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Koschyk beim deutsch-koreanischen Workshop in Seoul / Nordostasiatischer KSZE-Prozess könnte Frieden in der gesamten Region stiften und Türen für Überwindung der innerkoreanischen Teilung öffnen – Kombination von Helmut Kohls 10 Punkte Plan und drei Stufen Plan von Ministerpräsident Modrow könnte bei erfolgreichen Nordostasien-KSZE-Prozess durchaus gangbaren Weg aufzeigen
23. Oktober 2017
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Der langjährige Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, bei der Eröffnung des 16. Deutsch-Koreanischen Forums 2017 in Fulda

Im Rahmen der Feierlichkeiten anlässlich des 30-jährigen Bestehens des Büros der Hanns-Seidel-Stiftung in Korea findet heute ein deutsch-koreanischer Workshop zum Thema „Dialog und Prinzipienfestigkeit – deutsche Erfahrungen und koreanische Politik in der Nuklearkrise“ statt, der von der Hanns-Seidel-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institute for Peace Affairs (IPA) ausgerichtet wird.

Der langjährige Vorsitzende der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe des Deutschen Bundestages, Ko-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums und ehemaliger Ko-Vorsitzender des deutsch-koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung, Bundesbeauftragter Hartmut Koschyk MdB, referierte bei dem Workshop zum Thema „Die deutsch-koreanischen Beziehungen im Spiegel der Arbeit der gemeinsamen Regierungskommission zu außenpolitischen Aspekten der Wiedervereinigung“.

In seinem Vortrag erklärte Bundesbeauftragter Koschyk, dass der Ansatz von Bundeskanzlerin Merkel und Bundesaußenminister Gabriel „Wirtschaftssanktionen und Verhandlungen“ zur Deeskalation der Krise ohne Alternative seien. „Das Entscheidende ist, dass irgendjemand anfangen muss mit Kim Jong-un zu sprechen und Gespräche zu vermitteln. Es besteht kein Grund anzunehmen, dass es nicht gelingen kann, in Nordkorea das zu erreichen, was als Ergebnis langer und schwieriger Verhandlungen mit dem Iran erreicht worden ist. Dies umso mehr, da es bereits 1994 ein Abkommen zwischen den USA und Nordkorea gegeben hat, wo Nordkorea bereit war auf seine nuklearen Ambitionen zu verzichten. Nur durch Dialog ist die Krise auf der koreanischen Halbinsel zu lösen!“, so Vorsitzender Koschyk.

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In einem ersten Schritt nach den Sanktionen müsste jetzt die Gesprächsatmosphäre geschaffen werden, damit man durch möglichst viel internationale Geschlossenheit Nordkorea wieder an den Verhandlungstisch zurückbringe. „Die zurückliegenden Iran-Verhandlungen zur Beendigung deren Nuklearambitionen, waren der richtige Ansatz. Auch beim Iran hat nur das Zusammenspiel von Sanktionen, Druck, aber auch Gesprächsbereitschaft zum Abschluss den Durchbruch gebracht. Damals waren die EU und mit ihr Deutschland in die Verhandlungen mit eingebunden. Gerade im Hinblick auf Nordkorea halte ich es für wichtig, wenn auch eine nicht unbedingt in die Interessenskonflikte der Region eingebundene Macht wie die EU an diesen Gesprächen beteiligt wird. Wir haben in der Region eine hohe Glaubwürdigkeit als EU und auch als Bundesrepublik Deutschland und deshalb wäre das Verhandlungsformat Iran seinerzeit: Iran, Vetomächte, plus EU, plus Deutschland ein guter Ansatz.“

Ziel müsse es sein, dass Nordkorea in einem ersten Schritt seinen Nuklearstatus einfriert und in einem zweiten Schritt schließlich die „Sechs-Parteien-Gespräche” wieder aufgenommen werden.

Dabei sollte es das Ziel sein, nicht nur um die strittige Nuklearfrage zu lösen, sondern auch einen nachhaltigen Dialogprozess aller Beteiligten über alle Themen zu führen, die einer friedlichen Entwicklung in Nordostasien, einer allseitigen Verständigung sowie einer um-fassenden Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Soziales, Bildung, Wissenschaft und im humanitären Bereich dienen. Aus einem derartigen Prozess könnte sich eine schrittweise Annäherung der beiden koreanischen Staaten ergeben. Deutschland könnte hierbei seine Erfahrungen sowohl des Prozesses der innerdeutschen Annäherung, als auch im Hinblick auf die europäischen und internationalen Rahmenbedingungen der innerdeutschen Beziehungen vermitteln, ohne dass der deutsche Weg zur Wiedervereinigung als Vorbild angesehen werden sollte, so Koschyk.

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„Wenn die „Sechs-Parteien-Gespräche“ zwischen China, den USA, Russland, Japan und den beiden koreanischen Staaten wiederaufgenommen und in der Nuklearfrage Fortschritte erzielt werden, könnte sich daraus eine Art Nordostasien-KSZE-Prozess entwickeln, der von der Europäischen Union mit dem europäischen Erfahrungshintergrund bei der Überwindung des Ost-West-Gegensatzes begleitet werden könnte. Internationale Sicherheitsmechanismen und Sicherheitsgarantien, wie sie in den Handlungsempfehlungen des Deutsch-Koreanischen Beratergremiums zu außenpolitischen Fragen der Wiedervereinigung gefordert werden, waren Grundpfeiler der Zusammenarbeit der KSZE, die letztendlich zum Fall des Eisernen Vorhangs in Europa und zur Überwindung der europäischen und deutschen Teilung geführt haben. Der Deutsche Bundestag hat sich bereits 2002 in einem interfraktionellen Antrag für solch eine Art nordostasiatischen KSZE-Prozess ausgesprochen“ so Koschyk.

Koschyk erklärte, dass wenn sich ein Nordostasien-KSZE-Prozess erfolgreich entwickeln und die innerkoreanische Annäherung sich verfestigen sollte, in Kombination von Helmut Kohls 10 Punkte Plan mit dem drei Stufen Plan von Ministerpräsident Modrow ein durchaus gangbarer Weg aufgezeigt werden könnte, die innerkoreanische Teilung zu überwinden.

Im folgenden skizzierte Koschyk dieses Gedankenspiel: Augehend von Sofortmaßnahmen humanitärer Art, ohne das aber – wie im Plan von Helmut Kohl vorgesehen – die Möglichkeit besteht, dass Nordkoreaner frei nach Südkorea ein- sowie wieder ausreisen, sollte Südkorea in einem 2. Schritt anstreben, wirtschaftlich, wissenschaftlich-technologisch und kulturell eng mit Nordkorea zusammenzuarbeiten. In einem dritten Schritt sollte die Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden. Der Grundsatz „Fordern und Fördern“ müsste dabei aber unter einem völlig anderen Blickwinkel betrachtet werden, wie dies im Zuge der deutschen Einigung der Fall war. „Der Grundsatz „Fordern“ beträfe zunächst einmal lediglich die strikte Einhal-tung der Menschenrechte in Nordkorea, die konstruktive Zusammenarbeit im wirtschaftlichen, wissenschaftlich-technologisch und kulturellen Bereich und das Bekenntnis eines friedlichen Miteinanders, bei Möglichkeit zur Inspektion von Militäreinrichtungen im jeweils anderen Land. Der Grundsatz „Fördern“ hingegen würde bedeuten, nicht nur die Lebensverhältnisse im Land zu steigern und das Wirtschaftssystem an westliche Standards heranzuführen, sondern auch der Nomenklatur und dem Militär eine Zukunftsperspektive in einem wieder-vereinten Korea zu bieten, in der Hoffnung, dass diese sich schrittweise vom Regime abwendet“, so Koschyk. Der 4. Punkt von Helmut Kohls 10-Punkte Plan, könnte nach Koschyk auch in Korea zielführend sein: Zunächst sei eine Vertragsgemeinschaft anzustreben. Diese würde ein dichtes Netz von Vereinbarungen und in einem zweiten Schritt auch gemeinsame Institutionen beinhalten. Bereits bestehende oder neu gegründete Kommissionen könnten neue Aufgaben in Wirtschaft, Verkehr, Umweltschutz, Wissenschaft und Technik, Gesundheit oder Kultur übernehmen, so Koschyk.

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Der damalige südkoreanische Präsident und Friedensnobelpreisträger Kim Dae-Jung bei seinem Besuch in Nordkorea im Jahr 2000.

Koschyk erklärte, dass eine von Dialog getragene Vertragsgemeinschaft gepaart mit einem Nordostasien-KSZE-Prozess die Türen öffnen könnte für einen Transformationsprozess in Nordkorea, so wie er mit Michael Gorbatschow in der ehemaligen Sowjetunion seinen Anfang nahm und ein schleichender Demokratisierungsprozess auch in Nordkorea eintreten würde. „Wenn sich im Zuge dessen Nomenklatur und Militär vom Regime abwenden, eine Demokratiebewegung von der Masse der Bevölkerung getragen wird – so wie dies in der ehemaligen DDR der Fall war – und demokratische Strukturen in Nordkorea verwirklicht werden, wäre auch der Weg zur Schaffung konföderativer Strukturen geebnet“, so Koschyk. Eine schnelle Wiedervereinigung, wie in Deutschland nach dem Sturz des SED-Regimes, dem Fall der Berliner Mauer und den abgehaltenen freien demokratischen Wahlen in der DDR, hält Koschyk aber aufgrund des auch in Jahren noch zu erwartenden wirtschaftlichen Gefälles auf der koreanischen Halbinsel für nicht möglich. In Anlehnung an den Plan von Ministerpräsident Modrow könnte aber in einer ersten Stufe die nachbarschaftliche Vertragsgemeinschaft um konföderative Elemente sowie eine Wirtschafts-, Währungs- und Verkehrsunion ergänzt werden. In einer zweiten Stufe könnte eine Konföderation der beiden koreanischen Staaten mit gemeinsamen Organen und Institutionen, zum Beispiel einem parlamen-tarischen Ausschuss, einer Länderkammer und gemeinsamen Exekutivorganen gegründet werden. In einer dritten Stufe könnte schließlich ein einheitlicher koreanischer Staat in Form einer Föderation oder eines Bundes – mit gemeinsamem Parlament und gemeinsamer Regierung geschaffen werden.

Für eine dauerhafte Befriedung in Nordostasien müsste eine koreanische Wiedervereinigung, so wie die Deutsche Wiedervereinigung beim 2+4 Prozess, laut Koschyk aber gleichermaßen in ein enges Zusammenspiel von Nord- und Südkorea, den USA, der VR China, Russland und Japan, als auch einen „Nordostasien-KSZE-Prozess“ eingebettet sein. Zudem würde zu einer in die Zukunft gerichteten belastbaren Nachbarschaftspolitik für ein künftiges geeintes Korea auch eine schonungslose Aufarbeitung der Geschichte gehören, so wie dies in Europa und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Fall von Mauer und Stacheldraht der Fall gewesen ist und wofür sich Deutschland nachhaltig eingesetzt hat. „So wie in Europa müsste auch in Nordostasien schonungslos die leidvolle Geschichte aus der Täter- sowie der Opfer-Perspektive aufgearbeitet werden“, so Koschyk.

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Schließlich erklärte Koschyk: „Eingebettet in einen „Nordostasien-KSZE-Prozess“ muss bei 2+4 Gesprächen zwischen Nord-und Südkorea, den USA, der VR China, Russland und Japan auch den berechtigten geo- und sicherheitspolitischen Interessen all dieser Länder Rechnung getragen werden. Eine Denuklearisierung eines wiedervereinten Koreas steht außer Frage. Doch gleichermaßen müsste beispielsweise auch die Frage nach einer militärischen Präsenz der USA in Korea und dessen Bündniszugehörigkeit geklärt werden. Sollte dies gelingen, so könnte dies nicht nur die letzten Hürden für eine koreanische Wiedervereinigung nehmen, sondern in Anlehnung an die „Charta von Paris“, die am 21. November 1990 als Schlussdokument der KSZE-Sondergipfelkonferenz von 32 europäischen Ländern sowie den USA und Kanada unterschrieben wurde, auch den Weg frei machen für eine „Charta von Ka-esŏng“. Die Hauptstadt des ehemaligen koreanischen Königreichs Goryeo und gleichzeitig Sinnbild der koreanischen Teilung könnte kein besserer Namenspatron sein! So wie bei der „Charta von Paris“ müsste ein derart vergleichbares grundlegendes internationales Abkommen eine neue friedliche Ordnung in Nordostasien nach einer Wiedervereinigung Koreas schaffen und damit zu einer Phase der Kooperation in der gesamten Region führen,“ so Koschyk.

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Zum Abschluss seines Vortrages wies Koschyk darauf hin, dass er sich auch nach seinem Ausscheiden aus dem Deutschen Bundestag und damit verbunden seinem Ausscheiden aus dem Amt des Vorsitzenden der Deutsch-Koreanischen Parlamentariergruppe weiterhin mit ganzer Kraft für eine gute Entwicklung der deutsch-koreanischen Beziehungen und eine innerkoreanische Annäherung mit dem Ziel der koreanischen Einheit einsetzen werde.

Es sei ihm eine hohe Ehre nach der Verleihung des Erste-Klasse-Ordens für besondere diplomatische Verdienste in Form der „Gwanghwa-Medaille“ im Jahr 2012 im vergangenen Jahr in Seoul mit dem „Korea Award“ der Korea Foundation ausgezeichnet geworden zu sein. Dies sei für ihn Ansporn und Verpflichtung zugleich. „Insbesondere vor dem Hintergrund der leidvollen Erfahrung der deutschen Teilung und dem Glück der deutschen Wiedervereinigung war und ist es mir ein besonderes Anliegen, dass Deutschland und die Europäische Union sich für den Frieden, die Versöhnung und eine Einheit in Freiheit auf der koreanischen Halbinsel aktiv einsetzen. Entsprechend habe ich die Absicht, die mit der Ehrung der Korea Foundation verbundene Dotation in Höhe von 10.000 US Dollar als Grundstock für eine Stiftung zu verwenden, die ich zu gründen beabsichtige. Stiftungszweck soll es sein, von deutscher Seite exemplarische Projekte zu initiieren und zu fördern, die der Vertrauensbildung, der Versöhnung und der Stärkung menschlicher Verbindungen im geteilten Korea und in Nordasien dienen, um auf das Ziel eines geeinten Koreas in einem friedvollen und versöhnten Nordostasien hinzuwirken. Der Name der Stiftung soll lauten: „Ein Korea – Vertrauen, Versöhnen, Verbinden“, so Koschyk.

Zur vollständigen Rede von Bundesbeauftragten Koschyk gelangen Sie hier.

Zur Internetseite der Hanns-Seidel-Stiftung mit weiterführenden Informationen gelangen Sie hier.

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