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Koschyk: Deutsch-chinesische Beziehungen müssen nachhaltig ausgebaut werden
8. Juni 2012
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Der VR China kommt als Wirtschaftsnation und als Handelspartner für die deutsche Wirtschaft eine stetig wachsende Bedeutung zu. Deutsche Unternehmen, gerade auch aus dem Mittelstand, haben China längst als Produktions- und zunehmend als Forschungsstandort entdeckt, gleichzeitig ist das Land der Mitte ein riesiger Absatzmarkt. Bundeskanzlerin Merkel besuchte im Februar diesen Jahres die VR China. Mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiabao sprach Bundekanzlerin Merkel über die weltwirtschaftliche Lage und insbesondere über die Situation in Europa. Die Bundeskanzlerin informierte ihren chinesischen Amtskollegen dabei auch über die Schritte, die die Europäische Union unternimmt, um die Schuldenkrise zu überwinden. Beide waren sich einig, dass gerade die Haushaltsdisziplin und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine wichtige Rolle spielen. Mit Blick auf die wirtschaftliche Zusammenarbeit betonte die Kanzlerin den freien Zugang von Unternehmen im jeweils anderen Land. Probleme, wie beispielsweise beim Schutz des geistigen Eigentums, müssten zwischen Deutschland und China offen angesprochen werden. Die im vergangenen Jahr eingeführten deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen wertete die Kanzlerin als Erfolg und betonte, dass man eine sehr viel engere Zusammenarbeit erreicht habe. Die Kanzlerin hatte auch die südchinesische Stadt Kanton besucht, wo sie das Deutsch-Chinesische Wirtschaftsforum eröffnete. In der Provinz Kanton sind über 400 Unternehmen aus Deutschland präsent. Mit Investitionen von über eine Milliarde Euro haben diese zur industriellen und technologischen Leistungsfähigkeit der Provinz beigetragen und viele Arbeitsplätze geschaffen.

Ich selbst besuchte in der vergangenen Woche Peking und Hongkong, um mich über die politische Situation vor dem anstehenden Wechsel der Staats- und Parteiführung zu informieren. Bei einem von der Konrad-Adenauer-Stiftung/Peking unter Leitung von Thomas Awe organisierten Fachgespräch diskutierte ich auch über die Bedeutung Chinas in der europäischen Finanzkrise sowie deren Auswirkungen auf die chinesische Wirtschaftsentwicklung und referierte unter anderem über „die globalpolitische Rolle Chinas im Rahmen der sich verändernden Konstellation in der Finanz- und Weltpolitik“. Anwesend war auch Generalmajor a.D. Pan Zhenqiang, ein gefragter Referent bei internationalen Konferenzen zu Fragen der Außen- und Sicherheitspolitik und im „China Reform Forum“, einer führenden Institution in China für politische Analysen, tätig.

Bei der Überwindung der Schuldenkrise in Europa übernimmt China eine konstruktive Rolle, fordert aber Gegenleistungen. Befürworter hoffen auf Investitionen seitens chinesischer Firmen und Banken sowie den Aufkauf von Staatsschulden durch die chinesische Regierung. Kritiker beobachten hingegen skeptisch die Eigeninteressen Pekings hinsichtlich Chinas gewünschter Anerkennung als Marktwirtschaft und den damit verbundenen Vorteilen für die Volksrepublik. Die Weltwirtschaftskrise macht sich jedoch auch im „Land der Mitte“ bemerkbar. Das Wirtschaftswachstum Chinas wurde maßgeblich beeinflusst, soll sich nach Aussagen des chinesischen Premierministers Wen Jiabao jedoch weiterhin auf hohem Niveau halten. Dies wirkt sich auch positiv für Deutschland aus. Unser Handelsvolumen hat nämlich bereits im letzten Jahr 140 Milliarden Euro erreicht. Die deutschen Exporte nach China haben sich im vergangenen Jahr erneut deutlich erhöht, und zwar um rund 20 Prozent auf ungefähr 65 Milliarden Euro. Seit 2008 hat sich dieser Wert damit fast verdoppelt. Einigen Prognosen zufolge könnte China noch im laufenden Jahr zu unserem wichtigsten Exportmarkt außerhalb der Europäischen Union werden.

Im Hinblick auf die Situation des Euros und dessen Bedeutung für die wirtschaftliche Zusammenarbeit Chinas und Deutschland halte ich Transparenz, verbindlichen Regeln und Überwachungsinstrumentarien für die Finanzstabilität beider Länder von größter Bedeutung. Eine erfolgreiche Kooperation ist entscheidend für die Verflechtung der Weltwirtschaft, da sowohl China von einer Krise in Europa, als auch Europa von einer Krise in China betroffen sind. Dem Renminbi prognostiziere ich übrigens eine weitere Institutionalisierung, da sich die chinesische Wirtschaft kontinuierlich weiterentwickle. Langfristig wird der Renminbi zu einer freikonvertierbaren Leitwährung werden, was sich positiv auf die Stabilisierung der Weltwirtschaft auswirken wird.

Die Rolle Chinas in der Welt ist in den letzten Jahren stetig angewachsen. 2010 konnte China Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ablösen. Zudem ist es China gelungen, Deutschland den Titel des Exportweltmeisters streitig zu machen. China ist sich seiner wachsenden Bedeutung bewusst und bestrebt, das internationale System aktiv mitzugestalten. Die vor mehr als 30 Jahren begonnene Transformation der chinesischen Wirtschaft von einer gelenkten Staatswirtschaft hin zu einer „Marktwirtschaft sozialistischer Prägung“ schreitet stetig voran; dies ist zu begrüßen. China kann mit Fug und Recht stolz auf viel des in den letzten 30 Jahren Erreichten sein. Insbesondere die wirtschaftliche Entwicklung verlief rasant. In den letzten Jahren konnte China oft Wachstumsraten beim Bruttoinlandsprodukt im zweistelligen Bereich verzeichnen.

China ist auch in der internationalen Politik ein viel beachteter Akteur mit wachsendem Einfluss. Als ständiges Mitglied im Sicherheitsrat entscheidet es bei allen Fragen der aktuellen Politik unmittelbar mit – etwa zu Syrien, Libyen, Iran, bei der Politik gegenüber Nordkorea und anderen Brennpunkten. Bei meinem Besuch in Peking bin ich mit dem Direktor des „Modern Management Center Shanghai“, Prof. Dr. Yan Xiaobao zusammengetroffen. Das „Modern Management Center Shanghai” ist eines der führenden politikwissenschaftlichen Analyseinstitute in der VR China. Gemeinsam diskutierte ich insbesondere der anstehende Wechsel der Staats- und Parteiführung in der VR China im kommenden Herbst und dessen Auswirkungen auf die Rolle Chinas in der internationalen Politik.

Deutschland und China unterhalten eine strategische Partnerschaft. Die bilateralen Beziehungen sind eng, auch auf höchster politischer Ebene. Im Juni 2011 fanden die ersten Deutsch-Chinesischen Regierungskonsultationen statt, zu denen die Bundeskanzlerin den chinesischen Ministerpräsidenten Wen Jiaobo in Berlin empfing. Er wurde von 14 Ministern begleitet. Außenminister Westerwelle empfing seinen chinesischen Amtskollegen Yang hingegen im Dezember 2011 zu ausführlichen strategischen Konsultationen.

Diese Kontakte nutzt die deutsche Diplomatie vielfältig – etwa als Partner der deutschen Wirtschaft beim Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen, beim Eintreten für mehr Rechtsstaatlichkeit und eine Verbesserung der Menschenrechtslage oder beim Werben für eine chinesische Selbstverpflichtung im Klimaschutz.

Aufgrund der erfolgreichen Entwicklung Chinas wurden seit 2009 keine neuen Projekte der Entwicklungs¬zusammenarbeit mit China vereinbart. Bei den Herausforderungen im gesellschaftlichen Bereich will Deutschland die chinesische Regierung im Rahmen der Partnerschaft jedoch weiterhin unterstützen: Mit vielfältigen Projekten ist die deutsche Bundesregierung oder sind deutsche Organisationen mit Regierungsmitteln für eine Verbesserung der sozialen Systeme, der ökologischen Situation und des Rechtssystems in China tätig. Auch die deutschen politischen Stiftungen, wie beispielsweise die Konrad-Adenauer-Stiftung oder die Hanns-Seidel-Stiftung leisten hier vorbildliche Arbeit.

Auf der internationalen Ebene ist es Ziel der deutschen Außenpolitik, China als verantwortlichen Partner für die Herausforderungen unserer Zeit zu gewinnen – etwa mit Blick auf die internationalen Bemühungen im Klimaschutz, die Weiterentwicklung der internationalen Finanzarchitektur und die Erreichung der Milleniumsziele der Vereinten Nationen.

Anliegen der Bundesregierung bleibt auch die Verbesserung der Menschenrechtslage. Sie spricht Fälle von Menschenrechtsverletzungen offen an, wirbt für ein besseres Verständnis im jährlich stattfindenden deutsch-chinesischen Menschenrechtsdialog und tritt für eine Abschaffung der Todesstrafe ein. Die Bundesregierung setzte sich beispielsweise seit vielen Jahren für den chinesischen Menschenrechtsaktivisten Chen Guangcheng ein. In den vergangenen Jahren wurde sein Fall von der Bundesregierung regelmäßig gegenüber der chinesischen Seite thematisiert und im Mai diesen Jahres kündigte die chinesische Regierung seine Ausreisegenehmigung an. Auch der Schutz der christlichen Kirchen ist ein Anliegen der Bundesregierung. Die Kirche in China ist nicht frei entsprechend dem Grundrecht der Religionsfreiheit. Immer wieder unternimmt die Regierung Versuche, auf das Leben der Kirche Einfluss zu nehmen und ihre Handlungsfreiheit einzuschränken. Ich selbst habe mich in Peking mit Prof. Dr. Wulff Metz, der seit 1980 China bereist und ein Kenner der Situation der evangelischen Christen in der VR China ist, Dr. Karl-Heinz Schell, Pfarrer der evangelischen Gemeinde deutscher Sprache Peking, Michael Bauer, katholischer Seelsorger in Peking und Shanghai und Michael Kropp, ausgetauscht. Michael Kropp ist Vertreter des katholischen Hilfswerkes Misereor in der VR China und hat unter anderen gemeinsam mit Xinping Zhuo das Buch „Christliche Soziallehre und ihre Verantwortung in der Gesellschaft“ herausgegeben.

Die beiden Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche in China betonten, dass es in Peking und Shanghai lebendige und wachsende deutschsprachige Kirchengemeinden gebe. Ausdruck hierfür sei auch die deutsche Kantorei, die 2010 gegründet wurde. In China steigt die Zahl der Christen seit Jahren stark an. Mittlerweile sind schätzungsweise 60 Millionen Chinesen zu dem Glauben übergetreten.

Im Rahmen meiner Reise in die VR China besuchte ich auch die ehemalige britische Kronkolonie Hongkong, um politische Gespräche zu führen. So traf ich unter anderen Prof. Dr. Lutz-Christian Wolff, der Internationales und Chinesisches Wirtschaftsrecht an der „Chinese University of Hong Kong“ lehrt, um über die Investionsbedingungen für ausländische Unternehmen in Hongkong und die Investionsbereitschaft chinesischer und Hongkonger Unternehmen in Deutschland und Europa zu diskutieren. Über die politischen Rahmenbedingungen in Nordostasien diskutierte ich mit Frau Dawn Mc Gregor. Sie ist Expertin für Risikoanalyse bei Goldman Sachs Hongkong.

Im Rahmen eines Seminars der Konrad-Adenauer-Stiftung referierte ich zum Thema „Hongkong nach den Wahlen – Prädiktor für Demokratieentwicklung in China“. Hongkongs Wirtschaft gehört zu den am weitesten entwickelten und reichsten Volkswirtschaften weltweit. Angesichts eines kleinen Binnenmarktes und einer nahezu vollständig nach China abgewanderten Produktionsbasis ist Hongkong in hohem Maße vom Außenhandel und damit verbundenen Dienstleistungen abhängig. Hongkong trägt dieser Situation durch eine weitgehend offene Außenwirtschaftspolitik und eine zurückhaltende Regulierung des Wirtschaftssystems Rechnung. Neben der Rolle als führendes Handels- und Finanzzentrum ergibt sich Hongkongs wirtschaftliche Bedeutung vor allem aus seiner Stellung als Brücke für den wirtschaftlichen Austausch Festlandchinas mit dem Rest der Welt.

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Bildung, Wissenschaft und Gesellschaft stellt neben Politik und Wirtschaft die dritte wichtige Säule der Beziehungen zu China dar. Mit Schulpartnerschaften, Hochschulkooperation sowie dem Angebot von Sprachkursen fördert Deutschland den Austausch zwischen jungen Menschen und den Erwerb der deutschen Sprache. Goethe-Institut, DAAD, Stiftungen sowie zahlreiche weitere Mittler stärken mit ihren Projekten vor Ort den bilateralen Kultur- und Bildungsaustausch. Im Rahmen von Mediendialogen und Diskussionsforen werden auch kontroverse Themen wie Bürgerbeteiligung oder das Recht auf freie Meinungsäußerung angesprochen.

Schon heute zählt China zu Deutschlands wichtigsten Wirtschaftspartnern. Die Vertiefung der der bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und China auf politischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und kulturellem Gebiet, sind für Deutschland von entscheidender Bedeutung für die Zukunft unseres Landes.

Zur Berichterstattung meiner Chinareise zur Bedeutung Chinas in der europäischen Finanzkrise und deren Auswirkungen auf chinesische Wirtschaftsentwicklung gelangen Sie hier.

Zur Berichterstattung meines Referats in Peking zur globalpolitischen Rolle Chinas in der Finanz- und Weltpolitik gelangen Sie hier.

Zur Berichterstattung über weitere politischen Gespräche von mir in Peking gelangen Sie hier.

Zur Berichterstattung meines Treffens mit Frau Dr. Wang Ge vom Institut für Philosophie der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften gelangen Sie hier.

Zur Berichterstattung meines Treffens mit dem Deutschen Botschafter in der VR China gelangen Sie hier.

Zur Berichterstattung über meine Gespräche mit Vertretern der Kirche in China gelangen Sie hier.

Informationen zu meinen Besuch in Hongkong finden Sie hier.

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