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Chefreporter der WirtschaftsWoche Willershausen, der Koschyk nach Nordkorea begleitete, berichtet über seine Eindrücke / Wo in Nordkorea Chancen für deutsche Investoren liegen
12. Juni 2015
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Bei seiner Reise nach Nordkorea wurde der Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages von einer Delegation begleitet, der auch Florian Willershausen, Chefreporter der WirtschaftsWoche, angehörte.

Im Rahmen der Delegationsreise besuchte Koschyk gemeinsam mir den Delegationsteilnehmern auch das Industrieentwicklungsgebiet Hungnam. In der aktuellen Ausgabe der WirtschaftsWoche 25/2015 verfasste Chefreporter Willershausen einen Bericht wo in Nordkorea Chancen für deutsche Investoren liegen. Zur Digitalen Ausgabe der Wirtschaftswoche mit dem Artikel gelangen Sie hier.

Im ersten Teil einer von ihm verfassten Serie über seine Reise nach Nordkorea beschreibt er seine Eindrücke auf der Internetseite der WirtschaftWoche wie folgt:

Kohlrabi von der Landebahn

Wer fliegt schon freiwillig in ein Land wie Nordkorea? Unser Chefreporter hat es gewagt. Und berichtet von einem der repressivsten Regime der Welt, das seltsam hin- und hergerissen ist zwischen Öffnung und Abschottung.

Als ich endlich das Visum für Nordkorea im Pass habe, elektrisiert eine bizarre Meldung die Welt: Kim Jong-un, Diktator in dritter Generation, habe seinen Verteidigungsminister mit einer Flak hinrichten lassen – weil der während einer öffentlichen Huldigung des Führers eingenickt sei.

Nun ja, höre ich von Freunden und Familie, dein Faible für Diktaturen und Schurkenstaaten in allen Ehren. Aber bist du wahnsinnig? Wer fliegt schon freiwillig in ein so düsteres Land wie Nordkorea? Ein von der Welt abgenabelter Fleck Erde, ohne Internet und medizinische Versorgung! Ein repressives Regime mit einem Durchgeknallten, den sie obendrein noch „Führer“ nennen!

Ich fahre. Und ich freue mich auf Nordkorea, eben weil das Land so bizarr wirkt. Aber ich lasse meinen Mac zuhause. Denn den, so höre ich, würden sie untersuchen. Auch mein iPhone nehme ich schweren Herzens nicht mit auf die Reise. Denn Handys, hieß es, würden sie uns am Flughafen abnehmen. So fliege ich nach Peking, wo sich eine Delegation um den CSU-Bundestagsabgeordneten Hartmut Koschyk zum gemeinsamen Weiterflug nach Pjöngjang trifft.

„Keine Fotos!“

Nordkorea also. Die Tupolew-204 ist noch nicht gelandet, als das Land schon meine Klischees bestätigt. „No pictures“, ermahnt mich die Stewardess der staatlichen Fluggesellschaft „Air Koryo“, als ich Pjöngjang mit dem iPad aus dem Anflug fotografiere. Dabei fallen mir zwei Dinge ins Auge: Die Stadt zählt unheimlich viele Hochhäuser, aber keine hässlichen Betonburgen der Armen wie in Bangladesch, sondern solche wie in China, deren sauber verkleidete Fassaden in der Sonne glänzen. Einen derart gepflegten Eindruck hätte ich nicht erwartet von einem Land, dessen Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei nur 720 Dollar liegt. Aber mal abwarten, wie es am Boden aussieht.

Je näher die Maschine der Erde kommt, desto mehr fällt mir auf: Es sind unheimlich viele Menschen unterwegs. Dutzende, Hunderte, Tausende säumen allein die Felder rings um die Landebahn. Nie habe ich je so viele Leute auf einem Flughafengelände gesehen. Und alle tragen Tarnfarben. Es sind Militärangehörige, die mit langen Scheren den Rasen zwischen Runway und Flughafengebäude stutzen.

Kerosindunst über Kohlrabi

Links neben der Landebahn bewässern sie Äcker, auf denen Kohlrüben wachsen. Später lerne ich: Seit einer großen Hungersnot, die Mitte der neunziger Jahre bis zu einer Million Menschen dahingerafft hat, nutzen die Nordkoreaner jeden Zentimeter des Landes für den Lebensmittelanbau – selbst, wenn sich zweimal täglich der Kerosin-Dunst der startenden Flugzeuge über den Kohlrabi niedergeht.

Im Gleichschritt treten zehn Soldaten an, um unser Gepäck aus dem Flugzeug zu laden. Als ich ein Foto machen will, pfeift ein Polizist aus der Ferne mit der Trillerpfeife. Doch er greift nicht ein. Das Fotografier-Verbot, so werde ich bald feststellen, legen sie offenbar nicht mehr so strikt aus wie noch vor ein paar Jahren. Oder wir genießen als offizielle Delegation einfach Narrenfreiheit. Das gilt auch für die Handys: Ein Zöllner lässt sich zwar Reisepass und Mobiltelefon geben, um etwas in einem gebundenen Buch zu notieren. Danach händigt er die Geräte aber sofort wieder aus. Mist, denke ich, hätte ich mein iPhone doch mitnehmen können.

In Pjöngjang selbst sind erstaunlich viele Menschen auf den Straßen. Was hatte ich erwartet? Dass das alles Stubenhocker sind, weil draußen Diktatur ist? Dass alle traurig drein schauen, weil es keine Coca-Cola gibt? Irgendwie denken wir so im Westen: Es fällt uns notorisch schwer, uns den Alltag in autoritären bis totalitären Regimen positiv vorzustellen. Dabei lächeln die Menschen auch in Nordkorea. Sie gehen mit den Kindern in den Zoo und besuchen Vergnügungsparks, elegante junge Frauen tragen schmucke Sonnenschirme vor sich her. Es wird ein paar Tage dauern, bis wir durch Zufall die hässliche Fratze dieses repressiven Regimes zu sehen bekommen.

Zum Artikel auf der Internetseite der WirtschaftsWoche gelangen Sie hier.

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