuntergang in diesem Land ist super stark und wie gemalt.
Letztes Wochenende war ich mit Chris in Pretoria um ein paar andere Freiwillige zu besuchen, welche wir bei unserem Vorbereitungsseminar in Deutschland noch kennen gelernt haben. War auch richtig interessant einmal zu sehen wie die so leben, ich habe mich auch mit einem ehemaligen Lehrer von mir getroffen, dem Herrn Biermann, der jetzt eben in Pretoria lebt, und haben ein bisschen die Stadt besichtigt, in der zu der Zeit 70 000 Jacaranda-Bäume blühen und die Stadt in ein blau-lila Blütenmeer tauchen. War ein lustiger Trip, wir freuen uns aber schon alle richtig auf den Sommerurlaub im Dezember, da geht es über Silvester dann nach Kapstadt.
Sooo, tut mir Leid für diesen langen Eintrag und dass ihr so lange auf mich warten musstet. 😉 Ich melde mich in ein paar Wochen einmal wieder!
Liebe Grüße an alle, und bis bald!
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