Die „Nürnberger Zeitung“ befragte den Beauftragte der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Hartmut Koschyk MdB, zur aktuellen politischen Lage in der Ukraine. Koschyk besuchte vor kurzem die ukrainische Hauptstadt Kiew und konnte sich einen Eindruck von der politischen Lage im Land verschaffen.
Sollte es in der Ukraine zu einer Volksabstimmung über die Einheit des Landes kommen, dann ist Koschyk fest davon überzeugt, „dass die Mehrheit der Bevölkerung auch in den russischsprachigen östlichen Gebieten für den Verbleib in der Ukraine stimmen wird“. Bundesbeauftragter Koschyk nimmt das Beispiel Lettlands, wo es keinerlei Bestrebungen in der russischsprachigen Bevölkerung gebe, sich Russland anschließen zu wollen. Grund: von der guten wirtschaftlichen Entwicklung Lettlands profitiere auch die russischstämmige Minderheit. Wie eng künftig das Verhältnis der Ukraine zur EU sein wird, hänge auch davon ab, wie die Ukraine mit ihren nationalen Minderheiten umgeht, erklärt Koschyk. Die Ukraine müsse die Europaratsverpflichtungen umsetzen, die in dem Rahmenübereinkommen zum Minderheitenschutz und in der Minderheitensprachcharta festgelegt sind. „Beide
Abkommen hat die Ukraine unterzeichnet und ratifiziert.“
Als Aussiedlerbeauftragter tritt der geborene Forchheimer Koschyk, dessen Familie aus Oberschlesien stammt, für den Schutz der Rechte von Minderheiten von Amts wegen ein. Und sieht hier auch Deutschland in der Pflicht. „Umso vorbildlicher Deutschland mit den nationalen Minderheiten umgeht, umso glaubwürdiger kann Deutschland für die Rechte der deutschen Minderheiten in anderen Ländern eintreten.“
Klar ist für Koschyk, dass das Referendum, das zur „Annexion“ der Krim durch Russland führte, ein „völkerrechtswidriger Akt“ gewesen sei. „Niemand wird so blauäugig sein zu glauben, dass es sich um einen Akt des freiwilligen Anschlusses gehandelt hat.“ Bundesbeauftragter Koschyk sieht nun Wladimir Putin am Zug, für eine Entspannung der Lage zu sorgen. Und wenn der russische Präsident das anders sieht? „Ich befürchte, es wird eine neue Eiszeit zwischen Russland und der EU geben, wenn Russland die Situation weiter eskalieren lässt.“ In diesem Fall aber würde die EU sicher verschärfte Sanktionen beschließen, die gerade die ohnehin im Abschwung befindliche russische Wirtschaft treffen würden.
„Der Schaden wird für Russland wesentlich größer sein als für die EU“, meint Koschyk. Deshalb hoffe er, dass Putin die Lage für ihn und sein Land richtig bewertet – und die damit verbundenen Vorteile.„Wenn Russland Zeichen der Deeskalation sendet, dann wird das Thema Krim keine Frage sein, die einer Lösung des Konflikts um die Ukraine entgegensteht.“ Sprich: Russland hat zwar die Krim faktisch annektiert, doch die internationale Gemeinschaft wird sich damit abfinden. Koschyk erwähnt hier das Beispiel Transnistrien, das zwar offiziell zu Moldawien gehört, wo aber die Russland faktisch die Gebietshoheit ausübt.
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